Arbeitsrecht

Im Visier der Chefs

27.12.2013
Von Jens Hagen

Welche Rechte Betroffene haben

Denn auch Führungskräfte, die auf Wunsch des Chefs das Unternehmen verlassen sollen, haben Rechte. Entgegen des in weiten Kreisen der Führungskräfte verbreiteten Irrglaubens steht ihnen in der Regel der gleiche Kündigungsschutz zu wie jedem "normalen" Arbeitnehmer. "Für eine Kündigung muss regelmäßig ein betriebsbedingter, verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund vorliegen", sagt Abeln.

Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen ist eine Führungskraft auch ein leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzes. Nur dann kann sich das Unternehmen aber gegen Zahlung einer Abfindung unter erleichterten Bedingungen von dem Mitarbeiter trennen.

Da es bei den meisten Führungskräften oftmals keinen rechtlich tragfähigen Kündigungsgrund gibt, sich die Unternehmen aber immer öfter gerade von älteren und damit verhältnismäßig teureren Führungskräften trennen möchten, haben die Personaler ein Problem.

Denn es besteht kein Anspruch des Unternehmens auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Ob es die Vorgesetzten mögen oder nicht: Auch unliebsame Mitarbeiter behalten ihren Anspruch auf volle Bezahlung und - solange eine Kündigung nicht rechtskräftig ist - auf eine vertragsgemäße Beschäftigung in der bisherigen oder einer gleichwertigen Funktion.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter hinausdrängen möchten, müssen daher kreativ werden. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt der Fall einer Mitarbeiterin, die lange Jahre in leitender Funktion direkt an den Vorstand eines Dax-Unternehmens berichtete. Die Managerin hatte umfangreiche Personalverantwortung, war für die Entwicklung wesentlicher Produktlinien verantwortlich und erfolgreich.

Wie Chefs unliebsame Mitarbeiter herausdrängen

Alles lief gut, bis der Betriebsrat eine Mitarbeiterumfrage initiierte. Anonym warfen die Kollegen ihrer Chefin angeblich Führungsdefizite vor. Die Folge war der öffentlichkeitswirksame "Entzug der Tätigkeit". Das heißt: Ihr wurde nicht nur ihre bisherige Tätigkeit entzogen, sondern dies wurde auch veröffentlicht. Sodann wurde sie auf ein bedeutungsloses Projekt ohne Verantwortung für Mitarbeiter und Budget versetzt. Das neue Büro lag am Ende des Werksgeländes in einer ansonsten leeren Büroetage.

Verbandsmanager Goldschmidt berichtet von einem Fall, in dem eine Führungskraft in einem Management Audit seine Fähigkeiten unter Beweis stellen sollte. "Uns liegen Unterlagen vor, die eindeutig belegen, dass sein Ergebnis bereits vor der Prüfung feststand", sagt Goldschmidt. "Es war sehr schlecht und sollte als Grund dafür dienen, die Trennung von dem Mitarbeiter einzuleiten".

In einem anderen Fall soll das Management eine Führungskraft mit einem angeblich von ihm verursachten Schaden in Höhe von zwei Millionen konfrontiert haben. "Bei einer Eigenkündigung des Mitarbeiters stellten die Vorgesetzten einen Verzicht auf Schadenersatz in Aussicht", sagt Goldschmidt.

Nicht immer werden unliebsame Mitarbeiter so offensichtlich herausgeekelt wie in diesen Fällen. Die Verhaltensmuster der Unternehmen ähneln sich aber, wie verschiedene vergleichbare Fälle und Schilderungen von Anwälten zeigen.

Einige Beispiele für übliche Verhaltensweisen der Praxis sind etwa der schleichende Entzug von Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten einer bisher angesehenen Funktion. Oder das Vorhalten vermeintlicher Verhaltensverstöße, die angeblich anonym bleiben sollen, unter dem Vorwand, die "Zeugen" zu schützen. Ebenfalls beliebt: Die Führungskraft wird in öffentlichen Runden lächerlich gemacht, oftmals nachdem der Betreffende zuvor mit kaum zu bewältigenden Zusatzaufgaben überschüttet wurde.