Via Salzgasse geht's in die Höhle des Löwen:

In Köln immer nach links schwenken

26.10.1984

Nicht nur Frohnaturen fallen einem bei der Stadt Köln ein, auch das "Kölsch" drängt sich ins Bewußtsein. Mitunter übernehmen die "Weiber" das Regiment in der Stadt, was immer schon auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen führte. Wolfgang C. Ehrnsperger, Mitarbeiter der CW-Schwesterpublikation COMPUTER BUSINESS, beschreibt, was das "Rom des Nordens" vor allem zu Orgatechnik-Zeiten so zu bieten hat.

Keileireien gab es schon um 50 v. Chr. (und nicht erst seit der Weiberfastnacht), als Julius Cäsar sein römisches Reich bis an den Rhein vorschob, 38 v. Chr. gründete dann Agrippa "auf kölschem Boden" die Stadt "Oppidum Ubiorumm". Die gleichnamigen Germanen, die Ubier, siedelte er von der germanischen rechten auf die jetzt römische linke Rheinseite um. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch das Ubiermonument, der älteste Quaderbau, den man bisher nördlich der Alpen fand.

Stadt der Römer und Museen

Kein Wunder, wenn heute Köln, auch das "Rom des Nordens" genannt wird. In kaum einer anderen deutschen Stadt läßt sich so angenehm auf den Spuren der Römer wandeln - bis hinein in Bierpinten und alte Weinkeller. Doch einen ersten Eindruck von der Stadt der Römer und Museen verschafft man sich am besten bei einer Stadtrundfahrt, die täglich um 10, 12 und 14 Uhr hinter dem Verkehrsamt am Dornplatz startet (zwei Stunden 16 Mark).

Womit wir auch gleich beim Wahrzeichen der Stadt sind, dem Dom. An ihm führt praktisch kein Weg vorbei, er ist Dreh- und Angelpunkt für einen ausgedehnten Shoppingbummel durch. die Fußgängerzone "Hohe Straße" ebenso wie für einen Kneipenausflug in die Altstadt. Verirren ist eigentlich nicht möglich, die Türen weisen einem immer den richtigen Weg, auch wenn es mal ein "Kölsch" zuviel war.

Beginnen wir also am Domplatz. Wer das Innere dieses einzigartigen Monumentalbaus noch nicht kennt, dem sei es gleich hier zur heiligen Pflicht gemacht, durch die Drehtür einzutreten. Es muß ja nicht gleich die, zugegebenermaßen, strapaziöse Turmbesteigung (509 Stufen; zwei Mark) sein. Wenn gleich das Höhenjogging mit einem unvergleichlichen Rundblick über die Altstadt zum Rhein hinunter und auf das gegenüberliegende Messegelände (Stadtteil Deutz) belohnt wird.

Vor dem Hauptportal wendet sich der den jetzt ganz profanen Freuden zugetane Messebesucher nach links (rechts ist der Hauptbahnhof), vorbei am vornehmen Domhotel in Richtung "Hohe Straße". Das Cafe im Domhotel ist übrigens ein beliebter Treff zum nachmittäglichen Plausch. Doch bevor man sich in die Fußgängerzone hineintreiben läßt, gehört ein Schwenk scharf links zu den Pflichtübungen: ins "Früh" (Am Hof 12-14). Das "Früh" ist eine typische kölsche Wirtschaft mit heimischen Spezialitäten wie "Halver Hahn", "Kölscher Kaviar" und "Himmel un Äd". Wer es noch nicht wissen sollte, was da auf ihn zukommt (die Speisekarte verrät es nicht) dem sei's erklärt: Halver Hahn ist nichts anderes als ein Stück Käse mit einem Roggenbrötchen ("Röggelschen"), mit dem Kaviar ist Blutwurst gemeint, unter Himmel und Ad verstehen die Kölner dann selbige Wurst, nur mit Apfelpüree.

