Betriebliche Standardsoftware/Kaufmännische Komplettlösungen unter dem Level von BaanSAP R3

In puncto Service und Hotline haben günstigere Produkte die Nase vorn

24.10.1997

Es gibt eine Vielzahl von Branchenlösungen, die ursprünglich als DOS-Anwendungen auf den Markt kamen und den Absprung in Richtung Unix oder Windows schaffen. Seltener sind dagegen branchenübergreifende Komplettlösungen. Derzeit ist mit "Renaissance" von Ross Systems ein interessantes Produkt auf dem Markt. Diese Software ist wahlweise als Unix- oder Windows-NT-Variante zu haben und bietet Einkauf, Prozeßsteuerung, Entwicklung, Fibu, Debitoren, Kreditoren, Anlagenbuchhaltung sowie Fremdwährungen und Mehrmandantenfähigkeit.

Der Anbieter kann Installationen in ganz Europa nachweisen. Das Handling im Programm ist aufgrund der Komplexität der Datenstrukturierung relativ kompliziert, erlaubt aber ein gutes Controlling. Der Preis liegt zum Beispiel für eine Vier-User-Installation mit oben genannter Struktur bei zirka 52000 Mark, für acht Benutzer bei 82000 Mark (Windows).

Natürlich sind auch Einzelkomponenten erhältlich, zum Beispiel das Fibu-Modul für vier Anwender mit Fremdwährungen und Mehrmandantenfähigkeit. Es kostet zirka 26000 Mark.

Wer unter diesem Preislevel bleiben will, muß zum Beispiel auf ein Konzern-Management verzichten, findet aber mit den gegenwärtig am Markt präsenten Anwendungen, die auf Unix, Windows NT oder Windows 95 basieren, qualitativ hochwertige Alternativen zu den aussterbenden DOS-Anwendungen.

Wer nur ein geringes Risiko eingehen will, sollte auf bewährte Produkte von KHK (250000 Installationen) oder jüngere, aber vergleichbare Produkte wie zum Beispiel "Bavaria Soft" zurückgreifen. Beide Anbieter verfolgen mit ihren Windows-Applikationen das Ziel, dem Kunden ein vollständiges System nach dem Baukastenprinzip anzubieten (Produktion, Lager, Faktura, Debi, Kredi, Fibu, Lohn, Anlagenbuchhaltung). Die Produktion sollten Anwender genauer prüfen.

Beide Produkte sind als Einstiegsversionen sehr preisgünstig (Einzelmodul als Einplatzversionen ab zirka 1500 Mark). Bavaria Soft bietet ein besseres Handling. Die Produkte sind mehrmandantenfähig zu haben. Aber Vorsicht: Für eine Komplettlösung für vier bis zehn User nach den beschriebenen Leistungsmerkmalen und der Anzahl der Module sind zirka 30000 Mark hinzublättern. Hinzu kommen noch die obligatorischen Schulungen - eigentlich schon zuviel für den unter Sparzwang stehenden Mittelständler, und die Unterschiede zum Beispiel zu Renaissance sind nur gering. Der Service ist bei beiden Anbietern gut, aber ebenfalls nicht ganz billig.

Ein großer Vorteil der genannten Windows-Produkte ist ihre gute Kompatibilität zu anderen Standardanwendungen unter Windows. Die Weitergabe von Daten in verschiedenen Formaten in Excel (Reporting, Controlling) oder Word (Mailings, Adreß-Management) ist ein Kinderspiel.

Wer sich im Preislevel noch weiter abwärts orientieren will, muß keineswegs auf Qualität verzichten, sich aber auf seiner weiteren Suche zwischen zwei Varianten entscheiden:

- der Kombination einzelner Module separater, aber kooperierender Anbieter zu einer maßgeschneiderten Lösung oder

- einer Komplettlösung aus einer Hand mit allen notwendigen Modulen vom Adreß-Management bis zur Fibu.

Ein gutes Beispiel für die erste Variante ist die Kooperation der 42 Software GmbH mit ihrem Produkt "Arthur 42" (Lagerwirtschaft, Fakturierung; die Einplatzversion kostet ab zirka 800 Mark bis 5000 Mark) mit der "Euro-Fibu" der Syska GmbH (Fibu, Debi, Kredi, Fremdwährungen; Preise vergleichbar Arthur 42).

Beide Produkte sind auch als Mehrplatzvarianten kostengünstig, gut durchstrukturiert und aufeinander abgestimmt. Der Datentransfer - gegebenenfalls für mehrere Mandanten - ist deshalb kein Problem. Hervorzuheben ist die umfangreiche Funktionalität der Arthur 42 mit ihrer anwenderorientierten Struktur und Kompatibilität zu Windows-Standardprogrammen. So ist es zum Beispiel möglich, Auswertungen in Excel-Dateien sogar mit exakter Feldzuweisung zu adressieren. Bestellwesen per Internet, Web-Site-Service inklusive Server-Anmietung sind für Arthur 42 kein Problem. Allerdings ist einiges an Know-how nötig, um diese Funktionalität voll auszureizen.

