SAP-Technologie

In-Memory-Computing - zwischen IT-Beschleuniger und Nische

01.06.2012
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

SAP-Anwendungen für In-Memory

Auch SAP ist bei der Beantwortung dieser Frage gefordert. Doch davon scheint sich der Softwarekonzern nicht irritieren zu lassen. HANA und In-Memory werden einen großen Einfluss auf die künftige Produktentwicklung der SAP haben, heißt es in Walldorf. "HANA wird die Grundlage sämtlicher Neuentwicklungen rund um unser Produkt- und Technologieportfolio sein", kündigte SAP-Vorstand Sikka an. Bis Ende des Jahres werde das SAP BW als erste Abap-basierende Anwendung auf HANA laufen und dort seine Daten ablegen sowie verarbeiten, präzisiert Brenckmann die Vorgabe seines Technikchefs. Darüber hinaus will SAP weitere Anwendungen für In-Memory fit machen. Darunter bestehende Applikationen, die künftig die neue Technik nutzen könnten, aber auch komplett neue Softwarebausteine, die das SAP-Portfolio ergänzen sollen und von vornherein ausschließlich auf die Nutzung von In-Memory ausgelegt sind. Brenckmann nennt als Beispiel die Anwendung "Strategic Workforce Planning", die bei komplexen Analysen in der Personalentwicklung eines Unternehmens von den Performance-Vorteilen in HANA profitieren soll. Diese Software verwende dediziert die SAP-Appliance als Datenspeicher, kündigt der SAP-Manager an. So soll ein Anwendungsszenario nach dem anderen für In-Memory und HANA angepasst werden, beschreibt Brenckmann die Idee des Softwareherstellers. Langfristig gesehen könnte damit das Thema Datenbank marginal werden. Mit In-Memory als zentraler Technik sei eine relationale Datenbank nicht mehr so wichtig, prognostiziert der SAP-Manager: "Diese kann letztlich nicht die erforderliche Leistung bringen."

Das sieht man bei der Konkurrenz, wie nicht anders zu erwarten, etwas differenzierter. In bestimmten Situationen mögen Systeme wie HANA Sinn geben und eine In-Memory-Datenbank notwendig machen, meint Günther Stürner, Vice President für den Bereich Server Technologies bei Oracle in Deutschland. Das seien jedoch sehr spezifische Anwendungen: "Es ist im Grunde immer eine Art Nische".

Relationale Systeme haben Zukunft

Prognosen von SAP, das Ende der Disk-basierenden relationalen Datenbanksysteme sei abzusehen, hält der Oracle-Manager für reichlich übertrieben. Stürner verweist auf Caching-Techniken, die auch für traditionelle Datenbanken genügend Leistungsreserven böten. Es gebe Cache im Hauptspeicher, Solid-State-Drives (SSDs) mit erweiterten Caches, Flash-Caches und Result-Caches, in denen Ergebnisse eines SQL-Befehls für ähnliche Abfragen vorgehalten würden. "Ein gut eingeschwungenes Datenbanksystem hat eine Trefferrate von 90 bis 95 Prozent", sagt Stürner. "Das heißt, die Systeme greifen sowieso auf den Hauptspeicher zu."

Es sei zu einfach, zu behaupten, alle Probleme seien gelöst, indem man alles einfach in den Hauptspeicher lade, merkt Stürner an. An dieser Stelle müssten noch einige Fragen beantwortet werden, beispielsweise, ob der hier zur Verfügung stehende SQL-Sprachumfang auch für hochkomplexe Abfragen geeignet sei oder die auch hier notwendigen Optimizer gut funktionierten.

Die Grundproblematik, die SAP mit HANA aufgreift, sieht allerdings auch der Oracle-Manager. Data Warehouses müssten heute zunehmend Realtime-orientierter arbeiten: "Was sich ändert, ist die Frequenz der Updates." Habe es in der Vergangenheit definierte Ladestrecken beispielsweise am Wochenende gegeben, gelte es heute, die Veränderungen aus den OLTP-Systemen stündlich, minütlich oder sogar realtime im Data Warehouse zu aggregieren: "Ein Warehouse muss heute gleichzeitig auch transaktionsorientiert arbeiten können." Die Herausforderung, dass sich die ständigen Updates und die gleichzeitigen Lesezugriffe nicht stören dürften, habe Oracle längst gelöst.