Kolumne

Im Streit um IT-Patente verlieren alle

12.07.2005

David gegen Goliath, kleine Softwareschmieden gegen übermächtige ITK-Konzerne. Auf solche Formeln reduzierten Patentgegner und einige Medien den Streit um die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen". Folgt man dieser Diktion, haben die Guten gewonnen: Das Europäische Parlament kippte die jahrelang in diversen Gremien diskutierte Richtlinie. "Ein großer Sieg", jubilierten die mittlerweile europaweit organisierten Kritiker, "eine starke Entscheidung gegen die Patentierung von Software".

Auch die Befürworter der so genannten Softwarepatentrichtlinie konnten dem Votum Positives abgewinnen. "Kein Gesetz ist besser als ein schlechtes", kommentierte Klaus-Heiner Lehne (CDU), rechtspolitischer Sprecher der EVP-ED-Fraktion im EU-Parlament. Immerhin habe man verhindert, dass die Patentgegner mit ihren Änderungsanträgen ein zu restriktives Patentrecht durchgesetzt und damit der Wirtschaft insgesamt geschadet hätten.

Beide Sichtweisen gehen an der Realität vorbei. Nach der Ablehnung des Gesetzesvorhabens bleibt eine juristische Grauzone bestehen, mit der weder Patentgegner noch Befürworter zufrieden sein können. Theoretisch ist die Sache einfach: Nach Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ), der auch ins deutsche Patentgesetz übernommen wurde, sind Programme für die Datenverarbeitung an sich von der Patentierbarkeit ausgenommen. Zwar ist grundsätzlich patentierbar, was neu, erfinderisch und gewerblich nutzbar ist. Doch im Gegensatz zur Rechtslage in den USA, die auch Patente auf Geschäftsmethoden zulässt, fordert das deutsche Gesetz für einen Patentgegenstand das Attribut der Technizität.

An diesem Begriff scheiden sich die Geister. Die Beamten legen ihn meist großzügig aus. So kommt es, dass sowohl das Deutsche als auch das Europäische Patentamt (EPA) in großem Umfang Patente auf Software erteilt haben. Kritiker schätzen deren Zahl auf 30000. An dieser Praxis wird sich wohl nichts ändern.

Die Free Software Foundation Europe fordert deshalb ein "Aufsichtsinstrument" für das EPA. Doch dieser Vorschlag hilft kaum weiter. Die alten Argumente würden nur in einem neuen Gremium diskutiert, mit ungewissem Ausgang in jedem Einzelfall. Open-Source-Entwicklern wäre damit ebenso wenig gedient wie Patentlobbyisten aus der ITK-Branche.

Das eigentliche Ziel der EU-Initiative, die Patentgesetze in den Mitgliedsstaaten zu harmonisieren und so einen verbindlichen Rechtsrahmen für alle zu schaffen, ist dagegen in weite Ferne gerückt. So gesehen gibt es nach dem Straßburger Votum nur Verlierer.

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