Image-Defizite bei den Konkurrenten der Telekom

17.09.1999
Knapp zwei Jahre nach Beginn der TK-Liberalisierung scheinen die ersten Kinderkrankheiten überwunden zu sein. Die Netze stehen, und die drängendsten Rechtsfragen im Zusammenspiel zwischen Deutscher Telekom und Wettbewerbern sind geklärt. Eine Sicherheit, die die Geschäftskunden honorieren: Sie telefonieren verstärkt per Preselection über die neuen Carrier. Lediglich die Privatkunden warten noch ab und bevorzugen Call-by-Call. Trotz positiver Kundenentwicklung besteht für die Telekom-Konkurrenten wenig Anlaß zur Freude, denn sie können ihre Klientel bisher nur über den Preis binden.

Die neuen Netzbetreiber haben ihre Hausaufgaben zum Teil gemacht. Diese Vermutung legt zumindest ihre Marktdurchdringung bei deutschen Unternehmen nahe: Je nach Branche nutzen zwischen 48 und 65 Prozent der Firmen mittlerweile eine der Alternativen zur Telekom. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Droege & Comp. AG, Düsseldorf. Die Consultants befragten in Zusammenarbeit mit dem Emnid Institut 450 Unternehmen sowie 2500 Privatpersonen zu ihrem TK-Verhalten.

Wenn die auskunftgebenden Unternehmen einen der neuen Carrier nutzen, dann bevorzugen sie in der Regel das Preselection-Verfahren, bei dem Ferngespräche automatisch über einen bestimmten Betreiber geführt werden. Call-by-Call, hier muß vor jedem Gespräch die Kennziffer des Netzbetreibers vorgewählt werden, spielt dagegen nur noch eine untergeordnete Rolle beziehungsweise wird in keiner Branche von mehr als 24 Prozent der Firmen verwendet.

Mehr Unternehmenskunden nutzen die Alternativen

Zahlen, die zumindest die Vermutung nahelegen, daß die neuen Netzbetreiber in Sachen Zuverlässigkeit und Preistransparenz einiges an Boden gutgemacht haben. Als die COMPUTERWOCHE nämlich 1998 im ersten Jahr der Liberalisierung 518 Unternehmen nach ihren TK-Gewohnheiten befragte, gab das Gros noch zu Protokoll, Call-by-Call anzuwenden. Damals entschieden sich die Firmen vor allem aus drei Gründen für dieses Verfahren: erstens um Kosten zu sparen, zweitens um mit verschiedenen Carriern zu experimentieren, und drittens, was kurz nach der Marktöffnung nicht weiter verwundert, um sich die absolute Wahlfreiheit zu sichern. Gerade die Möglichkeit, auf diese Weise verschiedene Provider ohne feste Bindung zu testen, wurde 1998 hoch geschätzt. So gaben im letzten Jahr über 25 Prozent der Befragten an, bei einer entsprechenden Zufriedenheit mit dem Call-by-Call-Provider später einen Preselection-Vertrag abschließen zu wollen.

Ein Schritt, den nun viele Unternehmen vollzogen haben. Dies belegen zumindest die Ergebnisse der Droege-Studie. Sieht man einmal vom öffentlichen Sektor (26 Prozent Preselection) ab, so nutzt mehr als die Hälfte im zweiten Jahr der TK-Liberalisierung einen der neuen Carrier. Ein Jahr zuvor hatten bei der CW-Befragung lediglich 17 Prozent angegeben, einen Preselection-Vertrag unterzeichnet zu haben. Aufgeschlüsselt nach den Branchen Dienstleistungssektor, Groß- und Einzelhandel, verarbeitendes Gewerbe, Transport und Verkehr, ist die Preselection vor allem im verarbeitenden Gewerbe mit 65 Prozent weit verbreitet, gefolgt von Transport und Verkehr (über die Hälfte).

Stärker als 1998 sind die Firmen mittlerweile auch bereit, einen Komplettwechsel weg von der Telekom hin zu einem neuen Anbieter zu vollziehen. So reicht der Anteil bei den untersuchten Unternehmen hierbei von 22 Prozent (Groß- und Einzelhandel) bis hin zu 36 Prozent (verarbeitendes Gewerbe). Eine Steigerung, die nicht überrascht, waren doch viele Carrier im ersten Jahr der Liberalisierung noch mit dem Netzausbau beschäftigt und konnten deshalb oft gar kein Komplettangebot (City- und Ferngespräche) unterbreiten - oder ihnen fehlte noch, wie etwa dem City-Carrier Colt, eine bundesweite Sprachlizenz.

Grund, sich selbst zufrieden auf die Schultern zu klopfen, besteht für die Telekom-Konkurrenten trotz der hinzugewonnenen Kunden nach wie vor nicht. Sie haben zwar dem Bonner Ex-Monopolisten ein gehöriges Stück von seinem Kuchen abgeschnitten, so daß dieser in seiner jüngsten Halbjahresbilanz sogar einen Umsatzrückgang verbuchte, doch das Image des magentafarbenen T strahlt unverändert in hellem Glanz. Selbst im Jahr zwei der Liberalisierung haben es die Wettbewerber nicht geschafft, sich in Sachen Service oder Qualität positiv von der Telekom abzuheben. Und dies, obwohl sie gerade am Vorabend der Marktöffnung eine Offensive in diesen Bereichen versprochen hatten.