Das Wichtigste aber ist natürlich das "Kölsch", die obergärige Bierspezialität, das Ihnen der "Köbes" unaufgefordert auf den blankgescheuerten Eichentisch stellt. Hier sei auch gleich vor einem unverzeihlichen Fehler gewarnt: Rufen Sie den "Köbes" niemals "Kellner". Das nimmt er nämlich persönlich. Dann kann es passieren, daß das nächste "Kölsch" einige Zeit auf sich warten läßt. Gerade Biertrinker aus dem süddeutschen Raum sollten es sich also nicht verscherzen mit diesen blaugeschürzten Originalen, denn bei den - gemessen an bayerischen Maßkrügen - winzigen Gläslein (0,2 Liter) sitzt man sonst allzulange auf dem trockenen. Dieser Tip gilt für alle Kölner Pinteil. Wie dem auch sei nicht nur zum wörtlich genommenen "Früh-Schoppen", auch beim Dämmerschoppen ist das "Früh" einen Besuch wert.

Paella und Halve Hahn: Cuisine Internationale

Auf welcher Höhe Sie jetzt von der Fußgängerzone aus in eine der Sträßchen abschwenken, ist gleichgültig, wichtig ist nur eines - nach links. Denn so landet auch der Ortsunkundige immer in den kopfsteinbepflasterten Gassen der Altstadt, die kurz vor dem Rheinufer zur Fußgängerzone werden.

Erster Orientierungspunkt in der Altstadt mit ihren zusammengedrängten, schmalen Häuserfronten, ist der vorgelagerte "Heumarkt", (vormittags Blumenmarkt), der nach Norden hin in den "Alten Markt" übergeht.

Appetit holen ist hier keine Schwierigkeit. Die Palette reicht vom Spießbraten am Rost (zum Beispiel im Wicküler am Römer, Ecke Unter Goldschmied/Kleine Budengasse) über Paella, Pizza, Glasnudeln bis hin zu argentinischen Steaks - das Restaurantangebot ist geradezu erdrückend, die Wahl wird zur Qual (auf ein paar sehr gute "In-Lokale" kommen wir noch zu sprechen).

Ebenso sollte sich der vergnüglich gestimmte Mensch den "Alten Markt "gleich für den Abend vormerken. "Papa Joes BiersaIon" oder auch ganz einfach "Klimperkasten" genannt (wegen der beiden alten elektrischen Rollenklaviere), bietet guten alten Jazz und Ragtime (Alter Markt 50). Wer's ganz gerne ein bißchen moderner hätte, bitteschön, der geht zwei Häuser, besser gesagt Keller, weiter. Das "Punch" (Alter Markt 36) ist eine Diskothek mit Live-Musik, in der sich auch etwas ältere Semester wohl fühlen (bis 3 Uhr früh).

Ab 11 ab in den Keller

Jetzt aber rein in die Höhle des Löwen, via Salzgasse. Noch bevor Sie richtig drin sind, links in einen Torbogen, dann scharf rechts. "Tudors Pub". In gemütlicher englischer Atmosphäre trifft man sich hier zum Gläschen Kölsch (es darf auch Guinness sein). Später wiederzukommen lohnt: So etwa ab elf Uhr geht's im Kellergeschoß richtig los. Ein Entertainer am Klavier sorgt für Stimmung, zu fortgeschrittener Stunde sind es dann auch schon mal Gäste, die was zum Besten geben.

Ein weiterer "In-Treff" ist augenblicklich das "Zlata Praha", gleich neben dem "Tudor". Kein Wunder, "Budweiser" und "Urquell" vom Faß (vorgelagert in Kühlrippen) schmeckt hier unvergleichlich.

