Groupware versus Intranet/Web-Lösungen: Geringe Anfangsinvestitionen, hoher Pflegeaufwand

Im Mix aus Groupware und Intranet liegt der Vorteil

16.05.1997

Die Internet-Technologie eröffnet neue Möglichkeiten für Groupware-Anwendungen. Umgekehrt sind datenbankbasierte Groupware-Systeme die Voraussetzung für effiziente und erfolgreiche Intranet-Lösungen. Mit dieser These läßt sich der gemeinsame Nenner von Groupware und Intranet umschreiben.

Gewiß, auf den ersten Blick mag diese Auffassung überraschen, steht sie doch im Widerspruch zur derzeitigen Diskussion. Betrachtet man jedoch die technologische Thematik aus der Anwendungsperspektive, nämlich der Gruppenarbeit, werden die Gemeinsamkeiten beider Plattformen offensichtlich.

Schon anhand der Begriffsklärungen kristallisiert sich der Zusammenhang heraus:

Groupware: Bei Groupware handelt es sich um Software-Applikationen, die Produktivität und Effizienz von Arbeitsgruppen steigern, das heißt Gruppen von Personen, die sich ausschließlich durch die Verfolgung eines gemeinsamen Ziels definieren. Die Gruppenmitglieder können sich an verschiedenen Unternehmensstandorten befinden und unterschiedlichen Hierarchieebenen, Abteilungen oder im Extremfall Unternehmen angehören.

Internet: Das Internet ist ein weltweites Informations- und Kommunikationsnetz, an dem jeder, dessen PC bestimmte technische Standards erfüllt, teilnehmen kann. Dazu gehören beispielsweise das Netzprotokoll TCP/IP und die Sprache HTML (Hypertext Markup Language), mit der Internet-Seiten inhaltlich und grafisch gestaltet werden. Das Netz ist öffentlich und unterliegt keinerlei inhaltlichen oder über die Protokollstandards hinausgehenden Ordnungskriterien. Als Nutzer greift man bei der Informationssuche mit Hilfe von sogenannten Browsern zu.

Intranet: Intranet ist ein unternehmensweites Netz, das auf den gleichen Standards wie das Internet beruht. Auch hier erfolgt der Zugriff der Nutzer über Browser. Im Gegensatz zum öffentlichen Internet haben auf das Intranet nur Mitarbeiter des Unternehmens Zugriff.

Extranet: Bei einem Extranet wird die Zugriffsberechtigung auf das firmenweite Intranet über den Kreis der Unternehmensmitarbeiter hinaus erweitert. So lassen sich zum Beispiel für Lieferanten, Kooperationspartner oder Händler jeweils einzelne Benutzergruppen definieren. Dabei kann jede Gruppe auf ganz bestimmte Informationen beziehungsweise Teile des Extranet zugreifen.

Was die Zusammenarbeit von Gruppen angeht, handelt es sich bei Intranet- und Extranet-Anwendungen nach obiger Definition zweifelsfrei um Groupware. Dies gilt grundsätzlich auch für Internet-Newsgroups, wobei hier jedoch keine Zugriffsgruppen vordefiniert werden. Jeder Internet-Nutzer kann im Prinzip daran teilnehmen.

Grenzfälle zur Groupware sind kommerzielle Anwendungen, die das Internet als Direktvertriebsweg nutzen (siehe Abbildung 1).

Dem potentiellen Käufer und dem anbietenden Unternehmen ein gemeinsames Ziel zu unterstellen, würde den Groupware-Gedanken allerdings zu sehr ausdehnen. Als Fazit läßt sich jedoch festhalten, daß Groupware, Intranet, Extranet und Internet starke inhaltliche Kongruenzen aufweisen.

Die bisherigen Groupware-Anwendungen waren proprietär und setzten deshalb voraus, daß alle Nutzer über eine entsprechende Client-Software verfügten. Hohe Investitionskosten waren die Folge. Demgegenüber benötigt man für das Internet nur einen Browser, womit die Kosten niedrig ausfallen (siehe Abbildung 2). Es stellt sich die Frage, ob der traditionelle Softwaretyp Groupware damit an Bedeutung verliert.

Die Position von Groupware-Systemen im Vergleich zu Internet-Anwendungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, die für den Erfolg entscheidend sind:

-Organisatorische Bewältigung des Paradigmenwechsels,

-Information ist nicht mehr Eigentum des Einzelnen, sondern der Gruppe,

-Information wird zur Holschuld,

-Information überwindet Hierarchiegrenzen,

-Strukturierung der Informationen durch Verschlagwortung, damit der Nutzer gezielt auf die gewünschten Informationen zugreifen kann,

-effiziente Möglichkeiten zur Pflege der Inhalte sowie

-Abbildung sowohl von Workflow als auch von unstrukturierten Arbeitsprozessen.

Während sich die organisatorische Bewältigung des Paradigmenwechsels nur bedingt durch ein Software-Tool unterstützen läßt, beeinflußt die Wahl des Werkzeugs die anderen Erfolgsfaktoren erheblich. Hier ist die Nutzung der technologischen Möglichkeiten datenbankgestützter Groupware unumgänglich; allein durch reine Internet-Lösungen entstehen noch keine Rahmenbedingungen für effiziente Gruppenarbeit:

-Wie jeder, der schon einmal beim Surfen im Internet mit einer Treffermenge von mehreren tausend Dokumenten konfrontiert wurde, kann bestätigen, daß die derzeitigen Internet-Technologien den gezielten Zugriff auf eine gewünschte Information nur zum Teil vereinfachen. Grund: Es gibt im Internet keinerlei Verschlagwortungsmöglichkeiten, wie man sie von den Groupware-Anwendungen kennt.

