Diebold: Informatiknutzen wird schärfer kalkuliert

In der DV-Industrie sind jetzt Schlechtwetterkapitäne gefragt

04.12.1992

FRANKFURT/M. (CW) - Trotz Wachstums bei Software, Dienstleistungen und Kommunikationstechnik ist die DV-Branche in einem Tief. Hausgemachte Malaisen, die Konjunkturflaute und der Zusammenbruch der Osteuropa-Märkte haben, die Industrie in eine ihrer schwierigsten Phasen geführt. Zu diesem Schluß kommt die Diebold Deutschland Management- und Technologieberatung GmbH.

"Der allgemeine Blick auf 1993 ist überwiegend von starker Zurückhaltung geprägt", heißt es im "Diebold Management Report". Das gelte auch für die Anwenderunternehmen, über deren "mangelnde Entscheidungsfreudigkeit" etliche Anbieter klagten. Im Report wird das auf harten Wettbewerb und Ertragsdruck auf den Weltmärkten aller Branchen zurückgeführt.

Die Kunden fragten zunehmend nach dem Nutzen der Informatik und versuchten, diesen in Relation zu den Kosten zu erhöhen. Als Mittel zum Zweck gewännen neue Technologien und Konzepte der Informatik an Bedeutung. Diebold zählt die Trends auf: Komplexitätsreduzierung, Downsizing, Outsourcing, offene Systeme und Standardsoftware.

Um diese Begriffe, so heißt es, rankten sich heute "alle Aktivitäten, die Brot und Not der Informatik-Branche bestimmen". Traditionelle Hardwarehersteller, deren Margen im Stammgeschäft schrumpfen, suchen laut Diebold ihr Heil als Anbieter von Software und Dienstleistungen.

Die Dynamik der Computerbranche birgt nach Ansicht des Autors große Risiken: "Strategische Allianzen" zwischen ehemaligen Konkurrenten, Umorganisationen ganzer Unternehmen und "drastische Veränderungen" der Vertriebswege führten zu Unsicherheit bei den Kunden. Zu den Problemen addiere sich die immer restriktivere Kreditpolitik der Banken gegenüber DV-Unternehmen. Nach bereits erfolgten Zusammenbrüchen steht dem Report zufolge noch das Überleben "so mancher Softwarefirma und so manchen Fachhändlers auf dem Spiel".

Die Hardware-Anbieter profitierten angesichts wachsenden Power-Bedarfs zwar noch von Erweiterungsinvestitionen. Insbesondere die Mainframer hätten jedoch hart mit gegenläufigen Tendenzen zu kämpfen: "Die allmähliche Ausbreitung des Client-Server-Konzeptes führt zu einem neuen Selbstverständnis der Rechenzentren", in denen die Großrechner auf Server-Funktionen reduziert würden. Darüber hinaus schadeten Outsourcing und Downsizing dem Mainframe-Absatz. "Das schärfste Gerangel" jedoch beobachtet der Autor des Reports im Midrange-Markt. Die meisten Anbieter von Unix-Rechnern stünden in einem erbarmungslosen Preiskampf mit dem Rücken zur Wand.

Der Versuch der Box-Mover, ihre Wertschöpfung auf Software und Dienstleistungen zu verlagern, ist nach Diebolds Beobachtung problematisch, da viele "Altkunden" die Software noch wie früher als Beigabe zur Hardware ansähen. Auch als Systemintegratoren täten sich Hardware-Companies schwer, da ihnen eigenes Verkaufsinteresse und daher Befangenheit bei der HW-Auswahl unterstellt würden.

Systemintegratoren haben Glaubwürdigkeitsprobleme

Obwohl noch von wenigen Anbietern beherrscht, sei auch der Workstation-Markt von steigendem, Preisdruck gekennzeichnet. Gleichwohl macht Diebold hier noch ein "mäßiges Wachstum" durch Nachfrage aus den Einsatzbereichen Forschung und Entwicklung aus.

Flache Umsatzkurven weisen die PC-Anbieter auf, obwohl die Absätze stiegen ("Mengenkonjunktur"), heißt es. Der Margenverfall lasse einen "kräftigen Bereinigungsprozeß" unter den PC-Anbietern erwarten, dem diese sich mit neuen Vertriebskonzepten entgegenstemmten.

Bürokommunikations-Anbieter schwimmen Diebold zufolge auf einer Nachfragewelle nach LANs und zugehörigen Komponente. Weitverkehrsnetze (WANs) dagegen litten unter den jüngsten Telekom-Tarifänderungen, die zu Zurückhaltung bei den Kunden geführt hätten.

Die "Unix-Welle", zusammen mit Datenbankprodukten, so der Report gäbe dem Markt für systemnahe Software Impulse. Die Kunden träfen hier jedoch weniger einzelne Investitionsentscheidungen, als vielmehr Unix-Produkte und Datenbanken in größeren Projekten einzuführen. Das Projektgeschäft floriere entsprechend, wenn es auch unter Konkurrenzdruck der Computerhersteller gerate, "die ihr Glück als Systemintegratoren versuchen".

Das Streben der Anwender nach Komplexitätsreduzierung und Begrenzung der Investitionen befördert das Geschäft der Outsourcer und habe schon die Zahl der Anbieter erhöht, stellt der Diebold-Autor fest. Das Thema genieße mittlerweile große Aufmerksamkeit auf höheren Management-Ebenen über den DV-Verantwortlichen.

Alles in allein sei in der Informatikbranche nur verhaltene Hoffnung auszumachen: Einige Hardwarehersteller spekulierten noch auf einen Auftragsschub im vierten Quartal 1992, während andere erst für die zweite Jahreshälfte 1993 so etwas wie Optimismus zeigten. Bis zu einer Erholung, zitiert Diebold, gelte jedoch der Ausspruch eines Branchen-Insiders: "Schlechtwetterkapitäne sind gefragt."