Image-Aufwertung oder ein Muß!

21.01.1977

MANNHEIM - Welche Gründe oder Notwendigkeiten führen zu dieser Überlegung?

a) Zu hohe Kapitalbildung, Liquidität

b) Auf dem härter gewordenen Markt bessere Lieferbereitschaft zu beweisen

c) Ein nicht ausgenutzter Großrechner soll ausgelastet werden.

Es sind aber noch andere Begründungen möglich - sie lassen sich jedoch alle zwischen a) bis c) einordnen. Einer dieser Gründe führt meist zu einer Entscheidung der Geschäftsleitung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Umstellung vorzunehmen. Die Geschäftsleitung wird in ihrer Meinung von der Organisation oder EDV-Leuten unterstützt. An dieser Stelle müßte man eigentlich stutzig werden: Hat die Qualität der Materialwirtschaft im Unternehmen eigentlich in den letzten Jahren nachgelassen? Diese Frage ist zu verneinen. Die Leistung der Materialwirtschaft ist schon über Jahre konstant. Wie entdeckt man denn jetzt auf einmal eigentlich Rationalisierungsmöglichkeiten, die bei einer Umstellung auf EDV immense Einsparungen auf dem Personalsektor bringen sowie zu einer entscheidenden Verbesserung der Liquidität fraglos führen? Da gibt es nur eine ehrliche Antwort: Über Vorräte hat man bis vor einigen Jahren nicht gesprochen. Man hatte sie.

Wenn's der Kunde schluckt...

Solange der Kunde bei Kauf eines Produktes die Kosten einer nicht optimalen Materialwirtschaft geschluckt hat und am Bilanz-Stichtag ein befriedigendes Ergebnis vorlag, war alles in Ordnung. Keine Geschäftsleitung hat sich gefragt, ob das Ergebnis hätte noch besser aussehen können. Wenn man in der Vergangenheit schon keine optimale Materialwirtschaft hatte, muß man das Wort Materialwirtschaft - es gibt inzwischen modernere Ausdrücke wie Distribution oder Logistik definieren. Man sollte darunter Materialdisposition, -einkauf, -verwaltung, -transport, -steuerung bis ein schließlich Fertigungssteuerung verstehen.

Vom Landwirt bis zum Vorarbeiter

Schauen wir uns einmal die Qualifikation der Mitarbeiter in diesen Bereichen an: In der Regel - zumindest aber in 90 Prozent der Fälle - ist mit Ausnahme des Einkaufs keine qualifizierte Ausbildung der Mitarbeiter vorhanden. Höchstens der Leiter der Disposition und der Lagerleiter haben eine kaufmännische Ausbildung. Die restlichen Mitarbeiter wurden bei der explosionsartigen Umsatzsteigerung bis 1974/72 aus allen Berufsgruppen, vom Landwirt bis zum Vorarbeiter, aus der Produktion rekrutiert. Bei der Umstellung auf EDV muß man sich fragen, inwieweit diese Leute in der Lage sind, dieses moderne Instrument mit Leben zu erfüllen.

Keine Vorteile für die Fachabteilung

Eine Umstellung der Materialwirtschaft auf EDV bringt zwangsläufig mit sich, daß andere Abteilungen eines Unternehmens tangiert werden - zum Beispiel Vertrieb, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Normenabteilung und andere. Von diesen tangierten Abteilungen droht die größte Gefahr, daß eine geplante Einführung auf EDV auf dem Materialsektor nicht zustande kommt oder eine Umstellung zurückgenommen werden muß. Natürlich torpedieren sie diese neue Sache nicht vorsätzlich Da sie aber für sich oder für ihren Bereich keine Vorteile sehen oder gar erkennen, daß sie bei ihrer Arbeit nie Vorteile haben werden, gehen sie notwendige Dinge nicht mit notwendigem Ernst an.

Als Beispiel könnte man sagen: Ein modernes Verkehrsflugzeug (Materialwirtschaft) kann ohne Flugsicherung und Radarstation (tangierte Abteilungen) nicht starten oder landen. Hier muß die Bodenstation zeitgleich mit dem Piloten, der noch Kilometer entfernt ist, nach festgelegten Spielregeln einen synchronen Ablauf durchführen. Und das bei jedem Start und bei jeder Landung. Wenn Sie wüßten, daß es nicht so wäre, würden Sie dann noch fliegen?

Um eine Materialwirtschaft auf EDV zu nehmen, müssen Sie nichts andres tun als in diesem Beispiel. An verschiedenen Stellen nach festgelegten Spielregeln das notwendige durchführen. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen diese Voraussetzungen nicht garantieren können, gibt es einen Absturz. Stellen Sie aber nicht auf Datenverarbeitung um, für einige Firmen ist auch die MDT eine Lösung, so werden Sie eines Tages feststellen, daß Ihr Mitbewerber es getan und auch geschafft hat. Dann ist es möglich, daß Sie auf der Strecke bleiben. Fazit: Die Materialwirtschaft kommt früher oder später auf die Datenverarbeitung.

1987 die gleichen Probleme

Die technischen Möglichkeiten von Soft- und Hardware stehen heute schon zur Verfügung. Die anderen Probleme sind l977 genauso schwierig wie 1987. Wenn Sie heute jedoch nichts tun, müssen Sie damit rechnen, daß Sie 1987 nicht mehr umstellen brauchen, da Sie vielleicht nicht zu den Überlebenden gehören. Ein Vorstand oder ein Geschäftsführer hat es leichter, er muß ja auch an der Problemlösung nicht mitarbeiten. Er hat angeordnet, daß Sie bis zum Tag X das Problem gelöst haben müssen.

Glück auf und guten Flug!

_AU:Bruno Lüdemann ist Direktor der Materialwirtschaft, Maschinenfabrik Josef Vögele AG, Mannheim