Kaufabschluss bedarf noch eines schriftlichen Vertrags

Immobilienbörsen setzen Makler nicht vor die Tür

12.01.2001
MÜNCHEN - Das Interesse am Online-Immobilienmarkt nimmt zu, doch der größte Teil der Wohnobjekte ist noch nicht online. Bisher bringen die Websites lediglich Bieter und Nachfrager ohne bindende Wirkung zusammen, da rechtliche Hürden den Kauf via Web behindern. Bedroht vom aufkeimenden Internet-Geschäft fühlen sich vor allem Zeitungsverlage und Makler. Von Klaus Manhart*

Von der Luxusimmobilie bis zur gebrauchten Eigentumswohnung ist mittlerweile alles online zu haben, und Interessenten scheint es auch zu geben. Nach einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Gomez nutzen weltweit mehr als 40 Millionen Surfer das Web zur Immobilienrecherche. Dabei schlummert noch beträchtliches Potenzial in der Branche, denn gerade einmal 25 Prozent der Käufer und 49 Prozent der Verkäufer setzen das Internet für Immobiliengeschäfte ein. Die Vermittlung im Netz lockt nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen an.

Der Markt kommt auch hierzulande in Bewegung. Im Gegensatz zu anderen Branchen hat die deutsche Immobilienwirtschaft den Weg ins Internet erst in jüngster Zeit gefunden. Seit etwa einem Jahr drängen kleinere und mittlere Anbieter ins Netz. Nach einer Studie der Leipziger Immo Media Consult stieg allein von Juni bis Juli 2000 die Anzahl der Seitenabrufe auf 14 bedeutenden virtuellen Immobilienmärkten von 15 auf 19 Millionen.

Am meisten profitieren große Portale, die sich seit längerem als Anlaufstelle für Wohnungs-, Haus- und Bürosuchende etabliert haben. Zu den Marktführern in Deutschland zählen Immobilienscout24.de, Immopool.de, Immowelt.de, Estatenet.de, Immonline.de, Bellevue.de, Immoseek.de und Propertygate.com. Das größte Angebot mit 91000 Objekten verzeichnete dabei laut dem jüngsten Immobilienbörsenpanel in der "Immobilien Zeitung" vom 30. November 2000 Immobilienscout24. Das Portal lag mit 9,59 Millionen Page Impressions und 505000 Visits im Oktober vorn. Über 1,2 Millionen Exposés wurden in diesem Monat abgerufen. Der Kundenstamm des Immobilienvermittlers setzt sich dabei zu 56,6 Prozent aus Maklern zusammen, 17,2 Prozent sind Hausverwaltungen, 15,4 Prozent Bauträger und Projektentwickler, 7,1 Prozent Wohnungsunternehmen beziehungsweise -genossenschaften.

Privatanbieter machen nur 0,8 Prozent aus - gefolgt von Banken und Bausparkassen mit 0,4 Prozent. Andere Immobilienbörsen weisen zwar bescheidenere Zahlen aus, aber auch sie verzeichnen einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Immonline AG, erst seit etwa einem Jahr am Netz, verfügt über einen Bestand von etwa 60000 Objekten und meldet 1,3 Millionen Page Impressions im Monat.

Alle Immobilienportale arbeiten nach demselben Schema: Sie hinterlegen die erforderlichen Angaben zur Wohnung oder zum Gebäude auf ihren Websites, ergänzt um Fotos, Exposés und Grundrisszeichnungen. Virtuelle Wohnungsbesichtigungen und Umfeldinformationen etwa über Ärzte, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten sollen dem Kaufinteressenten die Suche nach einem neuen Domizil erleichtern. Der größte Vorteil für den potenziellen Käufer: Über eine Datenbank kann er gezielt nach Objekten suchen, die seinen Vorstellungen entsprechen - regional, überregional, international, sowie mit Blick auf Preis und und Ausstattung. Viele Dienste bieten ein persönliches Suchprofil: Der Besucher tippt alle Angaben zu seiner Traumwohnung ein, sobald ein Objekt mit den Idealdaten in der Datenbank des Anbieters auftaucht, wird der Interessent automatisch per E-Mail benachrichtigt. Einige Anbieter, zum Beispiel consido.com, gestatten eine virtuelle Besichtigung von Immobilien inklusive Außen- und Innenansichten mit 360-Grad-Perspektive.

