Storage-Software wird zum Entscheidungskriterium

Im Markt für Speichersysteme zählt nicht nur die Hardware

13.02.1998

Michael Ruettgers, CEO des Speicherherstellers EMC, konnte wieder einmal Rekordzahlen melden. Mit einem Umsatz von 873 Millionen Dollar und einem Nettogewinn von 166 Millionen Dollar im vierten Quartal 1997 habe EMC die dritte Abrechnunsgperiode in Folge mit Steigerungen um mehr als 30 Prozent abschließen können. Für das gesamte Geschäftsjahr 1997 ergeben sich ähnlich positive Ergebnisse (siehe Kasten Seite 38). Im Markt für Mainframe-Speichersysteme baute EMC seinen Vorsprung gegenüber den Hauptkonkurrenten IBM, Hitachi und Amdahl aus. Nach Berechnungen der Meta Group hält der Hersteller aus Hopkinton, Massachusetts, jetzt einen Anteil von 50 Prozent (Vorjahr 44 Prozent) und wird im laufenden Jahr voraussichtlich noch zulegen (siehe Grafik).

Ruettgers erwartet für das laufende Geschäftsjahr ähnlich hohe Zuwachsraten. Vor allem die Einbindung von Windows-NT-Plattformen in unternehmensweite Speicherkonzepte soll dazu beitragen. EMC kündigte dazu eine Reihe neuer Produkte und Features an (siehe Kasten Seite 38). Rob Schafer, Analyst der Meta Group und verantwortlich für Enterprise Data Center Strategies in Europa, hält die ehrgeizigen Wachstumsziele des Herstellers für realistisch. "Ich wäre nicht überrascht, wenn EMC die hohen Wachstumsraten auch 1998 halten würde." Mit dem klassischen Mainframe-Geschäft allein werde der Speicherspezialist seine Umsatzziele aber nicht erreichen. EMC sei darauf angewiesen, neue Segmente zu finden.

Die jüngsten Bemühungen von Sun Microsystems, mit Hilfe der zugekauften Produkte von Encore den Markt für unternehmensweite Speichersysteme zu erobern, beurteilt Schafer kritisch. Firmenchef Scott McNealy versuche mit dem Deal, in die Datenzentren der Unternehmen vorzudringen. Dazu fehle den Kaliforniern aber das nötige Know-how. Es sei schwierig, in diesem hart umkämpften Markt erfolgreich zu sein. Die bisher gebräuchliche Trennung von Desktop-, Mid- range- und High-end-Speichersystemen verliere für Großanwender zunehmend an Bedeutung. Das Hauptanliegen dieser Klientel liege in der Zusammenarbeit all dieser Systeme. Dies zu erreichen sei jedoch eine außerordentlich komplexe Aufgabe. Nur drei Anbieter - IBM, EMC und Hitachi - verfügten über das dazu erforderliche Know-how und die entsprechenden Ressourcen. Sun hat erst kürzlich das Speichersystem "Storedge A7000" vorgestellt, das auf dem Encore-Produkt "Infinity SP 40" basiert. Ähnlich wie die "Symmetrix"-Speicher EMCs sollen die Sun-Maschinen mehrere unterschiedliche Server-Plattformen gleichzeitig bedienen können (siehe CW Nr. 6 vom 6. Februar 1998, Seite 14: "Sun präsentiert...").

Für die IBM sieht Schafer gegenwärtig noch Nachholbedarf. Die Armonker seien gezwungen gewesen, das OEM-Abkommen mit Storagetek (STK) zu schließen, da sie sonst kein anderes Produkt vorweisen könnten, meint der Analyst. Die ehemaligen "Iceberg"-Speichersysteme STKs - inzwischen unter der Bezeichnung "Ramac Virtual Array" (RVA) im IBM-Produktportfolio - sind für Schafer durchaus konkurrenzfähig, betrachte man ausschließlich Kapazität und Performance. Allerdings fehlten den Produkten etliche wertsteigernde Features, die EMC mit den Symmetrix-Maschinen anbiete. Dazu gehörten beispielsweise die Remote-Copy-Funktionen.

