Arbeitsrecht

Im Visier der Chefs

27.12.2013
Von Jens Hagen
Die Gangart gegenüber Mitarbeitern wird härter. Wer in Ungnade fällt, wird oft brutal hinausgedrängt. Mit welchen Tricks die Chefs Angestellte loswerden möchten - und welche Rechte Betroffene haben.

Als Führungskraft muss man sich auch schon mal die Hände schmutzig machen. Das lernen Leitende mit Personalverantwortung spätestens beim Besuch eines einschlägigen Seminars zum Arbeitsrecht.

"Die Kündigung störender Mitarbeiter" - so lautet der Titel einer Veranstaltung, die von einer Kanzlei mit Büros in fünf deutschen Städten organisiert wurde. Laut Programm lernen die Führungskräfte zuerst einmal, ihre Angestellten in fünf Klassen zu unterteilen: in "Querulanten", "Pflichtenverletzer", "Schlechtleister", "Mobber" oder "zu häufig fehlende Arbeitnehmer".

Nach der ersten Kaffeepause um 11.30 Uhr geht es den Ungeliebten dann an den Kragen. Ihre Chefs lernen, wann der Einsatz von Privatdetektiven, Videoüberwachung oder "Datenzugriff und Auswertung" als Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung zulässig ist.

Die nächsten Punkte auf der Tagesordnung: das "Schaffen fester Regeln, Verbote und Vorgaben zur späteren Konkretisierung von relevanten Pflichtverletzung" und die "konkrete Erfassung von störenden Pflichtverstößen". Damit sollen unzufriedene Chefs gerichtsfest dokumentieren können, wie ihre Mitarbeiter in die von ihnen aufgestellten Fallen tappen. Tipps zur Kündigung von Mitarbeitern, die wegen Krankheit oder Überforderung ihr Pensum nicht mehr schaffen, runden die Veranstaltung ab.

Die Unternehmen rüsten auf, wenn es darum geht, das strenge deutsche Arbeitsrecht in ihrem Interesse zu nutzen. "Die Hire-and-Fire-Mentalität ist längst in deutsche Chefetagen eingezogen", sagt Christoph Abeln, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Inhaber der gleichnamigen Kanzlei in Berlin. "Die Bandagen werden härter, vor allem Führungskräfte werden nach wenigen Jahren wieder ausgetauscht."

Vertreter der Leitenden schlagen Alarm. "Immer mehr große Unternehmen gehen mittlerweile rüde gegen unliebsame Führungskräfte vor", sagt Ulrich Goldschmidt, Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer vom Verband "Die Führungskräfte". "Es braucht Generationen, bis das verlorene Vertrauen wieder hergestellt werden kann", fügt Goldschmidt hinzu.

Wir erklären Ihnen, wie Unternehmen missliebige Mitarbeiter wieder loswerden möchten und welche Rechte Betroffene haben.

Die internen Kündigungstipps eines Dax-Konzerns

Es gibt viele Gründe, warum Mitarbeiter bei Chefs in Ungnade fallen können. Egal ob wegen menschlicher Differenzen, Streit über Zielvorgaben oder schlicht die Belegung einer Position, die eigentlich für den Vertrauten des Vorgesetzten bestimmt ist - wer einmal im Visier des Chefs steht, muss um seinen Job bangen. "Mitarbeiter sind zwar arbeitsrechtlich geschützt, dürfen aber nicht die Professionalität ihrer Vorgesetzten in puncto Arbeitsrecht unterschätzen", sagt Abeln.

Auch wenn man sich ursprünglich noch so gut versteht - gerade im beruflichen Umfeld kann das Klima ganz schnell sehr ungemütlich werden!
Auch wenn man sich ursprünglich noch so gut versteht - gerade im beruflichen Umfeld kann das Klima ganz schnell sehr ungemütlich werden!
Foto: reflux - Fotolia.com

Denn Führungskräfte werden nicht nur auf Seminaren geschult und von den Personalern - meist selbst studierte Arbeitsrechtler - unterstützt. Für das Aussortieren angeblicher Problemfälle gibt es in Unternehmen mittlerweile standardisierte Prozesse. Das zeigt zumindest der Leitfaden eines weltweit agierenden und wirtschaftlich höchst erfolgreichen Dax-Konzerns: In kritischen Gesprächen sollen Führungskräfte dieses Unternehmens "nicht unvorbereitet" und "mit Fingerspitzengefühl" vorgehen. Sonst käme es bei dem betroffenen Mitarbeiter "zu Blockaden, die eine Einigung letztendlich unmöglich machen".

"Trennungsgespräche und andere schwierige Gespräche" können nach dem Leitfaden einen "bleibenden Eindruck der Führungskraft hinterlassen", der sich "in der Belegschaft, bei Kunden, Lieferanten oder anderen Gesprächspartnern herumsprechen könnte".

Checklisten sollen allzu rüden Führungskräften Leitlinien geben, Emotionen gilt es zu vermeiden. Wer auf der Abschussliste steht, soll auch weg. Und das - laut Papier - so schnell wie möglich. Wenn keine "Nebenaufgabe, ein sogenannter Elefantenfriedhof" zugewiesen werden kann, seien Aufhebungsverträge oder Kündigungen die beste Wahl. Entscheidungskraft und Schnelligkeit seien wichtig, weil sonst das "Alter" des Mitarbeiters spätere "externe Lösungen" wie etwa eine Kündigung erschwere.

Bei den Gründen für die Trennung von Mitarbeitern lässt das Unternehmen seinen Chefs freie Hand. Das "Nachlassen der Leistung" oder "Überforderung" gelten dafür als ebenso relevant wie "sehr hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten" oder "Chemie-Probleme". Offenbar widerspricht es nicht der Unternehmenskultur, dass solche Begründungen für eine Trennung dem deutschen Arbeitsrecht widersprechen.