Antipolitische Tendenzen beim Düsseldorfer Messekongreß "Online '81":

In der Kommunikation steckt der Spaltpilz

20.02.1981

DÜSSELDORF - "Bis zur Beherrschung der Informationstechnik werden sicher einige Jahrzehnte vergehen", warnte Informatik-Professor Dr. Gerhard Krüger (Uni Karlsruhe) auf dem Düsseldorfer Messe-Kongreß "Online '81". An die 2000 Teilnehmer (Angabe des Veranstalters) hatten sich versammelt, teils um den State-of-the-Art der Telekommunikation zu verkünden, mehrheitlich aber, um zu erfahren, wohin die Tele-Reise geht.

Veranstalter Albin L. Ockl hätte zwar gerne 3000 zahlende Kongreßler begrüßt, wie er leicht melancholisch versicherte, doch tröstete er sich mit der Überlegung, ein Wachstum von rund 800 Teilnehmern im Vorjahr auf jetzt 2000 könne sich auch sehen lassen - zumal angesichts der ungünstigen Wirtschaftslage.

Ockls Vorsätze, mit der Telekommunikation und dem Kongreß weiter zu wachsen, sind jedenfalls ungebrochen. In richtiger Deutung der in Düsseldorf sichtbar gewordenen Spaltungstendenzen sprach er jedoch bereits davon, im Jahre 1982 möglicherweise einen gesonderten Bildschirmtext-Kongreß abhalten zu wollen. Doch nicht allein Sonderentwicklungen getrennt nach Schmal- und Breitbanddiensten, Normierungsbestrebungen und Verbundkonzepten - um nur einige zu nennen - sind zu beobachten und könnten in Zukunft an Gewicht gewinnen.

Lästiges Dreinreden der Politiker

Verstärkt meldet sich auch die Politik zu Wort und bringt eine weitere Perspektive in die Diskussionen über das Ob und Wie der zukünftigen Tele-kommunikation. In Düsseldorf äußerten sich zu markt- und sozialpolitischen Fragen Vertreter aller "staatstragenden" Parteien, des Bundespost-Ministeriums, der Industrie sowie Professor Kantzenbach als Chef der Monopolkommission .

Sie taten dies so engagiert und zum Teil auch penetrant (NRW-Minister Dieter Haak, SPD), daß nicht wenige Kongreßteilnehmer sich vom politischen Gezänk ausgesprochen gestört fühlten und sich lieber mit reinen "Sachfragen" beschäftigt hätten. Hans W. Strack-Zimmermann, Siemens-Abteilungsbevollmächtigter und Moderator des Online-Symposions D ("Ich bin ein Technokrat") gab dieser Gemütslage mit einem scharfen Angriff auf "die Juristen" Ausdruck, die die mühsam erarbeiteten Normen, kaum daß sie das Licht der Welt erblickt hätten, gleich wieder mit nationalen Sonderzutaten verwässerten.

An den ersten beiden Kongreßtagen standen Post- und Herstellernetze matisch im Vordergrund, die beiden letzten Tage waren von Bildschirmtext, Bürokommunikation und einer Globalbetrachtung von Fragen der Telekommunikation geprägt. COMPUTERWOCHE beginnt im folgenden die Berichterstattung über wichtige Einzelbeiträge.

Mehr oder weniger Kosten

Positive Aussagen zu Datex-P von seiten der Deutschen Bundespost und auch einiger Hersteller standen im Vordergrund der Referate des Symposiums A: paket- und leitungsvermittelte Netze für Daten und Textkommunikation, postalische Kommunikationsdienste. Friedhelm Hillebrand vom Postministerium offerierte Datex P 20 insbesondere als die kostengünstigste Möglichkeit, "flächendeckend zu arbeiten". Probleme sah Hillebrand nach wie vor in den Inkompatibilitäten zwischen geschlossenen Netzen verschiedener Hersteller, der immer noch zu geringen Ressourcenausnutzung, in den organisatorischen Problemen beim Betrieb flächendekkender Netze aus HfD (Hauptanschluß für Direktruf), privaten Netzknoten und Fernsprechanschlüssen. Die Aussage, daß die Gesamtkosten pro übertragener Datenmenge ebenso eine Schwierigkeit darstellten wie die hohe Eintrittskostenschwelle, relativierte - obwohl eher als Randbemerkung gebracht - die vorher gemachten und auch späteren Ausführungen zur Kostensituation.

