In den USA hat der Boom bereits eingesetzt Die kleinste PC-Erweiterung erwartet eine grosse Nachfrage

08.04.1994

Von Fereydun Khanide*

Desktop-PCs bieten fuer den Einbau von Steckkarten ausreichend Platz, das Netzteil liefert den notwendigen Strom, Stoessen oder Vibrationen ist der PC nicht uebermaessig ausgesetzt. Ganz anders sieht es bei Subnotebooks, Notepads oder PDAs aus: Die Anforderungen an Groesse und Gewicht, Energieverbrauch und Robustheit von Hardware-Erweiterungen lassen normale Zusatzkarten nicht zu. Die Alternative, PCMCIA-Karten, setzen zu einem gewaltigen Markterfolg an.

Nicht zuletzt infolge des Zwanges zur Miniaturisierung wurde die "Personal Computer Memory Card International Association" (PCMCIA) ins Leben gerufen. Sie ist ein Zusammenschluss von knapp 500 Firmen, die angelehnt an die japanische "JEIDA"-Industrienorm einen Standard fuer Speicherkarten in der Groesse einer Kreditkarte erarbeiteten und dessen Release 1.0 im Sommer 1990 oeffentlich vorstellten.

15 Monate spaeter praesentierte die Gruppe Release 2.0, das mittlerweile als leicht modifizierte Version 2.1 gueltig ist. Diese umfasst drei unterschiedlich dicke Karten und erlaubt ueber die reine Datenspeicherung hinausgehend allgemeine Ein- /Ausgabefunktionen. Das derzeit in Entwicklung befindliche Release 3.0 sieht vor eigene Prozessoren mit Master/Slave-Faehigkeiten auf den Erweiterungskarten unterzubringen; es soll voraussichtlich noch in diesem Jahr veroeffentlicht werden.

Die Mobilitaet der Daten hat weiter zugenommen

Bereits heute laesst PCMCIA, den Begriff vom "Persoenlichen Computer" Realitaet werden. PCMCIA-Festplatten mit einer Kapazitaet von ueber 100 MB lassen sich wie eine Diskette per Knopfdruck aus dem Geraet auswerfen, es existieren sogar erste Wechselfestplatten im PCMCIA- Format.

Damit kann ein Anwender seine persoenliche Arbeitsumgebung einschliesslich speziell konfigurierter Applikationen und saemtlichen Daten mit sich in der Hosentasche herumtragen. Bei Bedarf schiebt er die Karte in einen beliebiges, mit einem PCMCIA- Slot 2.0 ausgestattetes Geraet. Damit kann er dann so arbeiten, wie in der vertrauten PC-Umgebung im heimatlichen Buero. Alternativ kann er seine Daten und Applikationen auf einer "Silikon- Festplatte", einer Flash-Speicherkarte, halten. Deren Fassungsvermoegen reicht derzeit zwar nur bis zirka 40 MB, doch ist es nur eine Frage der Zeit, bis groessere Kapazitaeten verfuegbar sind. Memorykarten sind robuster als PCMCIA-Festplatten, da sie keine mechanisch bewegten Teile besitzen, und sehr viel kuerzere Zugriffszeiten aufweisen.

Leider betraegt ihr Preis noch ein Mehrfaches dessen, was fuer ihre rotierenden Geschwister zu bezahlen ist. Auch ist noch nicht sicher entschieden, welches Format fuer die interne Datenstruktur sich durchsetzen wird. Derzeit konkurrieren Firmen, darunter Microsoft und die auf PCMCIA spezialisierte Muenchner SCM, darum, ihre jeweilige Flash-Filing-Software als allgemeine Norm zu etablieren.

Solange die physikalischen Abmessungen - festgelegt als Typ I mit 3,3, als Typ II mit 5 oder als Typ III mit 10,5 Millimeter Bauhoehe - dies nicht verhindern, kann ein Slot, der die Spezifikationen nach Release 2.1 erfuellt, jede PCMCIA-Karten ungeachtet ihrer Funktionalitaet aufnehmen. Und diese reicht von den erwaehnten Speicherkarten ueber Netzanschluss (Token Ring, Ethernet), SCSI- Emulationen bis zu Infrarotmodulen und drahtlosen Funk- Navigationsystemen.

Moeglich ist dies durch Gliederung der PCMCIA-Spezifikationen in fuenf Ebenen namens "Physical Layer", "Basic Compatibility Layer", "Data Recording Format Layer", "Data Organization Layer" und "System-Specific Standards". Diese legen von Schicht zu Schicht in zunehmend abstrakterem Niveau saemtliche funktionalen und organisatorischen Eigenschaften der Karten fest.

Eine klare Trennung zwischen der Hard- und Software erfolgt durch die "Card Services" und "Socket Services". Erstere uebernimmt die Anbindung an die hoeheren Software-Ebenen, letztere kontrolliert den PCMCIA-Adapter und seinen Sockel.

