Netze im unteren und im Hochgeschwindigkeitsbereich auf dem Vormarsch, aber:

In Sachen LAN führen viele Wege nach Rom

10.04.1987

Mit digitalen Nebenstellenanlagen und Local Area Networks verbindet der Anwender allzu häufig die Erwartung, daß seine Vernetzungs- und Verkabelungsprobleme einfacher lösbar sind. Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist nicht so. Eher zeichnet sich ab, daß die Problematik mit steigender Leistung und höherer Funktionalität der verschiedenen Kommunikationstechnologien noch zunimmt und für den Anwender damit größere Investitionsrisiken entstehen.

Bürokommunikation umfaßt nicht mehr nur den klassischen Bürosektor, sondern auch Arbeitsplätze in der Konstruktion, Fertigung, Produktion und in Labors, auf denen ebenfalls Büroanwendungen wie zum Beispiel Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Informationsabruf etc. abgewickelt werden. Die Qual der Wahl beginnt bereits bei der Durchforstung der LAN-Angebotspalette. Das Produktspektrum reicht von Minimallösungen, die zum Beispiel zwei PCs mit einem Laserdrucker verbinden, bis hin zu Hochleistungs-LANs für CPU-CPU-Verbindungen und großen Konfigurationen, die ganze Firmenstandorte vernetzen.

IEEE-Standardisierung schreitet voran

Die eigentliche Problematik fängt für den Anwender bei der Standardisierung an. IEEE, das Institute of Electrical and Electronics Engineers, hat gewisse firmenspezifische Entwicklungen zu Standards erhoben und ist bestrebt, weitere Standards festzulegen. Der IBM-Token-Ring mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 4 MBit pro Sekunde und Ethernet mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 MBit pro Sekunde haben sich dadurch über den Status eines weltweiten Industriestandards hinaus entwickelt. Ethernet hat bereits zu einer sehr hohen Verbreitung gefunden, der Token-Ring dürfte folgen.

Mehrere MAP-Varianten

AT&Ts Starlan (Übertragungsgeschwindigkeit 1 MBit pro Sekunde), das wiederum eigene Standards setzen wird, hat Chancen, ebenfalls einen wachsenden Markt zu erobern. Auch diese Standards werden vom IEEE sanktioniert werden.

Das gleiche Spiel wiederholt sich bei der Standardisierung der Industrienetze (MAP-Netze). Hatte man ursprünglich einheitliche Ansätze, so gibt es heute MAP, Mini-MAP und für den Direktanschluß von Feldbussen möglicherweise wiederum einen dritten Standard.

Die dem Anwender suggerierte Planungssicherheit über Standards ist also in Wirklichkeit nicht vorhanden. Zwar sind die einzelnen Standards für sich stabil, bereits auf den unteren zwei Ebenen des sieben Ebenen umfassenden OSI-Modells realisierbar und auch in den entsprechenden Produkten implementiert, doch lassen sich deswegen noch lange keine Anwendungen auf den höheren Ebenen miteinander verknüpfen. Es muß stets im Auge behalten werden, daß diese Standards nur die physikalische Übertragung der Daten und die Datensicherung abdecken. In Zukunft werden sich zu Token-Ring, Ethernet, Starlan und Breitband-LANs noch Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetze mit 100 MBit pro Sekunde hinzugesellen, deren Standardisierung sicherlich später ebenso vom IEEE übernommen wird.

Unterschiedliche Ansätze in USA und Europa

Doch wohin führt der Trend der LANs in der Bürokommunikation? Werden die Anbieter in Zukunft stärker Zweidraht-Netze hervorheben oder Glasfasertechnologien den Vorzug geben? Oder etwa gar das heute weitverbreitete Koaxkabel als die beste Lösung anbieten?

Amerikanische PBX-Anbieter zum Beispiel integrieren lokale Netze mit hohen Übertragungsraten auf Zweidraht-Technologie, wie etwa Intecom/Wangs IBX mit 10 MBit pro Sekunde oder Ztels PNX mit Ethernet-und Token-Ring-Gateways. Demgegenüber arbeitet das europäische "Esprit"-Projekt an einem breitbandigen Glasfaser-backbone-LAN mit 140 MBit pro Sekunde für die Ankopplung von heterogenen Ethernet-, Token-Bus- und Token-Ring-LANs.

Andererseits muß berücksichtigt werden, daß Koaxkabel nicht gleich Koaxkabel ist. So gibt es hier Thinwire-, Ethernet- und Breitband-Koax die alle deutlich unterschiedliche Übertragungs- und Installationseigenschaften haben.

Der wesentliche Unterschied der MAP- (Manufacturing-Automation-Protocol-) und TOP- (Technical-Office-Protocol-) Standardisierungsansätze ist im Gegensatz zu den IEEE-Standards darin zu sehen, daß hier erstmals Datenaustausch zwischen Anwendungen erfolgen kann, die auf unterschiedlichen Rechnern implementiert sind. Möglicherweise können durch die neugegründete Europäische TOP-User-Group (OSITOP) und die enge Zusammenarbeit mit der US-TOP-User-Group sowie der CEPT, der Conférence Européene des Administrations Postes et des Télécommunications, neue Akzente gesetzt werden.

Selbst aus dieser Tatsache läßt sich heute aber noch keine definitive Aussage über eine Tendenz der LANs in der Bürokommunikation treffen. Eines kann allerdings mit Sicherheit gesagt werden: Eine Koexistenz der verschiedenen Technologien wird es weiterhin geben, und diese wird sich noch verstärken. Die Herstellungskosten für Glasfaser und entsprechende Komponenten werden nämlich sinken; ebenso sind die technischen Möglichkeiten der Zweidraht-Vernetzung noch nicht ausgereizt. Es ist auch durchaus anzunehmen, daß künftig Token-Ring-Netzwerke auf Verkabelungssystemen mit höherer Geschwindigkeit realisiert werden.

Trend zu netzwerkfähiger Standardsoftware

Die Anwendungen der Bürokommunikation werden heute zunehmend über Standardsoftwarepakete realisiert. Was dies betrifft, so kommen langsam netzwerkfähige Versionen auf den Markt, zum Beispiel dBase III plus, Open Access ./. II NET. Insbesondere MS NET von Microsoft und Netbios von IBM bilden hierzu die entscheidende Klammer zwischen Netzen und Anwendungen.

Um die heutigen Standards werden sich in Zukunft auf der einen Seite leistungsfähigere, schnellere Versionen mit 16 MBit pro Sekunde oder 100 MBit pro Sekunde etablieren, auf der anderen Seite billige LANs im unteren Geschwindigkeitsbereich mit 1 bis 2 MBit pro Sekunde. Gerade für die letzteren werden in den USA hohe Marktanteile prognostiziert.

Nach wie vor unerläßlich: Ein klares Anforderungsprofil

Entscheidend für einen Anwender ist heute, daß einerseits seine Verkabelungsprobleme gelöst werden und andererseits seine Anwendungen kommunikationsfähig und kompatibel sind. Deswegen muß der Anwender ein klares Anforderungsprofil in bezug auf Anzahl und Wachstums -potential an Terminals und Rechnern sowie für die einsetzbare Standardsoftware erstellen. Auf dieser Grundlage kann dann eine Entscheidung über den Einsatz der unterschiedlichen LAN-Technologien sowie Netzkonfigurationen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen getroffen werden.

*Steffen Mitschka und Dr. Volker von Essen sind Berater bei der Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt.