Fujitsu Digitales Datencenter

Fujitsu Forum - Nachlese

In drei Schritten zur Blockchain

19.11.2018
Der Blockchain fehlen Standards – noch. Use Cases fehlen ihr nicht, sagt Asim Soysal. Ein Gespräch über Distributed Ledger und Kryptowährungen, Ökosysteme und den Supermarkt an der Ecke.

"Realität oder Hype? Die Blockchain ist beides!" Das stellen rund 130 Business- und IT-Entscheider in einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Lünendonk fest. Sie schreiben der dezentralen "Datenbank der Werte" großes Potenzial zu - gleichzeitig erklären sie, dass ihr noch eines fehle: der Use Case. Eine ganze Reihe davon hat Asim Soysal von Fujitsu im Koffer. Auf dem Fujitsu Forum 2018 in München zeigt sich der Senior Business Development Manager überzeugt: "Schon in fünf Jahren werden wir hier vermutlich einen Markt und neue Geschäftsmodelle sehen, von dem wir jetzt noch gar nichts wissen!"

Technologisch gesehen geht es um Distributed Ledger, betriebswirtschaftlich um neue Business-Modelle. Die Brücke zwischen beiden Aspekten zu bauen, ist Aufgabe des CIO. Grundsteine für diese Brücke gibt es viele: ob es nun schlicht Kosteneffizienz ist, der Druck durch Compliance oder das Ziel, mit verteilten Architekturen eine robuste Umgebung aufzubauen.

Logistikkette fälschungssicher abbilden

Dazu ein handfestes Beispiel: die ungebrochene Kühlkette, etwa im Lebensmittelhandel. Wird der gesamte Weg der Ware vom Landwirt bis zum Supermarkt an der Ecke in der Blockchain abgebildet, hat jeder Partner Einblick in den Zustand des Gutes. Sensoren melden, sobald die Temperatur zu stark steigt oder fällt, Informationen darüber erreichen die Verantwortlichen oder gegebenenfalls auch die Buchhaltung des Kunden, der die Annahme verweigern oder die Rechnung mindern darf.

"Im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge (IoT) ist die Logistik-Branche in Sachen Blockchain ganz weit vorn", beobachtet Soysal.

Ihn wundert das nicht: "In der Logistik muss man sehr detailverliebt sein, um die Prozesse gut im Griff zu haben, da der Markt hart umkämpft ist. Da viele Intermediäre beteiligt sind, ist eine lückenlose Dokumentation unerlässlich." Und schließlich zählen zum Ökosystem des Sektors auch noch Zollbestimmungen, schriftliche Einfuhrgenehmigungen und weitere Aufsichtsbehörden dazu die durch die Verwendung von Blockchains überflüssig werden könnten. Die Stärke der Blockchain: weil die Daten auf so vielen Knoten gleichzeitig liegen, gilt sie als praktisch fälschungssicher und somit als hochsicher und vertrauenswürdig.

Der derzeit vielleicht bekannteste Use Case dreht sich um Kryptowährungen wie den Bitcoin. Zwar eignet sich der Bitcoin in der EU kaum als Zahlungsmittel, doch in der Schweiz können Unternehmen ihre Steuern damit begleichen. In Japan hat das Parlament im Frühjahr 2017 die Cyber­Währungen Bitcoin und Ether als legales und konvertierbares Zahlungsmittel am Point of Sale (PoS) zugelassen. Schweden plant, im kommenden Jahr die E-Krone als eigene staatliche Digitalwährung zu testen.

Startups haben die Ideen - die Banken aber die Kunden

Stichwort Payment: Die Distributed-Ledger-Technologie könnte klassische Banken in ihrer Rolle als Intermediär überflüssig machen. In den Abgesang auf die klassischen Geldhäuser, der mancherorts zu hören ist, stimmt Soysal aber nicht ein. Zwar kennt er viele junge Startups und Fintechs. "Sie haben die Ideen - aber die traditionsreichen Häuser haben die Kunden", schmunzelt er. Stärker sieht er Notare gefährdet, deren Geschäftsmodell bedroht wird, wenn die Partner eines Ökosystems ihre Verträge als Smart Contracts transparent in der Blockchain ablegen.

Doch wie gehen Entscheider das Thema Blockchain nun konkret an? Aus seiner eigenen beruflichen Expertise rät der Fujitsu-Experte zu einem Vorgehen in drei Schritten: Erstens geht es für Unternehmen um die Frage: Wo wollen wir in drei Jahren stehen? Wie soll das Geschäftsmodell aussehen? Zweitens ist zu klären: Wie sieht das operative Modell dahinter aus? Und drittens schließlich: Wie soll die Transformation aussehen? Wie gehen wir vor und wie gestalten wir den Change?

Erfolgskriterium: Digitaler Reifegrad

Aus diesem Vorgehen ergibt sich auch der Adressat: "Meist entscheidet das Top-Management, dass ein Pilot gestartet wird", sagt Soysal, "von dort aus wandert das Thema ins mittlere Management und in die Fachabteilungen." Dem Experten ist klar, dass die Blockchain in einem größeren Zusammenhang steht. Zuerst ist der digitale Reifegrad zu prüfen. IT-Chefs werkeln auf vielen Baustellen gleichzeitig, und sie sollten sich nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen, mahnt Soysal.

Hype oder Realität? "Die Technologie hinter der Blockchain ist nicht sehr eingängig", räumt Soysal ein. Und dass sich noch keine Standards und Regularien für die Nutzung etabliert haben, macht es für Unternehmen nicht leichter. Doch die Blockchain wird kommen. Was Soysal noch beobachtet ist, dass Deutschland in dieser Technologie die Chance hat, eine Führungsrolle zu übernehmen, oder zumindest maßgeblich mitgestalten und im Gesamtkontext Digitalisierung wieder eine Führungsrolle übernehmen kann.