Immer schön brav auf dem IBM-Wachstumspfad

23.04.1976

Wenn man auch immer wieder von spektakulären Ablösungen von IBM-Installationen durch Mitbewerber hört - etwa kürzlich bei Benger-Ribana (CW Nr. 13 vom 26. März 1976 "50 Jahre IBM - dann kam Univac") -, so bleibt Faktum, daß IBM-Kunden sich gegenüber ihrem Hersteller außergewöhnlich loyal verhalten. Die nur wenigen Ausreißer schlagen kaum zu Buch. Es werden zwar im Bereich der kleineren Systeme größere Zahlen von IBM- Kunden abtrünnig, dort aber ist auch die Gesamtheit größer. So dürften jährlich nur wenige Prozent von IBM- Anwendern zur Konkurrenz gehen - im oberen Bereich kaum einer. Gab es hierzulande im letzten Jahr mehr als höchstens ein Dutzend Ablösungen von IBM - Großrechnern? Wohl ebenso oft hört man, daß Aufsteigern mit Konkurrenz-Systemen sich für 370/158 oder /168-Systeme entscheiden.

Die International Data Corporation München verfolgt als EDV-Marktforschungsinstitut diese "Migration- Pattern", die Pfade der Wanderung (siehe Seite 5). Dabei ist die Analyse der 360-370-Migration ergiebiger als das Verfolgen von Hertsteller-Wechseln.

Hier zeigt der Vergleich BRD-USA, daß IBM an ihren Kunden in der Bundesrepublik mehr Freude hat als jenseits des Atlantik. Wie IDC in ihrem neuesten EDP-Deutschland- Report berichtet, ist der prozentuale Bestand an 360- Anlagen in den USA wesentlich höher als in der BRD. von der Maximal-Zahl aller zu einem Zeitpunkt installierten 360/50-Systeme waren in den USA zu Jahresanfang noch knapp 50 Prozent im Einsatz, in Deutschland etwa 25 Prozent. Bei der 360/65 waren es in Amerika gar 65 Prozent, hierzulande nur etwa 15 Prozent. In den USA haben also die Anwender von großen 360-Systemen offenbar ein großes Beharrungsvermögen und sträuben sich, den Schritt zur 370 zu machen. Man rechnet sogar damit, daß bei der 360/50 die Abgänge zu 370-Systemen durch Zugänge von vormaligen 360/30- und 360/40-Anwendern ausgeglichen werden. Das Interesse, das in den USA noch am System 360 besteht, erklärt auch die entsprechende, für deutsche Beobachter kaum verständliche Aktivität auf dem amerikanischen Gebraucht-Computermarkt.

Statt neu lieber kostengünstig

Es ist also keineswegs so, daß Amerika in allem vorangeht. Vielmehr waren es deutsche Anwender, die gar nicht schnell genug die neuen 370-Anlagen bestellen konnten. Wer dieses Faktum erklären will, wird nicht umhin kommen, den amerikanischen Kollegen mehr Kostenbewußtsein und weniger Prestigedenken zuzuschreiben. Wohlgemerkt, hier geht es nicht um absolute Zahlen, sondern um Prozentanteile.

Sei belegen eindeutig, daß der US-Anwender weniger innovationsorientiert ist, dafür aber mehr auf das vielzitierte Preis/Leistungs-Verhältnis schaut.

Die Zurückhaltung der Amerikaner, IBM's Wachstumspfad für ihre Kunden brav zu folgen, ergibt sich auch aus den laufenden Plänen. Prozentual wesentlich mehr deutsche als amerikanische 370/145-Anwender wollen in diesem Jahr zur 158 wechseln, noch krasser ist hierzulande der Drang von der 158 zur 168.

Kaufleute statt Techniker

Auch dafür müßte es doch eine Erklärung geben. Reizen die Amerikaner ihre Mittelklasse-Maschinen etwa mehr aus - durch Rund-um-die-Uhr-Betrieb, durch Fremd- Hauptspeicher-Erweiterungen über IBM-Maximal-Grenzen, durch Monitoring, durch Throughput - verbessernde herstellerunabhängige System-Software?

Sind etwa die US-EDV-Chefs mehr Kauleute als ihre mehr technikorientierten deutschen Kollegen? Oder führt in den USA realisierte verteilte Intelligenz tatsächlich zu weniger Kapazitäts-Bedarf in den Zentralen?

Die IDC-Deutschland fand die Erklärung in einem biblisch - tierischen Vergleich: "Die BRD-Anwender gleichen willigen Kühen, die sich bereitwilligst melken lassen und der IBM fette Jahre bescheren. Die Anwender in den USA dagegen sind eher störrischer Natur und lassen sich nicht auf vorgezeigten Migrations-Pfaden zur IBM-Weide treiben, sondern fressen das Gras oft dort, wo es ihnen selber am saftigsten erscheint."