-Auch die Pflege von Internet-Seiten erweist sich als schwierig. Zum einen werden vom Bearbeiter Kenntnisse im nichttrivialen Umgang mit HTML gefordert, zum anderen die zahlreichen Verknüpfungen aufgrund fehlender Strukturraster schnell undurchsichtig. Dadurch ergeben sich hohe Folgekosten für eine anfangs sehr günstig erscheinende Internet-Lösung.

-Mit reinen Internet-Tools läßt sich derzeit der Workflow, durch den eine neue beziehungsweise überarbeitete Internet-Seite entsteht oder mit dem sich zum Beispiel Kundenbestellungen weiterverarbeiten lassen, nur mangelhaft abbilden und steuern.

Die Nachteile von reinen Internet-Lösungen sind durch eine datenbankgestützte Vorgehensweise zu vermeiden. Datenbankanwendungen unterstützen die Informationsstrukturierung, Informationspflege und Weiterverarbeitung. Wenn umgekehrt der Zugriff auf die Inhalte der Datenbanken mittels Internet-Technologie und Browser möglich ist, lassen sich die Vorteile beider Verfahren kombinieren.

Aus technologischen Gründen bestand bislang zwischen Produkten des Softwaretyps Groupware und Internet-basierten Anwendungen eine scharfe Trennung, die eine Entscheidung für das eine oder das andere Vernetzungssystem erforderte. Inzwischen sind jedoch die ersten Groupware-Applikationen mit integrierter Internet-Technologie auf dem Markt. Das Groupware-Tool Lotus Notes erlaubt mit seinem Domino-Server zum Beispiel nicht nur den Zugriff mittels Notes-Clients, sondern auch mittels Web-Browsern. Dabei wird ein Dokument nur einmal physisch gespeichert, auf das der Notes-Client einmal zugreifen kann. Der Domino-Server bietet dann dem Nutzer eine Notes-Sicht des Dokuments. Auch ein Web-Browser führt zum gleichen Ziel. In diesem Fall fungiert Domino als HTTP-Server und stellt dem Anwender die HTML-Sicht des Dokuments zur Verfügung (siehe Abbildung 3).

Die Server-Datenbank macht dabei die Strukturierung, die ohne HTML-Know-how durchführbare Pflege und die Weiterverarbeitung der Informationen möglich, während gleichzeitig die Vorteile der Internet-Technologie nutzbar sind: Viele Nutzer können mittels Browser auf die Informationen zugreifen. Dabei entstehen für den Rollout einer Anwendung keine zusätzlichen Softwarekosten, wenn alle Nutzer einmal mit Browsern ausgerüstet sind.

Für datenbankgestützte Internet-Applikationen ergeben sich darüber hinaus leichter und sicherer Möglichkeiten, die angebotenen Inhalte zu individualisieren. So können beispielsweise bei kommerziellen Anwendungen den Nutzern gezielt Angebote für Produkte gemacht werden, für die sie sich bei vorhergegangenen Besuchen auf diesen Internet-Seiten interessiert haben oder die sie schon einmal gekauft haben.

Zugriffsregelung muß präzise geplant sein

Fazit: Die Bedingungen für die Umsetzung eines Groupware- Internet-Projekts sind unternehmensindividuell. Ist bereits eine Organisationsform in Arbeitsgruppen definiert und ein Groupware-System im Unternehmen eingeführt, dann bereitet die technische Aufrüstung zur Internet-Plattform wenig Schwierigkeiten. Das Verteilungskonzept mit entsprechenden Zugriffsregelungen muß jedoch präzise geplant sein, wenn die Möglichkeiten des Internet voll ausgeschöpft und zugleich die Risiken (Stichwort: Datensicherheit) ausgeschaltet werden sollen.

Die Anbindung von Kunden und Lieferanten an das firmeninterne Groupware-System in einer Extranet-Lösung beispielsweise setzt ein detailliertes Verteilungs- und Zugriffskonzept voraus. Aufwendiger ist die Umsetzung des Projekts, wenn die organisatorischen Grundlagen für Workflow-Prozesse und Projektarbeit in Gruppen noch nicht existieren. Hier sind Umstrukturierungen von Arbeitsprozessen und Organisationsformen Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung von innovativen Kommunikationsformen.

Angeklickt

Intranet- und Groupware-Anwendungen schließen sich entgegen der landläufigen Meinung nicht unbedingt aus. Ausgehend von der Grundidee, daß es sich bei Groupware um Applikationen zur effizienten Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen handelt, sieht die Autorin bei Intranet-Anwendungen durchaus Parallelen und Schnittmengen. Rein technisch bereitet die Aufrüstung eines Groupware-Systems zur Intranet-Plattform dabei weniger Schwierigkeiten, viel problematischer ist die organisatorische Umsetzung.

* Christiane Clasen ist Beraterin bei der M.I.S. Consulting GmbH in Darmstadt.