Pilotinstallation bei Pieroth Weingut-Weinkellerei großzügig gefördert:

In neun Monaten von IBM auf Siemens

30.04.1982

Nach fast zehn Jahren IBM entschied sich die Ferdinand Pieroth Weingut-Weinkellerei GmbH in Burg Layen bei Bingen schließlich dazu, eine Systemumstellung vorzunehmen. Dabei hieß es, rund 1400 Programme in Assembler, Cobol und RPG umzuschreiben. Zudem war Dialog-Programmierung erwünscht. Der folgende Bericht von Angelika G. Loewenheim* schildert die Umstellung im Jahre 1977 von einer 370/145 auf Siemens-Rechner (7.748 und 7.738), die innerhalb von neun Monaten "über die Bühne" ging.

Grund für den "großen Herstellerwechsel" waren Pieroth zufolge die günstigeren Preise, der bessere persönliche Kontakt zu den Systemingenieuren und vor allem das großzügige Zugeständnis, diese Pilotumstellung soweit wie möglich ohne hohe Kosten für den Kunden abzuwickeln. Es wurden zwei Teams von Siemens-Fachleuten gebildet, eines für die Umstellung der rund 1400 Programme, was sich besonders bei früher extern auf einer TR 440 erstellten Software als problematisch erwies und das andere für die Neuprogrammierung im Dialog speziell für die gesamte Kunden-, Auftrags- und Artikelverwaltung.

Beide Teams brauchten jeweils rund neun Monate, bis die Programme in der Praxis auch ohne die zuvor notwendigen intensiven Parallelläufe eingesetzt werden konnten.

Heute ist für den Dialogverkehr eine 7.748 eingesetzt, während für die Batcharbeiten eine 7.738 zur Verfügung steht. Die gesamte Hardwaremiete beträgt rund 250 000 Mark pro Monat.

Aufträge in Millionenzahl

Als Direktvertriebsunternehmen für Weine und Spirituosen hat Pieroth eine Vertriebsorganisation aufgebaut, die in der Bundesrepublik 1500 Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Entsprechend ist auch der EDV im Vertriebsbereich ein klarer Schwerpunkt gesetzt.

Jeder erfaßte Auftrag bietet die Basis für eine dreifache "Informationsverarbeitung". Im Auslieferungslager erfolgt die artikelbezogene Aufbereitung, die Zentrale gewinnt aktuelle Adreßdaten bei Neukunden oder Adreßänderungen sowie Schlüsseldaten für die Lagerplanung, für die Provisionsabrechnung und für statistische Zwecke. Für neue Adressen druckt der Computer beispielsweise Aufkleber, die die Niederlassung auf ihren Karteikarten verwendet.

Werbebriefe, die zum Beispiel bei neuen Angeboten in großer Auflage an Kunden und Interessenten gesandt werden, bilden die Grundlage für die Akquisition und nehmen einen entsprechend breiten Raum ein.

Ein mittelfristiges Konzept für den EDV-Ausbau sieht eine weitere Erhöhung der Auswahlmöglichkeiten und vor allem eine DV-mäßige Erstellung der Werbebriefe über Tintenstrahl- oder Laserdrucker vor. Zur Zeit handelt es sich meist um konventionell bedruckte Postkarten.

Richtige Ware zum richtigen Kunden

Die gesamte Auftrags- und Adreßverwaltung für die Kunden läuft aber über das Dialogsystem, wobei die Datenbank für eine weitgehend redundanzfreie Speicherung sorgt. Neue oder geänderte Informationen werden einmal erfaßt und stehen dann an allen Stellen im Unternehmen, an denen sie gebraucht werden, mit gleichem Inhalt zur Verfügung.

Ähnlich wichtig ist die Lagerbestandsführung. Bei 20 Auslieferungslägern ist es nicht unproblematisch jederzeit den Überblick über Bestände und Verfügbarkeit zu behalten.

Eine bescheidene, aber ausreichende Bestandsführung der Auslieferungsläger können Olivetti-Terminals vor Ort selbst durchführen. Die Bestandsabbuchung erfolgt mit der Auslieferung, die Bestandserhöhung über die Lagerumbuchungsbelege aus dem Zentrallager Langenlonsheim - wobei die Daten jeweils manuell eingegeben werden müssen (Offline-Lösung). Weiterhin können diese kleinen Geräte für den laufenden Zeitraum, für den Folgemonat und gegebenenfalls auch für später die körperlichen und Dispositionsbestände oder zum Beispiel alle kritischen Artikel ermitteln und ausdrucken.

Auf diese Weise ist die Grundlage für ein funktionierendes Bestellwesen gegeben. Auf telefonische Bestellung und nach Prüfung der Bestände im Dialogverfahren über Bildschirm werden durchschnittlich zweimal wöchentlich die Auslieferungslager bestückt.

Im Zentrallager in Langenlonsheim - acht Kilometer von der Hauptverwaltung entfernt - läuft neben der Bestandsführung auch die Lagerorganisation über das zentrale EDV-System und die sechs dort installierten Remote-Terminals. In 18 000 Lagerplätzen wird nach dem Prinzip der "chaotischen Organisation" jeweils dort eingelagert, wo gerade Plätze frei sind. Das Zentrallager teilt sich auf großer Grundfläche (26 000 Quadratmeter) in ein sogenanntes Blocklager und ein Regallager. Im Flaschenlager finden auf 17 000 Quadratmetern 13 Millionen Flaschen Wein Platz, und zwar 1250 Sorten/Lagen aus 62 Jahrgängen. Auf zwei Abfüllanlagen können 27 000 Flaschen pro Stunde abgefüllt werden.

Profit-Center-Organisation

Problematischer als die Verwaltung und Disposition, der abgefüllten und abgepackten Handelsware ist die DV-technische Behandlung der Lagerbestände in Tanks (430 Tanks mit 9,6 Millionen Litern). Der Computer führt hier genau Buch über den Verbleib der Tankinhalte. Dieses "Kellerbuch" muß exakt den Auflagen des Weingesetzes entsprechen.

Aus der Lagerbestandsführung und Lagerorganisation sind beispielsweise tägliche Bestandslisten, Angaben über Renner und Ladenhüter, über freie Lagerplätze und zur Neige gehende Sorten ersichtlich.

Für alle Kostenstellen wird eine flexible Plankostenrechnung durchgeführt. Monatlich werden genaue Kostenstelleneinzellisten den Planausgaben gegenübergestellt und in Form von "Saldenlisten" über mehrere Monate kumuliert, so daß frühzeitig etwaige Diskrepanzen zutage treten.

Jedenfalls ist es dem Computer zu verdanken, daß diese Planungen in Form von Kennzahlenkatalogen (Auftragsvolumen pro Vertreter, Verkaufsbüro, Niederlassung und Vertriebsdirektion, pro Kunde und pro Artikel sowie Menge und Wert der Auslieferungen, der Stornierungen, Zahlungsverhalten der Kunden) jederzeit offen liegen. So wird es möglich, daß die Kostenstellen in eigener Verantwortung ihre Deckungsbeiträge erwirtschaften.

*Angelika Loewenheim ist freie Fachjournalistin.