Wen nun der Hunger plagt, der findet in der Salzgasse ein paar gute Adressen. Sehr beliebt, des urigen Ambiente genauso wie der Küche wegen, ist "Ponchos" (Salzgasse 9-11) mit seinen Riesensteaks (argentinisch). Zehn Schritte weiter werden Urlaubserinnerungen wach. "Alfredos Tapas" ist gemütlich, der Chef macht eine ordentliche Paella (die Tapas, die kleinen spanischen Vorspeisen, gibt's hier allerdings nur dürftig). Das "Alfredos", gleich daneben, ist eine Teeny-Disco (nicht weiter empfehlenswert). Das Restaurant. "Im Walfisch" gehört neben "Chez Alexis", sicher zu den empfehlenswertesten Häusern gehobener Gastlichkeit. Altdeutsch oder Nouvelle Cuisine - ganz nach Wunsch. "Im Walfisch" ist auch eine gute Anlaufstelle für Weinkenner. Die reichhaltige Karte überrascht zuweilen sogar verwöhnte Gaumen.

Hinter dem Walfisch links, in der Gasse "Auf Rothenberg, wartet das Kellerlokal "Kauri" auf Freunde afrikanischer Musik. Dazu Soul und Reggae in allen Varianten.

Nach was einem auch immer der Sinn stehen mag, zwischen "Hohe Straße" und Rheinufer kommt jeder auf seine Kosten. Und das kann man ruhig wörtlich nehmen. Nicht der Preise wegen, die sind überall, schon wegen der enormen Konkurrenz, zivil. Nein, die Palette wird nach allen Seiten abgerundet. So sollte man als Mann den Versuch gar nicht erst wagen, an der Tür des "Baccara" zu klingeln; hier sind die Damen unter sich und wollen es auch bleiben. Wer sich dagegen in Männergesellschaft wohl fühlt, der findet schräg gegenüber dem "Alten Markt" Richtung Ratskeller, nicht nur, das unterdessen berühmtberüchtigte Tom Tom" (muß man nicht gesehen haben), sondern auch andere Clubs, so zum Beispiel das "Charles". Eine der guten Adressen ist sicherlich der Männerclub "Rembrandt", vom "Alten Markt" in Richtung Weinkrüger. Letztgenannter ist ein sehr zu empfehlender Weinkeller. Das Untergeschoß ist ein, Ziegelgewölbe, aus der Römerzeit noch, heißt es.

Namen wie "Intermezzo oder "Chez Nous", um nur zwei Nachtlokale in der Altstadt zu nennen, versprechen zwar viel, halten jedoch wenig. Das eine ist eine Animierbar, das zweite bietet Striptease, hat jedoch mit seinem berühmten Namensvetter in Berlin (eine der besten Transvestitenshows) nichts zu tun.

Wer trotz des Überangebotes an Kneipen nach Abwechslung sucht, der muß einen Ortswechsel vornehmen, zum Rudolf- und Barbarossaplatz. Mit der U 5 sind es vom Domplatz fünf Minuten, per Taxi ist's bequemer. Neben einer ebenfalls großen Auswahl an Kneipen und Pinten haben sich hier vornehmlich Discos etabliert. So zum Beispiel "Lords Inn" und "Happiness (eher Studentenclub), "Showboat" (nicht nur für junge Leute) und so weiter. Eine solide Portion Sex und Strip offeriert dann noch das "Tingel Tangel" in der Maastrichstraße 6. Doch sollte man insgesamt in das Nachtleben von Köln keine allzu großen Erwartungen setzen. Die großen Sensationen sind hier nicht zu finden.

Der Messebesucher, der es ein bißchen lasterhaft wünscht, ist mit den Anzeigen in der Tagespresse und den Tips der Taxifahrer nicht besser und nicht schlechter bedient als in anderen Großstädten auch. Über Langeweile muß sich jedoch keiner beklagen, speziell die Kölner Altstadt ist einer der attraktivsten Tummel- und Bummelplätze Deutschlands, die Hotelsituation genauso wie die Gastronomie einer Messestadt durchaus würdig. Ein weiteres Plus: Köln ist eine Stadt der kurzen Wege, zumindest für Unterhaltungslustige. Die Altstadt hat man ohnehin zu Fuß "im Griff", die Verbindungen zum gegenüberliegenden Messeufer stellen eine Brücke und eine Schiffsverbindung her, und die meisten Hotels liegen im Domviertel.