Risikomanagement

In Not geratene Projekte retten

11.06.2014
Von Heiko Brackmann
Der IT-Projektleiter steht vor einem Scherbenhaufen. Dann geht es für ihn ums Ganze. Eine Rettungsaktion skizziert Heiko Brackmann, Geschäftsführer der next level consulting GmbH und Coach für Projektmanager.

Krisen sind der Herzinfarkt für Projekte. Diese Notfälle brechen selten ohne Vorwarnung über den Projektmanager und das Team herein. Gerät das Projekt aber in die Bredouille, kann nur noch eine entschlossene Rettungsaktion helfen. Geschäftsführung, Auftraggeber, Lieferanten, Steuerungsgruppe, Projektleiter, Team - alle müssen auf "Krisenmodus" schalten und das Projekt wiederbeleben. Krisenprojekte brauchen schnelle Entscheidungen, versierte Krisenmanager, hochspezialisierte Helfer und den festen Schulterschluss aller Beteiligten.

1. Schritt: Die Krise "offiziell" ausrufen

Kaum jemand wagt es, eine Projektkrise offen einzugestehen. Viele Projektmanager hoffen buchstäblich bis zum letzten Tag, dass sich die Probleme von allein lösen. Doch die Rettungsaktion braucht ein klares Krisenbekenntnis als Initialzündung. Erst dieses Signal bringt das nötige Adrenalin ins Spiel und mobilisiert zusätzliche Kräfte. In der Regel kommt dieses Signal von "oben"; der Auftraggeber, die Geschäftsführung oder das Steuerungsgremium des Projekts rufen die Krise aus. Danach muss jedem Beteiligten klar sein, wer die Rettungsaktion führt. Die Geschäftsführung oder der Steuerungskreis ernennen ausdrücklich einen Krisenmanager - und geben ihm während der Rettungsaktion ausnahmslos Rückhalt. Der Krisenmanager startet als erstes dringende Sofortmaßnahmen, wie die unmittelbare Abwendung von Gefahren für Leib und Leben des Projektteams (etwa bei Bauprojekten), die Sicherung von Arbeitsergebnissen oder notwendigen Dokumentationen für die Dokumentation möglicher Nachforderungen, das so genannte Claim Management. Solche Aufgaben können nicht warten.

Ist ein Projekt erst einmal in Schieflage geraten, braucht es schnelle und entschlossene Rettungsmaßnahmen.
Ist ein Projekt erst einmal in Schieflage geraten, braucht es schnelle und entschlossene Rettungsmaßnahmen.
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2. Schritt: Krisenorganisation aufsetzen

Mit dem bestehenden Projektteam lässt sich die Krise kaum bewältigen. Das in Not geratene Projekt braucht Fachspezialisten und schnell zusätzliche Geldmittel. Deshalb wird die Projektorganisation in den "Krisenmodus" umgestaltet. Entscheidungswege werden verkürzt. Das

Steuerungsgremium tagt in kürzeren Abständen. Der Führungskreis des Unternehmens nimmt das Projekt häufiger auf die Agenda seiner Meetings. Manche Vorstände halten von sich aus ständigen Kontakt und gestatten ihrem Krisenmanager sogar Anrufe und Fragen direkt über ihr persönliches Mobiltelefon.

Fachleute empfehlen, die Krisenbewältigung als Projekt im Projekt aufzusetzen und dieses Mini-Vorhaben schnell zu starten. Entscheidend in dieser Phase ist die Kommunikation. In Krisenorganisationen wollen sich viele Beteiligte zu Worte melden. Dies sollte der Krisenmanager unterbinden. Er setzt einen Sprecher ein, der das Projekt nach außen vertritt.

3. Schritt: Probleme analysieren

Welche Probleme hat das Projekt genau? Welche Rettungsmaßnahmen müssen ergriffen werden? Das Team analysiert die Situation; je nach Projektgröße zieht es sich für einen Tag bis eine Woche zum Klausur-Workshop zurück. Manche Unternehmen führen mit externen Fachleuten ein Projekt- Audit durch, bei dem Experten nach einem festen Raster die Probleme durchleuchten und einen ausführlichen Krisenbericht schreiben. Der Vorteil: Der unabhängige Blick kann Versäumnisse, Pannen und Fehler aufspüren, die womöglich den eigenen Mitarbeiter entgangen wären.

4. Schritt: Maßnahmen beschließen und umsetzen.

Aus einer präzisen Analyse lassen sich in der Regel gut und schnell Maßnahmen ableiten. Neben dem Maßnahmenplan benötigt das Projekt einen straffen Zeitplan sowie einen Plan für die intensive Kommunikation der nächsten Wochen: Wer informiert wen wann über was? Wer entscheidet über welche Fragen? Dieses Krisenkonzept stellt das Team der Geschäftsführung, dem Auftraggeber und den Steuerungsgremien vor.

Wichtig: Auch die Interessengruppen des Projekts ("Stakeholder") müssen in die Krisenplanung ein-bezogen werden. Widerstand aus diesen Gruppen ist vielen Rettungsversuchen bereits zum Verhängnis geworden. Der Krisenmanager hält enge Verbindung zu diesen Gruppen. Er fragt sie nach ihren Wünschen und Anforderungen an die Pläne und fühlt ihnen quasi laufend den Puls. Beispielsweise bringt er den Betriebsrat auf seine Seite, wenn Wochenendarbeit genehmigt werden muss. Darüber hinaus sollten die Interessensgruppen nicht nur mit den Krisenplänen einverstanden sein, sondern auch generell die Fortsetzung des Projekts befürworten. Krisen erschüttern nämlich die Bindung der Stakeholder an das Projekt, das so genannte "Commitment".

5. Schritt: Die Krise beenden

Krisenmanagement setzt alle Beteiligten unter Hochspannung. Dafür werden andere Projekte zurückgestellt, Mitarbeiter von wichtigen Aufgaben abgezogen und zusätzliche Budgets bewilligt. Diesen Kraftakt kann kaum ein Unternehmen lange durchhalten. Deshalb arbeitet der Krisenprofi auf Tempo: Binnen ein oder zwei Monaten reißt er das Ruder herum. Kann das Team dann wieder zur Tagesarbeit übergehen, erklärt der Manager die Krise ausdrücklich für beendet. Damit schützt er das Unternehmen vor Überlastung.

Übereinkunft als Schlussstrich

Profis setzen den Schlusspunkt mit einer Präsentation vor Geschäftsführern, Auftraggeber, Steuerungsgremien und Interessengruppen:

Was hat zur Krise geführt? Welche Maßnahmen hat das Team ergriffen? Wie geht es mit dem Projekt weiter? Diesen Schlussstrich darf der Manager allerdings nicht verfrüht ziehen. Als Faustregel gilt: Die Krise ist dann ausgestanden, wenn alle Beteiligten eine gemeinsame Sichtweise auf das Projekt haben und sich über die Zukunftspläne einig sind. Erst mit dieser Übereinkunft ist die Krise gänzlich ausgestanden.

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Der Autor Roland Wanner ist seit über 19 Jahren im Projektgeschäft tätig und hat schon viele Projekte miterlebt - erfolgreiche und gescheiterte. Seit mehr als 10 Jahren arbeitet er als Projektmanagement-Spezialist, Projektportfolio-Manager und Project Office Manager im Banken- und Versicherungsbereich.

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Foto: Wanner

Dieser Artikel erschien im IT-Freelancer-Magazin.