Bisher blieb die Post in ihrem Zeitplan, so Hillebrand, und er versprach bis August '81 den Teilnehmerprobebetrieb laufen zu lassen und Mitte '81 den bestehenden Zugang zu den US-Datennetzen Telenet und Tymnet durch Datex-P-International abzulösen. Bleibt die Bundespost weiter am Ball, so ist 1981 das Jahr der internationalen Testverbindungen. Über das Bisherige hinaus bestehen Verkehrsbeziehungen, die sich eben in Testverbindungen realisieren sollen, im Bereich Datex-L mit Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark und Kanada. Im Verhandlungsstadium befinde sich die Post noch mit Japan und Österreich. Datex-P-Hauptanschlüsse sollen über Euronet schon Ende dieses Jahres kommunizieren können mit: Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, den Niederlanden, Luxemburg, der Schweiz, Irland, Dänemark und Griechenland. Vereinbarungen und eine feste Planung bestehen für die Direktverbindungen mit Frankreich- da ist der Anschluß an Transpac für Mitte '81 vorgesehen - und mit England an IPSS/PSS für das zweite Halbjahr '81. Noch im Verhandlungsstadium steckt die Post mit Japan und Schweden.

Etwas widersprüchlich

Als Beiträge zur Lösung von Problemen der Anwender meldete Hillebrand - in sich etwas widersprüchlich - unter anderem die "geringe Einstiegskostenschwelle durch ein flexibles Dienstleistungsangebot sowie benutzungsabhängige Gebühren", außerdem sei in "vielen Anwendungen" davon auszugehen, daß die Gesamtkosten durch die Nutzung der Datex-L- und Datex-P-Dienste niedriger werden als bei der Nutzung von HfD und privaten Knoten.

Zu Diskussionen gaben weder das Thema noch die Atmosphäre der riesigen und nur selten mehr als halb besetzten Halle 1 viel Anreiz. Günter Sandscheper, Chefredakteur der Fachzeitschrift Online, konnte sich dennoch die Frage nach Fehlergarantien, die die Post für ihre Datex-Dienste geben könne, nicht verkneifen. Hillebrand flüchtete sich in die Formel "Dieses müsse man differenzierter betrachten", meinte dann aber schließlich: "Wie bei allen preisgünstigen Dienstleistungen der Post, könnten keine besonderen Garantien übernommen werden."

Belastungstests stehen noch bevor

Sehr gut weg kam die Post in dem Philips-Referat das erste Erfahrungen mit Datex-P zum Inhalt hatte. "Die Kommunikation von Rechnern mit Hilfe des paketvermittelten Netzes Datex-P; Erste Erfahrungen aus dem Probebetrieb". Referent Wolfgang Hofmeister-Dunkel bescheinigte der Post eine zur Zeit sehr großzügige Handhabung der Zulassung von Rechnern für den Betrieb mit Datex-P: "Bereits vor der Zulassung dürfen Geräte am Netz arbeiten, wenn sie glaubhaft den Eindruck erwecken, X.25-fähig zu sein." Als erstaunlich beschreibt er die Stabilität des Netzes gegen fehlerhaftes DEE-Verhalten.

Er schränkte allerdings ein, "daß Ergebnisse ausführlicher Belastungstests während des Probebetriebes sicher nicht anwendbar sein würden . . . nach dem Probebetrieb". Man habe sie deshalb auch gar nicht erst angestellt.

Bei 100 Anschaltungen wurde ein Knotenausfall registriert , der im Minutenbereich behoben worden sei; während des gesamten Tests konnte kein vom Netz verursachter Paketfehler entdeckt werden. Zur Leitungsqualität äußert sich der Philips-Mann weniger positiv. "Wegen mittelmäßiger Leitungen mußten häufige Blockwiederholungen registriert werden." Bei den derzeit existierenden Hauptanschlüssen sei allerdings die Leitungsqualität außerordentlich hoch, und Blockwiederholungen erschienen verschwindend gering. Eine Bitfehlerwahrscheinlichkeit konnte der Referent wegen der geringen Anzahl der zu übertragenden Blöcke (im Versuch) nicht mit genügender Sicherheit angeben.

Bei Verwendung von Datex-P und entferntem Dateizugriff wurden die Antwortzeiten nicht merkbar größer. "Dieses Verhalten läßt auf Durchlaufzeiten von weit unter einer Sekunde schließen." Zum Schluß seiner Ausführungen der fromme Wunsch: "Das Netz ist bereits so stabil, daß man sich nur wünscht, daß es unter Belastung unveränderte Eigenschaften behält."

Zwei typische Anwendungsprofile zog Dr. Thomas Hildebrand, Sperry Univac, zum Kostenvergleich zwischen Datex-L und Datex-P heran. Sein Thema war: "Kostengünstigste Anwendung des Datex-L-Datennetzes, Analyse und Vergleich von Alternativen". Hier seine Beispiele:

þTransaktions-Profil

Eine typische Transaktion besteht in diesem Beispiel aus 30 Byte Input und 500 Byte Output. Die Bearbeitungszeit im Hostrechner beträgt 0,2 Sekunden, die Übertragungsrate 2400 bps. Während einer Terminalsession werden durchschnittlich 5 Transaktionen pro Minute erwartet.

