SAP-Berater ohne Ellenbogenmentalität

Im Osten sind Jobhopper noch die Ausnahme

08.10.1999
Thomas Sauer ist seit Mai dieses Jahres Geschäftsführer der SRS Software- und Systemhaus Dresden GmbH in Dresden. Im Auftrag der CW sprach Holger Eriksdotter* mit dem promovierten Betriebswirt über die Vor- und Nachteile, die der Standort "Neue Bundesländer" für die Personalpolitik bringt.

CW: Sie sind erst seit kurzer Zeit in Dresden. Planen Sie Änderungen in der Geschäftspolitik der SRS?

SAUER: Nein, der bisherige Kurs war ausgesprochen erfolgreich. Auch in Zukunft wird die R/3-Beratung im Zentrum stehen: Von unseren 411 Mitarbeitern sind 330 SAP-Berater. Ich sehe keinen Grund, von dieser Linie abzuweichen, zumal ich weiter mit einem hohen Beratungsbedarf rechne.

CW: Also keine Veränderungen?

SAUER: Doch, natürlich. Wer am Markt bestehen will, muß sich bewegen. Ich sehe einen Schlüssel für unsere künftige Entwicklung im weiteren Ausbau der Branchenkompetenz. Das Berufsbild des SAP-Beraters hat sich gewandelt: Früher war seine Aufgabe in erster Linie die Applikationsberatung, meist bezogen auf ein bestimmtes SAP-Modul. Heute steht die Prozeßintegration im Vordergrund, wodurch das Branchen-Know-how für eine kompetente Beratung immer entscheidender wird.

CW: Wo sind für Sie die Wachstumsmärkte der Zukunft?

SAUER: Auch im Bereich Outsourcing sehe ich Wachstumschancen. Wir betreiben schon ein eigenes Rechenzentrum für unsere Kunden, das sicher noch ausbaufähig ist. Außerdem kann ich mir einen zunehmenden Anteil an Projekten im Ausland vorstellen.

CW: Wie wirkt sich der Standort "Neue Bundesländer" auf die Personalsuche aus?

SAUER: Da ist unsere Situation wohl auch nicht anders als die von vergleichbaren Unternehmen im Westen. Wir haben ebenso Probleme, junge und engagierte Mitarbeiter zu finden, wie andere auch.

CW: Woher kommen Ihre Mitarbeiter?

SAUER: Wir führen keine Statistik darüber, welche unserer Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern stammen. Aber wir stellen schon fest, daß die meisten unserer jungen Bewerber aus den Hochschulen der Umgebung kommen.

CW: Gibt es noch ein Gehaltsgefälle zwischen Ost und West, oder ist Dresden für junge Hochschulabsolventen aus dem Westen aus anderen Gründen nicht attraktiv?

SAUER: Ein Gehaltsgefälle können wir uns gar nicht leisten. Die jungen Leute sind heute sehr mobil; wenn wir deutlich weniger als im Westen zahlen würden, würde sich wohl kaum ein Hochschulabsolvent für uns entscheiden. Ich gehe davon aus, daß sich gesuchte Leute nicht nur bei uns bewerben und das Gehalt bei der Entscheidung eine wichtige Rolle spielt.Daß Leute aus dem Westen nicht so gern nach Dresden kommen, ist mir vollkommen unverständlich. Dresden ist in jeder Beziehung, auch vom Kultur- und Freizeitangebot her, eine reizvolle Stadt. Fast alle Mitarbeiter, auch die aus dem Westen, haben sich problemlos eingelebt, und die wenigsten möchten wieder wegziehen.

CW: Sind die Absolventen ostdeutscher Hochschulen genauso qualifiziert wie ihre Kollegen aus dem Westen?