Trotz des ausgefeilten Konzeptes ist echte "Plug-And-Play"- Operabilitaet noch ein Stueck von der Realitaet entfernt, da aufgrund anfaenglicher Luecken in der Spezifikation bereits Produkte auf den Markt kamen, die sich nicht in allen Punkten an die spaeter festgelegten Vorgaben hielten.

Eine bereits im letzten Jahr speziell fuer diese Frage eingerichteten Sektion namens "Compliance and Interoperability" soll die hierbei entstandenen Probleme aus der Welt schaffen. Bei neu auf den Markt kommenden Produkten, deren Hersteller sich streng an die von jedermann kaeuflich zu erwerbenden PCMCIA- Spezifikationen halten, sollten diesbezueglich keine Schwierigkeiten mehr auftreten.

Bei der Marktentwicklung hinkt Europa, wie gewohnt, der Entwicklung in den USA um einige Monate hinterher. Waehrend laut Robert Schneider von SCM, Technical Chairman bei PCMCIA Europe, jenseits des Atlantiks PCMCIA-Faxmodems ein wahrer Renner sind, ist hierzulande bei den Benutzern das entsprechende Bewusstsein und Kaufverhalten erst noch zu erzeugen.

In den Vereinigten Staaten erfolgte zunaechst der umfassende Aufbau der Distributionskanaele, und erst im Anschluss daran wurde die Verbreitung des Standards im Bewusstsein der Enduser forciert. Diese beiden Schritte werden in Europa parallel laufen.

"Der Haendler wird gar nicht mehr die Chance haben, sich sehr lange auf die Einfuehrung dieser Technologie vorzubereiten, sondern sich mit der Enduser-Frage ,Haben Sie PCMCIA?' konfrontiert sehen. Er muss schnell lernen, diese Frage qualifiziert zu beantworten" erlaeutert Wolfgang Neifer, Executive Coordinator PCMCIA European Chapter, die derzeitige Situation in der Bundesrepublik.

Wolfgang Richter, Chairman von PCMCIA in Europa, sieht denn derzeit den Marketing-Aspekt und die Schaffung einer auf PCMCIA und PC-Cards bezogenen "Enduser-Awareness" als Schwerpunkt der Aufgaben der Vereinigung in Europa an.

Es gibt zahlreiche Einsatzmoeglichkeiten

Vereinzelt koennen aber sogar von Arbeitsgruppen von Europa aus Impulse in technologischer Hinsicht nach Amerika ausgehen. Paradebeispiel ist die Workgroup, die sich mit ISDN beschaeftigt und dafuer sorgen will, dass dieses speziell europaeische Anliegen in dem internationalen Standard seinen Niederschlag findet. Was den Absatz anbelangt, kann von nennenswerten Stueckzahlen in Europa noch nicht gesprochen werden, doch sind sich nicht nur die PCMCIA- Oberen darueber einig, dass der Boom kaum aufzuhalten sein wird. Vielfaeltige Einsatzmoeglichkeiten bestehen nach wie vor im industriellen Sektor, aber auch im umsatztraechtigen Game-Bereich werden Memory-Cards mit integrierter Software Fuss fassen.

Und zahlreiche Kommunikationsgeraete im PCMCIA-Format, allen voran Faxmodems, werden nicht zuletzt aufgrund eines niedrigen Preises als attraktive Alternative zu Produkten in traditioneller Technologie erscheinen. Richter weist darauf hin, dass Hersteller mobiler Computersysteme zunehmend die PCMCIA-Technologie beim Design ihrer Geraete beruecksichtigen. Nicht nur alle PDAs und sonstigen stiftbasierten Computer besitzen bereits mindestens einen Einschub zur Aufnahme der flachen Scheiben, auch bei Tastatur-PCs setzt sich PCMCIA durch.

Bereits heute hat jeder Hersteller mindestens eine Modellreihe im Angebot, die ueber entsprechende Einschuebe verfuegt. In drei Jahren soll das Prognosen der Gartner Group zufolge bei drei Viertel aller Notebooks und 96 Prozent der Handheld-Geraete der Fall sein.

Sollte sich diese Schaetzung als realistisch erweisen, koennten sich die Projektionen erfuellen, die fuer 1997 von etwa 60 Millionen verkauften Karten ausgehen, wobei alleine auf den Bereich der Flash-Speicherkarten drei Milliarden US-Dollar entfallen sollen.

Kontakt zu PCMCIA

PCMCIA European Chapter

Wolfgang Neifer

Rosenstrasse 9a

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Fax.: + 1 - 408 - 720 - 9416

Ein neuer Standard kommt voran

Interview mit Wolfgang Neifer, Executive Coordinator PCMCIA European Chapter

CW: Sehen Sie nationale Besonderheiten innerhalb von PCMCIA Europa?