Die Websites unterscheiden sich darin, ob sie für Makler oder auch für private Anbieter offen sind, ob international oder regional tätig sind sowie ob sie sich auf Objekte spezialisiert haben, etwa auf Villen. Neben der Vermittlung von Kaufinteressenten versuchen viele darüber hinaus Finanzierungen und Versicherungen an den Mann zu bringen. Einige kooperieren mit Online-Shops, die Möbel, Büroartikel und Accessoires zum Verkauf anbieten.

Während Kunden das Internet vor allem deshalb schätzen, weil sie dadurch selbst eine aktivere Rolle bei der Wohnungssuche einnehmen können und gleichzeitig geringere Provisionen bezahlen müssen, profitieren Händler durch die erhöhte Effizienz, argumentieren die Portalbetreiber. "Anbieter gewinnen durch vorinformierte Interessenten mehr Zeit für Beratung und Abschluss", wirbt Immobilienscout24. Für den Verkäufer gehe das Angebot ohne Streuverlust zum Interessenten. Leerstände ließen sich so reduzieren und damit die Vertriebskosten senken.

Einen Überblick über den expandierenden Immobilienmarkt im Internet gibt eine gerade publizierte Studie der Leipziger Immo Media Consult. Sie hat den deutschen Online-Immobilienmarkt zum zweiten Mal unter die Lupe genommen und im Immo-Media-Research-2-Handbuch (IMR 2) veröffentlicht (www.immo-media-research.de). Der IMR 2 analysiert die Nutzerbedürfnisse und die Unternehmensstrategien der Internet-Vermarkter. Die Studie stützt sich auf eine Befragung von 730 Nachfragern und 244 Online-Anbietern.

Das wichtigste Ergebnis lautet: Das Internet wird von surfenden Immobilienkäufern nicht mehr nur genutzt, um Daten über angebotene Objekte zu sammeln. Eine wachsende Zahl von Interessenten bahnt mittlerweile über das Medium Besichtigungen und Vertragsabschlüsse an. Über 90 Prozent der Anbieter konnten bereits im Internet Kundenkontakte erzielen, 64 Prozent Besichtigungstermine vereinbaren und 45 Prozent nach Kontaktaufnahme via Web Verträge abschließen. Bereits 60 Prozent der Anbieter nutzen mindestens zwei Immobilienbörsen zur Veröffentlichung ihres Vermarktungsbestandes.

Die Erwartungen an das Internet sind hoch gesteckt: 98 Prozent der Interessenten glauben, die Online-Immobiliensuche werde es in Zukunft leichter machen, eine ideale Bleibe zu finden. Ganz so rosig, wie es die Vertreter der Immobilienbörsen gern darstellen, ist die Situation indes nicht. So muss der IMR-2-Report einräumen, dass für fast 40 Prozent der Suchenden die Internet-Recherche nach Immobilien ergebnislos verlief. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Millionen von Seitenabrufen bei den großen deutschen Immobilienbörsen steht ein äußerst geringes Objektangebot gegenüber. Die Offertenzahl der meisten Online-Börsen ist noch weitaus kleiner als das von Tageszeitungen oder Anzeigenblättern.

Vertragsabschluss nicht möglichVerabschieden sollte man sich auch von der Vorstellung, über Immobilienbörsen würde sich von der ersten Besichtigung bis zum Kauf alles virtuell erledigen lassen. "Bei Vermietungen mag das vorkommen - ich sehe eine Immobilie, informiere mich und miete gleich; bei Verkäufen ist das ausgeschlossen. Hier ist immer noch ein Notar zwischengeschaltet. Der eigentliche Kauf erfolgt also offline", erläutert Immowelt-Mann Lange. Heiko Lagler, Projektleiter Internet von Immopool.de, schließt sich dieser Meinung an: "Wir sind uns sicher, dass einem Immobilienkauf immer zumindest eine Besichtigung des Objektes vor Ort und in den meisten Fällen auch eine intensive persönliche Beratung durch einen Fachmann vorausgeht." Das sei in den meisten Fällen ein Immobilienberater der finanzierenden Bank, ein professioneller Makler, spätestens aber der Notar, bei dem der Kaufvertrag abgewickelt wird (siehe Kasten "Kein Kauf ohne Notar").