Mit dem einfachen und preisgünstigen Listengenerator ist auch für Laien die Anpassung von Formularen, Auswertungen etc. möglich und erlernbar.

Die Eurofibu der Syska GmbH (Fibu, Debi, Kredi, Fremdwährungen, Kostenstellen) ist ein Produkt mit erprobter Funktionalität und gutem Handling. Eine Stärke dieser Anwendung liegt in den frei strukturierbaren Auswertungen bei Bilanz, BWA, GuV.

Ein weiteres Beispiel: Die Terra Data GmbH (Branchensoftware für Gärtnerei und Friedhofsverwaltung) arbeitet eng mit "Voks Fibu" zusammen. Voks Fibu bietet eine Datev-Schnittstelle, die nicht nur auf dem Papier funktioniert, außerdem ein solides Kostenstellenmodul sowie sehr gute Reports zu Bilanz, GuV, BWA auch nach Kostenstellen. Zu Terra Data gehören neben einer durchdachten Branchenspezifik ein gutes Auswertungsmodul mit einem geschickten Listengenerator.

Vorteil all dieser Varianten: sehr gute Funktionalität und Preisvariabilität der Einzelkomponenten. Die Preise reichen von 800 Mark für Einplatzversionen bis zu 5000 bis unter 10000 Mark für mandantenfähige Netzvarianten.

Der Nachteil solcher "Verbünde" ist, daß der Anwender je nach Anbieter sehr genau darauf achten muß, ob die Schnittstellen der Komponenten wirklich so funktionieren wie in den genannten Beispielen. Dabei sollte er von dem Grundsatz ausgehen, daß er seine Erfordernisse in allen Einzelmodulen anhand von Demo-Daten gründlich testet und nur das glaubt, was er sieht.

Wer die zweite Variante wählt, also der Komplettlösung vom Adreß-Management bis zur Fibu den Vorzug gibt, wird unweigerlich auf eine innovative Produktgruppe stoßen: Win Office, Win Office pro und Win Office plus von der Winpeak Software Distribution GmbH, Leonberg.

Das Konzept: Die Produkte sind nur als Komplettpaket zu haben (Adreßmodul, Lager, Faktura, Debi, Kred, Fibu; Einplatzversion-Einstiegspreis Win Office zum Beispiel unter 1000 Mark). Erst ab der Version Win Office plus sind auch Einzelkomponenten erhältlich. Die Anzahl der User beträgt von eins bis "unendlich"; hier gibt es also nicht die übliche Preistreppe für einen, drei etc. Anwender), außerdem ist das Produkt mehrmandantenfähig. In der Version Win Office plus sind Fremdwährungen und Kostenstellen sowie Internet-Anbindung implementiert.

Die Produktreihe von Winpeak verkörpert eine neue Denkweise: Der Anwender ist das Maß aller Dinge. Das äußert sich in einem einfachen und ganz auf den Anwender ausgerichteten Handling. Daten werden im System nur einmal erfaßt und stehen in allen Programmteilen zur Verfügung. Der mühsame Durchlauf vieler Eingaberoutinen in verschiedenen Modulen entfällt. Die Datenübergabe vom Artikel bis zur Bilanz enthält kein Konfliktpotential.

Die Online-Hilfe und die durchgängig mögliche Abfrage von Optionen in Eingabefeldern helfen, diese Produkte schnell zu beherrschen. Mit dem Konzept antwortet Winpeak auf den Trend zur schlanken Struktur in der kaufmännischen Sachbearbeitung. Die schon genannte Kompatibilität zu Windows-Standards ist hier ebenfalls sehr bedienerfreundlich gelöst. Der Export und Import von Daten als ASCII, Dbase oder Access-Datei ist selbstverständlich.

Abschließend bleibt nur noch eine Eigenart des Marktes zu erwähnen: je kostengünstiger das Produkt, desto besser die Qualität - sowohl Service als auch Hotline.

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Nicht Referenzkunden referieren hier eher freundlich über ihre Einsatzerfahrungen mit betrieblicher Standardsoftware des unteren Marktsegments, sondern ein Berater schreibt, der die genannten Produkte in unterschiedlichen Unternehmen "durchprobiert" hat. Sein Fazit: Diese relativ preiswerten Lösungen erfordern viel Eigenengagement, doch kann man häufig auf einen erstaunlich guten Service bauen.

*Uwe Wittrodt ist selbständiger Unternehmensberater in Bensheim in Hessen.