Neifer: Bei der Verteilung nach der Mitgliedschaft steht an erster Stelle die BRD, gefolgt von England. Dann kommt mit gewissem Abstand Frankreich. Eine gewisse Bewegung ist in Skandinavien zu verzeichnen, suedeuropaeische Staaten wie Italien oder Spanien, wo noch gar keine Mitgliedsfirmen registriert sind, agieren eher verhalten. In Osteuropa sind erstaunliche Aktivitaeten zu verzeichnen. Firmen aus der ehemaligen CsfR, aus Polen und Litauen entwickeln noch nicht so sehr eigene Produkte, sondern haben ihre Staerken in der Distribution.

CW: Release 3.0 ist seit einiger Zeit in Vorbereitung. Wann wird die Version offiziell freigegeben?

Neifer: Der neue Release zeichnet sich am Horizont ab. Er ist im Einklang mit der sich weiterenwickelnden Leistungsfaehigkeit der Module zu sehen, sei es im Memory-Bereich, sei es im I/O-Bereich mit einem immer hoeheren Durchsatz an der Modulschnittstelle. So wie wir heute den 16 Bit breiten Bus haben und es vielleicht einen 8-Bit-Bus fuer Consumer-Anwendungen geben wird, ist die Erweiterung nach oben hin nur ganz natuerlich. Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass es einen 32-Bit-Busmaster geben wird. Wann das genau sein wird, laesst sich momentan nicht festschreiben. Die Hersteller haben ein grosses Interesse daran, moeglichst bald eine neue Leistungsklasse verfuegbar zu machen, da die Anforderungen an den Datendurchsatz im I/O-Bereich rapide wachsen.

CW: Ist nicht die Aufteilung in Substandards dem Konzept eines universell gueltigen Standards vorzuziehen, wenn die Anforderungen von aeusserst unterschiedlichen Gebieten wie kleinen PDA-Geraeten, aus dem Industrie-Bereich oder von Grosssystemen stammen?

Neifer: PCMCIA ist schon auf dem Wege der Klassifizierung. Es werden sicherlich auch irgendwann Ueberlegungen angestellt werden, wie industrielle Anwendung fuer rauhe Umgebungen noch besser zu spezifizieren seien. PCMCIA ist sehr stark Marketing-orientiert und wird durch die Mitgliedsfirmen getrieben. Daher sind Weiterentwicklungen und eine Diversifizierung in bestimmte Segmente denkbar. Hier ist ein Kompromiss zu schliessen mit der Zielsetzung, eine moeglichst breite Plattform weltweit anbieten zu koennen. Aber es ist ein Vorteil von PCMCIA, dass hier sehr schnell auf technologische Veraenderungen mit Standardisierung reagiert werden kann.

CW: Was bedeutet das fuer Leute, die sich heute einen Notebook, Notepad oder PDA mit PCMCIA-Slot kaufen wollen. Werden sie zukuenftige Karten noch verwenden koennen?

Neifer: Release 3.0 wird eine zusaetzliche Funktionalitaet nach oben hin darstellen, wobei die Abwaerts-Kompatibilitaet im Auge behalten wird. Es wird bis zu einem gewissen Grade sicher moeglich sein, auch zukuenftige Karten in einem 2.0-Slot betreiben zu koennen. Genauso wie bei der Definition eines 8-Bit-Busses daran gedacht wird, dass entsprechende Karten in 2.0-Slots arbeiten koennen. Diese Abwaertskompatibilitaet kann natuerlich nicht 100prozentig sein, sondern immer nur eine Untermenge der Leistung darstellen. Man wird auf jeden Fall daran denken, dass es nicht zu Veraenderungen in der Mechanik kommt und die physikalischen Abmessungen die selben bleiben. Natuerlich wird man aber auch die zusaetzlichen Pins irgendwo unterbringen muessen.

CW: Ist es ein Ziel von PCMCIA, auch im Bereich der Desktop- Systeme Fuss zu fassen?

Neifer: PCMCIA stellt eine Technologie zur Verfuegung und der Markt muss letzten Endes entscheiden, wo diese Technologie ueberall zum Einsatz kommen wird. Die Tendenz in Richtung Desktop ist aber durchaus da. Denken Sie an PCMCIA-Erweiterungen im Vergleich zu herkoemmlichen Erweiterungskarten. Der Anwender kann Karten sehr leicht selber installieren, ohne einen Schraubenzieher zu benoetigen. Das ist beispielsweise aus der Sicht des Vertriebes ein hochinteressantes Konzept, weil wie bei Disketten das Paeckchen per Post dem Endkunden zuschickt werden kann. Das ist uebrigens auch der Weg in Richtung Consumer-Elektronik, den PCMCIA sehr leicht und modular aufwerten kann.