Zur Gefahr können die Immobilienbörsen im Netz vor allem für zwei Akteure werden: Zeitungsverlage und Makler. Marktforscher prophezeien, dass der rasant expandierende Immobilienmarkt im Internet schon in naher Zukunft diese traditionellen Vertriebswege überflügeln wird. Print-Medien können langfristig mit der multimedialen Internet-Präsentation nicht mithalten. Im Vergleich zur Tageszeitung bietet die Immobiliensuche via Web einige Vorteile: Sie ist zeitlich unabhängig möglich, es werden wesentlich mehr Informationen geboten, und es lässt sich gezielt und bequem suchen. Nur wenigen Zeitungsverlegern scheint klar zu sein, dass ein Großteil der Immobilienanzeigen ins Internet abwandern wird. Die einzige Chance für sie ist, den gedruckten Immobilienteil parallel auch ins Netz zu stellen.

Zeitungsverlage reagierenGroße Zeitungen verfolgen bereits diese Strategie, allerdings können sie mit den Online-Börsen kaum konkurrieren, solange sie die Anzeigen ohne zusätzlichen Service ins Netz stellen. Damit die Print-Medien möglichst wenig von ihrem lukrativen Geschäft mit Immobilienanzeigen verlieren, wollen die deutschen Zeitungsverlage in einem Gemeinschaftsunternehmen alle Anzeigen bundesweit und überregional zusammenlegen. Das Portal www.d-immo.de bündelt bereits die Angebote der meisten Zeitungen.

Nicht minder kritisch dürfte in Zukunft die Situation für Makler werden. Wenn die Immobilienbörsen ihre Objekte mit umfangreichen Informationen anbieten und für geringe Provisionen vermitteln, wer braucht dann noch einen teuren Makler? Die Interessenverbände der Makler - der Ring Deutscher Makler (RDM) und der Verband Deutscher Makler (VDM) - haben bereits die Flucht nach vorn angetreten und eigene Immobiliendatenbanken online gestellt. Makler können ohne zusätzliche Kosten Immobilienangebote unter vdm.de in unbegrenzter Höhe veröffentlichen.

Von einer Vermittlung nur noch via Web wollen die Verbände aber nichts wissen. "Die eigentliche Beratung durch einen qualifizierten Makler kann das Internet nicht ersetzen", beschreibt der VDM sein Internet-Engagement. Dem pflichtet der Web-Anbieter Immopool bei. Nach seinen Erfahrungen wollen die Online-Kunden nach wie vor auf die persönliche Beratungsleistung durch Makler nicht verzichten. Dies bestätigt auch eine Studie des Immobilienportals Propertygate.com aus Hamburg, das sich auf hochpreisige Objekte im In- und Ausland spezialisiert hat. Laut einer vom Unternehmen in Auftrag gegebenen Studie des Marktforschungsinstituts Inra Deutschland vertrauen 54 Prozent der 1000 befragten Personen beim Hauskauf auf renommierte Makler.

* Klaus Manhart ist freier Journalist in München.

Kein Kauf ohne Notar

Das derzeit noch größte Hindernis beim Online-Immobilienkauf ist die Rechtslage: "Der Kauf von Immobilien über das Internet scheitert vor allem daran, dass es online keine notariellen Urkunden gibt. Sobald sich das ändert, könnten Verkäufe vollständig online stattfinden", erläutert Ergin Iyilikci die Situation. Er ist Firmensprecher der Immobilienscout GmbH aus Berlin, Betreiber des Portals Immobilienscout24.de. Anders als etwa in Spanien, wo ein privatschriftlicher oder gar mündlicher Vertrag ausreicht, verlangt das deutsche Immobilienrecht beim Kauf den Segen eines Notars.

Ändern wird sich dies erst, wenn digitale Signaturen rechtsverbindlich der handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt und auf breiter Basis eingeführt sind. Die Gleichstellung soll Anfang 2001 mit dem neuen "Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen" erfolgen. Bereits bewährt hat sich die digitale Unterschrift in Baden-Württemberg. Dort wurde in einem Pilotprojekt Anfang Dezember 2000 das bundesweit erste elektronische Grundbuch installiert.

Abb: Die Grafik stellt dar, wie Immobilienanbieter die Online-Börsen beurteilen. Quelle: Imm Media Consult 2000