SAUER: Fachlich ohne Zweifel. Und auch im Hinblick auf Sozialkompetenz, Leistungsorientierung und Mobilität brauchen sie keinen Vergleich zu scheuen. In gewisser Weise haben sie ihren Kollegen aus dem Westen sogar einiges voraus: Aufgrund der jüngsten Geschichte und der Arbeitsmarktsituation im Osten wissen sie einen guten Arbeitsplatz oft hoch zu schätzen. Umbrüche und Strukturwandel sind für sie nicht etwas derart Bedrohliches wie für viele Kollegen aus dem Westen. Die Einsicht in die Notwendigkeit des "lebenslangen Lernens" ist hier aus eigener Erfahrung gewachsen. Und durch die junge Firmengeschichte - die SRS wurde erst 1990 gegründet - und den abrupten Umbruch im Osten gibt es hier weniger tradierte Verhaltens- und Verfahrensweisen. "Das haben wir schon immer so gemacht", bekommt man hier nicht zu hören. Und es gibt auch einen kleinen Unterschied in der Arbeitsatmosphäre: mehr Miteinander und weniger Ellenbogenmentalität.

CW: Mit welchem Hochschulabschluß ist der Berufseinstieger bei SRS am besten qualifiziert?

SAUER: Am liebsten Wirtschaftsinformatiker - aber wir sind hier nicht festgelegt. Für ihre Tätigkeit bei uns müssen die Bewerber drei Qualifikationen haben: DV-Kenntnisse, betriebswirtschaftliches Wissen und möglichst Branchen-Know-how. Kaum ein Bewerber bringt das alles mit, deswegen sind die Bereitschaft zum Lernen und eine gewisse Begeisterung für die Tätigkeit unverzichtbar. Auch Betriebswirte, Diplominformatiker und Wirtschaftsingenieure können erstklassige SAP-Berater werden, wenn sie über sehr gute analytische und konzeptionelle Fähigkeiten verfügen.

CW: Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Bewerber?

SAUER: Es muß nicht unbedingt ein Prädikatsexamen sein, aber aus Studienzeit und Examensnote sollte sich insgesamt ein positiver Gesamteindruck ergeben; und die Kandidaten sollten mit Spaß und Engagement bei der Sache sein. Neben der fachlichen Qualifikation sind natürlich soziale Kompetenz und kommunikative Fähigkeiten gefragt. Die erfolgreiche Projektarbeit hängt auch vom Vermögen des Beraters ab, sich vor Ort auf die Arbeitssituation einzustellen und die auftretenden Probleme in Absprache mit dem Kunden eigenständig zu lösen. Wem der Umgang mit Menschen nicht liegt, dem hilft hier auch seine Fachkompetenz wenig.

CW: Liegt diese Meßlatte für Hochschulabsolventen nicht zu hoch?

SAUER: Wenn wir einen Hochschulabsolventen einstellen, erwarten wir natürlich nicht, daß er schon alle Qualifikationen mitbringt, sondern wir bieten ihm die Chance, sich im Rahmen eines sechsmonatigen Trainee-Programmes intensiv und ohne Druck in seine künftigen Aufgaben einzuarbeiten.

CW: SAP-Berater sind überall gefragt. Was unternehmen Sie, um Ihre Leute zu halten?

SAUER: Wir haben eine sehr geringe Fluktuation. Das liegt auf der einen Seite daran, daß nach meiner Einschätzung die Mitarbeiter im Osten eher eine langfristige Bindung suchen, auf der anderen Seite nehmen wir die Personalentwicklung sehr ernst. Gute Mitarbeiter kann man nicht nur mit Geld halten; die brauchen interessante Aufgaben, qualifizierte Fortbildung und individuelle Förderung. Dabei haben wir den Vorteil, daß wir durch unsere Muttergesellschaften Siemens und SAP, besonders im Bereich Fortbildung, Know-how-Transfer und technologische Entwicklung, den Vergleich mit einem Großbetrieb nicht scheuen müssen, auf der anderen Seite aber die angenehmen Seiten eines mittelständischen Unternehmens wie flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege und hohe Flexibilität bieten können.