Letztlich ist der Preis nach wie vor das Wechselkriterium Nummer eins. Branchenübergreifend nennen durchschnittlich vier von fünf Unternehmen Kostenvorteile als Grund für einen Wechsel des TK-Anbieters. Service (rund 15 Prozent), Technik und Verfügbarkeit (jeweils unter zehn Prozent) spielen bei einem Carrier-Wechsel nur eine untergeordnete Rolle. Die neuen Anbieter waren also auch im zweiten Jahr der Liberalisierung nicht in der Lage, glaubhaft zu machen, daß sie in puncto Technik, Netzverfügbarkeit und Service die Standards der Telekom übertreffen oder zumindest erreichen. Ein Ergebnis, das angesichts der damaligen Werbeaussagen der Telekom-Konkurrenten eine schallende Ohrfeige ist, zumal die befragten Unternehmen 1998 gegenüber der COMPUTERWOCHE zu Protokoll gaben, daß sie in Sachen Service und Flexibilität von den neuen TK-Anbietern Verbesserungen im Vergleich zur Telekom erwarteten.

Zieht man zudem in Betracht, daß die Telekom durch individuellere und niedrigere Tarife in Sachen Preiswürdigkeit aufgeholt hat, könnte es für die neuen Anbieter bald gefährlich werden. Denn nach wie vor stehen bei den TK-Verantwortlichen Aspekte wie Ausfallsicherheit, Erreichbarkeit, Reaktionszeit sowie Kompetenz - die unter den Stichworten Verfügbarkeit und Vertrauen verbucht wird - auf der Checkliste ganz oben.

Für die Telekom-Konkurrenten ergibt sich hieraus eine Herausforderung: schnellstens ein positives Image aufzubauen. Ein Weg dazu ist nach Ansicht der Droege-Consultants eine professionelle und damit teure Kundenpflege bei gleichzeitig niedrigen und zur Kostendisziplin zwingenden Tarifen. Viel Zeit haben die Betreiber dafür nicht, denn die Preselection-Verträge laufen nur über eine begrenzte Zeit. So gaben 1998 ein Drittel der Befragten zu Protokoll, daß ihr Vertrag auf zwölf Monate befristet sei. Für die Carrier hat dies zur Konsequenz, daß sie die Schlacht um die telefonierenden Geschäftskunden erneut schlagen müssen. Diesmal treffen sie jedoch auf einen Gegner Telekom, der ebenfalls mit interessanten Preisen aufwarten kann. Eine Möglichkeit, diesen ruinösen Preiswettbewerb zu durchbrechen, wären Komplettangebote. Wenn es den Betreibern gelingt Leistungen wie etwa Festnetz, Mobilfunk und Internet-Zugang zu einem Paket zu schnüren, das mit entsprechenden Services und Mehrwertdiensten gepaart ist, dann dürften auch die Margen wieder stimmen.

Im Geschäft mit den Privatkunden liegen die Gewinnspannen wohl bereits am Rande der Kostendeckung. Im Preiskampf mit Zehntelspfennigen gelang es den Telekom-Konkurrenten nicht, die Kunden in Form von lukrativen Preselection-Verträgen längerfristig zu binden. Lediglich vier Prozent der Privatkunden haben sich fest für einen neuen Betreiber entschieden.

Privatkunden nutzen Preselection kaum

Noch geringer ist die Zahl derer, die einen Komplettwechsel vollzogen. Weniger als zwei Prozent der 2500 befragten Privatpersonen kehrten der Telekom vollständig den Rücken zu. Zur Ehrenrettung der privaten Netzbetreiber ist allerdings anzumerken, daß viele Haushalte im Gegensatz zu den Geschäftskunden noch gar nicht die Möglichkeit haben, im Ortsnetz zu einem anderen Betreiber zu wechseln - von regionalen Ausnahmen einmal abgesehen.

Positiver fällt die Bilanz für die Anbieter im Call-by-Call-Sektor aus. 40 Prozent der Befragten in den alten und 36 Prozent in den fünf neuen Bundesländern nutzen regelmäßig die Call-by-Call-Option. Dazu gehören insbesondere jüngere Altersgruppen und Vieltelefonierer, von denen ihrerseits nicht wenige zu den Besserverdienenden zählen. Insgesamt, so ein Ergebnis der Droege-Studie, sprechen die TK-Anbieter also durchaus die aus Provider-Sicht interessanten Zielgruppen an.

Auf den ersten Blick sehen die Call-by-Call-Zahlen recht positiv aus. Dennoch dürfte sich die Freude der Carrier in Grenzen halten, denn die Privatkunden nutzen im Schnitt fast drei Anbieter. Berücksichtigt man dann noch, daß die Betreiber für die Interconnection mit der Telekom sowie für das Inkasso via Telekom Gebühren bezahlen, liegt die Vermutung nahe, daß an den Call-by-Call-Kunden wenig verdient wird. Einige Branchenkenner befürchten angesichts der engen Margen bereits das Aus für die Call-by-Call-Angebote, falls es der Telekom gelingt, bei der Regulierungsbehörde höhere Tarife für das Inkasso durchzusetzen.