Ein Diagramm "Monatliche Kosten/ Tx-Betrieb" zeigt, daß bereits weit unter 100 km Telephon und HfD kostenmäsig erheblich über Datex-L und Datex-P liegen. Ab etwa 100 Tx pro Tag ist von den reinen DÜ-Kosten her Datex-P günstiger als Datex-L Wichtig ist aber, daß etwa 80 Prozent der möglichen Kostenersparnis durch den Übergang von Telephon/HfD auf Datex-L mit nur geringem Umstellungsaufwand und ohne Performanceverlust erzielt werden.

Für die letzten 20 Prozent muß beim Übergang auf Datex-P ein erheblicher Umstellungsaufwand (Kosten!) getrieben werden.

RJE-Profil

In diesem weiteren Beispiel soll eine Remote-Job-Entry-Station im Nachtbetrieb mit 9600 bps an den Host angeschlossen werden. Während der Zeit der gewählten Verbindung wird die Output-Datenstrecke zu 95 Prozent ausgenutzt, die Input-Datenstrecke nur zu 25 Prozent.

Das Diagramm "Monatliche Kosten/RJE" zeigt, daß Datex-L und Datex-P erheblich günstiger liegen als HfD. Telephon scheidet wegen der geringeren Übertragungsrate aus. Bis etwa 5 Millionen Byte

Datenvolumen pro Arbeitstag ist Datex-L günstiger als Datex-P. Darüber holt Datex-P, bedingt durch Mengenrabat, au. Auch in diesem Beispiel bringt die mit geringem Aufwand verbundene Umstellung auf Datex-L erhebliche Kosteneinsparungen.

Hildebrand kommt zu dem Schluß "Bei Terminal-Neuanschaffungen ist Sicherlich Datex-P dem Datex-L vorzuziehen. Dennoch habe auch Datex-L seine günstigen Seiten. Insbesondere biete es bei vielen Remote-Job-Entry-Anwendungen wegen des geringen technischen Aufwandes beachtliche Möglichkeiten der Kosteneinsparung.

Bildschirmtext am wichtigsten

Zur Eurodata-Studie 79 und zum gegenwärtigen und zukünftigen Dienstleistungsangebot der Deutschen Bundespost im Bereich der Datenkommunikation fühlte sich Hans Ulrich Metzger aufgefordert, zusammenfassend zu referieren. Metzger, beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen, griff aus der umfangreichen Studie unter anderem auch die Aussagen zum Bildschirm-Text (BTX) heraus: Die Studie zeige Bildschirmtext als die wichtigste Neuanwendung der Zukunft, an zweiter Stelle folge Teletex. Ein Vorteil der Massenanwendung von BTX sei für die Datenfernverarbeitung, daß ihre Kosten sinken würden, "so daß es Leistungen für ,Jedermann' werden". Die Schätzungen der Eurodata-Studie müssen der Post sehr gelegen kommen: Bis auf den Teletex-Dienst werde - jedenfalls was den geschäftlichen Bereich anbelangt - in zehn Jahren die Nachfrage nach ihren Diensten in "allen Bereichen" hoch bis sehr hoch sein.

Herbert Herrmann von der Siemens AG, München, beschrieb, wie die Integration von den traditionellen nachrichtenvermittlungsorientierten Diensten in Paketvermittlungsnetze möglich sei. Er registrierte hierfür einen Bedarf bei verschiedenen Institutionen wie zum Beispiel der Flugsicherung, beim Militär, bei der Polizei und so weiter. Dort würden derzeit Überlegungen angestellt, wie die historisch gewachsenen Nachrichtenvermittlungsnetze mit ihren spezifischen Leistungs- und Funktionsmerkmalen in ihre künftigen oder schon bestehenden

Paketvermittlungsnetze integriert werden könnten. Unabhängig davon wachse das Bedürfnis verschiedener Netzbetreiber, ihren Teilnehmern über die reine Transportfunktion des Netzes hinaus sogenannte "Value Added Services" in Form von sogenannten nachrichtenvermitt-lungsorientierten Diensten zur Vefügung zu stellen.

Zusammenfassend erläutert Herrmann das Siemens-Angebot: "Für das Bereitstellen dieser Dienste werden ein oder bei Bedarf mehrere Operationsmoduln in das Paketvermittlungsnetz eingelagert, die sich zum Paketvermittlungsnetz wie ein paketorientiertes Datenendgerät (X.25-DTE) verhalten. Für die Kommunikation zwischen Operationsmodul und Teilnehmer können sowohl temporäre als auch permanente Verbindungen geschaltet werden. Die eindeutige Zuordnung und damit verbundene Entflechtung der Aufgaben im Netz bringen dem Betreiber bedeutende Vorteile wie zum Beispiel die Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Flexibilität des Paketvermittlungsnetzes, die problemlose Integration eines oder weiterer Operationsmoduln in schon bestehende Netze sowie die einfache und flexible Erweiterung der Operationsmoduln."

Die Siemens-Systemfamilie EDX, gewachsen aus den diversen Realisierungen von Vermittlungsanlagen für Fernschreib- und Datennetze bietet Herrmann hier als den Dienstleister der Dienste an.