Interview

"Image des Informatikers könnte besser sein"

03.12.1999
Mit Jörg Menno Harms, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hewlett-Packard GmbH, sprach CW-Redakteur Hans Königes

CW: Im Rahmen der vielzitierten D21-Initiative, in der die Wirtschaft Deutschland in die Informationsgesellschaft führen will, haben Sie den Arbeitskreis Bildung und Qualifikation übernommen. Warum?

Harms: Die D21-Initiative will in den kommenden zwei Jahren rund 20 000 allgemeinbildende Schulen mit PCs ausstatten und ihnen einen Internet-Anschluß zur Verfügung stellen. Nun wissen wir, daß im Rahmen der Aktion "Schulen ans Netz" bereits 10000 Schulen mit PCs ausgestattet wurden. Etwa ein Drittel bis ein Viertel aller Schulen besitzen Computer und einen Online-Anschluß. Wir wollen uns nun um die kümmern, die noch nichts haben.

CW: Wie wollen Sie das tun?

Harms: Wir haben Werkzeuge wie den Marktplatz für Schulen oder die Initiative "Internet-Klassenzimmer" online gestellt. Schulen loggen sich ein und nennen ihren Bedarf. Entscheidend sind natürlich die Sponsoren, die sich ebenfalls melden sollten.

CW: Warum sollte sich ein branchenfremdes Unternehmen an ihrem Projekt beteiligen?

Harms: Die Unternehmen müssen erkennen, daß sie gutausgebildete Schüler brauchen, damit der Standort, an dem sie arbeiten, zukunftssicher wird. Der Nutzen besteht in gutausgebildeten Schülern, später Studenten und noch später in qualifizierten Mitarbeitern. Nicht zu vergessen ist der emotionale Aspekt und das positive Image, das die Firmen durch diese Aktion erhalten.

CW: Das Image der IT-Industrie und das Berufsbild des Computerexperten sind nicht so großartig, daß jetzt Firmen anderer Branchen Ihnen die Bude einrennen werden, um ein Sponsoring anzubieten.

Harms: Das Bild des bleichen, hohlwangigen Computerprofis, der nachts vor dem PC sitzt, ist leider verbreitet. Uns ist klar, daß das Image des Informatikers besser sein könnte. Wir arbeiten aber daran, es zu verbessern. Zum Beispiel, indem wir Aufklärungsarbeit leisten. Denn Fakt ist: In 60 Prozent aller Berufe kommen die Beschäftigten ohne IT-Grundwissen nicht aus, und die IT-Jobs haben sich stark verändert.

CW: Inwiefern?

Harms: Im Vordergrund stehen heute Dienstleistungsberufe. Das Image des Ingenieurs ist schlecht: Schüler stellen sich unter einem Techniker noch immer eine Person vor, die den Lötkolben schwingt oder mit der Ölkanne unterwegs ist und unter einer Maschine liegt. Wer richtig aufklärt, das ist unsere Erfahrung, bekommt eine sehr gute Resonanz.

CW: Wachsen die Schüler heute nicht mit PC-Know-how auf?

Harms: Insgesamt sehen wir bei der jüngeren Generation, den Zehn- bis 15jährigen, keine großen Probleme mehr. Eher die älteren Semester, also die Absolventen, machen uns zu schaffen.

CW: Woran liegt das?

Harms: Es liegt an der Entwicklung der letzten zehn Jahre. Anfang der 90er Jahre hat uns die Wirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Da hat die Industrie nicht gut reagiert. Wir hätten stärker nach vorne schauen müssen und den Studienanfängern sagen sollen: Ihr bekommt alle einen Job.

CW: Das hat aber niemand gemacht.

Harms: Richtig. Es war ein Fehler, und das, obwohl wir die positive Entwicklung der Informations- und Kommunikationsbranche seit Ende der 80er Jahre haben kommen sehen. Da hat uns keiner geglaubt, und wir sind dann leider zu zaghaft geworden. Ich kann mich noch an Gespräche im Jahre 1993 in den USA erinnern, als wir damals die IuK-Branche dort abheben sahen, als jeder Taxifahrer über das Thema sprach, während in Deutschland absolute Friedhofsstille herrschte. Bei unseren Politikern hatte man damals mit diesem Thema keine Chance. Auch ich selber bekam Zweifel, ob das mit der Informationsgesellschaft in Deutschland noch was wird. Das war eine merkwürdige Zeit.

CW: Und wie sieht es heute aus?

Harms: Jetzt ist es zum Glück anders. Alle Verantwortlichen wissen, daß in der IuK in den nächsten zehn Jahren die Post abgeht. Wir gehen noch stärker in die Öffentlichkeit und hoffen dabei, das nötige Bewußtsein für die Bedeutung der Informationsgesellschaft schaffen zu können.

CW: Gehen Sie davon aus, daß die oft genannten fehlenden 70000 IT-Beschäftigten eher zu niedrig gegriffen sind?

Harms: Auf jeden Fall. Die Diskrepanz zwischen den Fachkräften, die wir benötigen, und dem Angebot am Arbeitsmarkt wird immer größer. Mit verschiedenen Programmen wollen wir diesem Mangel begegnen - und eines davon ist eben die Initiative D21.