Immer mehr Unternehmen verlangen formale Nachweise

Immer mehr Unternehmen verlangen formale Nachweise Hochschulstudium bald für jeden Bewerber ein Muß

29.01.1999
MÜNCHEN (hk) - Mit rund 40000 Inseraten kam 1998 fast die Hälfte der IT-Stellenangebote aus Beratungs- und Softwarehäusern, so das Ergebnis der EMC/Adecco-Stellenauswertung für das letzte Jahr. Die meisten Arbeitgeber erwarten ein Studium, am besten in Informatik.

Der IT-Arbeitsmarkt genießt eine Sonderstellung. Während Beschäftigte in anderen Branchen oft um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, können sich viele Computerfachleute ihren Arbeitgeber aussuchen. Die Zahl der Jobofferten in 40 Tageszeitungen und der COMPUTERWOCHE stieg nach Berechnungen des EMC-Medienservice/Adecco 1998 gegenüber dem Vorjahr um 38 Prozent (siehe CW 3/99, Seite 1).

Bezogen auf die Branchen bestätigt sich eine schon seit Monaten zu beobachtende Entwicklung: Die große Nachfrage nach Computerfachleuten kommt aus den Beratungs- und Softwarehäusern. Hier wuchs die Zahl der Inserate von 29 815 auf 39 200. Gut erholt haben sich klassische Branchen wie der Maschinenbau und die Fahrzeugtechnik. Hier haben sich die Angebote verdoppelt beziehungsweise verdreifacht. Im Zusammenhang damit besteht zur Zeit eine große Nachfrage nach CAD/CAM-Spezialisten. Nach 5340 wurden dieses Jahr 10050 entsprechende Zeitungsanzeigen geschaltet.

Erwartungsgemäß stellt auch die Telekommunikationsbranche viel Personal ein, wobei hier das Wachstum abflacht. Hatte sich die Zahl der Stellen 1997 gegenüber dem Vorjahr noch mehr als verdoppelt, so ist der Zuwachs jetzt wesentlich geringer: von 4705 auf 5585 Offerten. In der Finanzbranche wächst die Nachfrage ebenfalls langsamer. Die Zahl der Stellenangebote stieg hier lediglich von 3858 auf 4638. Das sind 3,2 Prozent aller 1998 augeschriebenen IT-Jobs - 1997 waren es noch vier Prozent.

Bezüglich der Ausbildung haben sich zwei Grundanforderungen an Bewerber deutlich herauskristallisiert. Firmen wollen erstens Informatiker, und zweitens sollten die Kandidaten einen akademischen Abschluß mitbringen. In 88 Prozent der Fälle wollen die einstellenden Betriebe ein Studium im Lebenslauf sehen. Die Zahl der Anzeigen, in denen ein Informatikstudium verlangt wird, stieg von 17009 auf 30590. Was eher überrascht, ist die Zurückhaltung der Firmen gegenüber den Wirtschaftsinformatikern. Hier nahmen die Angebote nur von 2236 auf 2863 zu. Auffällig ist auch das Interesse an Kandidaten mit technisch-orientierten Abschlüssen: für Naturwissenschaftler stiegen die Offerten von 775 auf 1197 und für Ingenieure von 9017 auf 14330.

Das heißt, daß viele Firmen Techniker den Betriebswirten vorziehen. Denn die Nachfrage nach Mitarbeitern mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Abschluß ist im Vergleich zu den Ingenieuren eher gering: 3838 Offerten (1997: 3282) wandten sich an diese Gruppe.

Bayern bleibt mit seiner Hauptstadt München attraktivste Region für IT-Spezialisten: 18 135 Angebote, also rund ein Fünftel, stammen aus dem südlichen Freistaat. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist München nach London mit rund 70000 IT- Beschäftigten europaweit die Stadt mit den zweitmeisten aktiven Computerfachleuten. Stark aufgeholt hat Nordrhein-Westfalen mit 16358 Jobangeboten (Vorjahr: 11409) und 18 Prozent Anteil. Damit ist das Gebiet an Rhein und Ruhr weiter dabei, sich von seinem Image als Kohle- und Stahlregion zu befreien.

Aber auch Baden-Württemberg ist auf dem Weg der Genesung. Das Musterländle hat ein paar schwere Jahre hinter sich. Nun hat sich zumindest die IT-Industrie wieder gefangen: Von 9032 auf 13766 wuchs die Zahl der Offerten bei den Schwaben. Auf ähnlich hohem Niveau bewegt sich noch Hessen (12851 Angebote, Vorjahr: 9578). Danach folgt lange nichts, auch wenn Schleswig-Holstein sein Angebot auf 1839 fast verdoppelt hat und in Niedersachsen immerhin 5259 Stellen (Vorjahr: 3356) ausgeschrieben wurden.

Langsam nach oben geht es in Ostdeutschland. EMC/Adecco zählte in den neuen Bundesländern inklusive Berlin 7799 Offerten (Vorjahr: 4963). Davon entfielen auf die Hauptstadt mehr als die Hälfte (4206, Vorjahr: 2933 Angebote). Zwar verzeichnen Thüringen und Sachsen ein kräftiges Plus, aber auf niedrigem Niveau.

In einer aktuellen Studie der Wirtschaftswissenschaftler der Münchner Ifo-Studie heißt es: "Ostdeutsche Unternehmer klagen mittlerweile sogar etwas häufiger über fehlende Fachkräfte als ihre westdeutschen Kollegen." Insgesamt sei die Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet im dritten Quartal 1998 der Umfrage zufolge um fast vier Prozent gestiegen; zwei von fünf Unternehmen hätten Personal eingestellt.

Die Wissenschaftler aus München sind überzeugt, daß die Aufwärtsentwicklung am deutschen Markt für Software- und Elektronikdienstleistungen auch im laufenden Winter anhalten wird. Allerdings rechneten im November nicht mehr so viele befragte Unternehmen (48 Prozent) mit einer weiteren Verbesserung wie im Sommer (55 Prozent).