Ein Schwachpunkt, der sich zunehmend auswirke, sei auch das Fehlen von Verbindungen zu offenen Systemen. Mainframes und offene Systeme könnten mit den IBM-Produkten nicht gemischt eingesetzt werden. Das vielfach angekündigte "Seascape"-Projekt sei für IBM deshalb von strategischer Bedeutung. Das Vorhaben stehe jedoch unter keinem guten Stern, da Big Blue nun schon seit etwa vier Jahren davon spreche, ohne ein konkretes Produkt vorweisen zu können. Trotzdem halte der Hersteller an dem Namen fest. Zwar würden die Armonker 1998 ein Produkt mit dem Namen Seascape auf den Markt bringen. Dabei werde es sich nach Meinung Schafers aber noch nicht um ein System handeln, das die Möglichkeiten bietet, Mainframe-Systeme und offene, etwa SCSI-basierte Server, gleichzeitig anzubinden. Zumindest im Jahr 1998 werde EMC daher seinen Vorsprung gegenüber IBM halten können, glaubt der Analyst.

Wie EMC selbst hält auch Schafer den japanischen Hitachi-Konzern derzeit für den wichtigsten Konkurrenten, wenn es um sehr hohe Performance und wertsteigernde Features gehe. Vor dem Hintergrund der jüngst angekündigten Kooperationen mit der MTI Technology Corp. und Digital Equipment scheint dies um so realistischer. Hitachi und DEC wollen ihre Speicherproduktlinien zusammenführen. Die Japaner bringen dabei ihr Know-how bei Mainframe-Speichersystemen ein. Digital plant den Angaben zufolge, Hitachis Großrechner-Speicher "HDS 6700" und "7700 Scalable Arrays" mit der Unix-basierten "Storageworks"-Familie zu integrieren.

Trotz des wachsenden Konkurrenzdrucks warnt Schafer davor, IBM im Speichergeschäft zu unterschätzen. Der Hersteller habe erkannt, von welch strategischer Bedeutung der Speichermarkt sei, und verfüge auch über die notwendigen Technologien, um innerhalb der nächsten zwölf Monate ein Comeback zu feiern. Schafer: "Der große Elefant IBM wird nicht länger schlummern."

EMCs Ankündigungen

Die einst auf Mainframe-Speicher spezialisierte EMC Corp. mißt dem wachsenden Windows-NT-Geschäft große Bedeutung zu. So lassen sich die Speichersysteme der Reihe "Symmetrix ICDA" (Integrated Cache Disk Array) künftig über Fibre-Channel-Schnittstellen an Windows-NT-Server anschließen. EMC greift dabei auf die eigene "Mosaic:2000"-Hardware-Architektur zurück. Neben NT unterstützen die Fibre-Channel-Arbitrated-Loop-(FC-AL-)Interfaces auch Protokolle für Suns "Solaris"-Betriebssystem und Hewlett-Packards Unix-Derivat "HP-UX". Die wesentlichen Vorteile von Fibre Channel im Vergleich zu SCSI-Verbindungen liegen in der Überbrückung größerer Distanzen zwischen Rechner- und Speichersystemen, einem höheren Datendurchsatz und erweiterten Anschlußmöglichkeiten. Mit neuen 18-GB-Festplattenlaufwerken soll sich die Kapazität von EMCs Symmetrix-Systemen zudem bei konstanter Leistung verdoppeln.

Weil die Hardware zunehmend vergleichbar wird, setzt der Anbieter verstärkt auf Softwareprodukte, die es Großanwendern erleichtern sollen, die riesigen Datenbestände sicher zu verwalten und unternehmensweit zur Verfügung zu stellen. "Die Hardware ist nur die Vorspeise, die Software ist das Hauptgericht", verkündete Robert Dutkowsky, Executive Vice-President Markets & Channels. Der langjährige IBM-Manager stellte eine Reihe zusätzlicher Softwareprodukte und -funktionen vor, mit denen sich das Unternehmen von der Konkurrenz abheben möchte. Dazu gehört unter anderem das Programm "Powerpath", das die Arbeitslast eines Speichersystems automatisch auf mehrere Datenpfade verteilt und bei Ausfall eines Übertragungswegs ohne manuellen Eingriff auf einen alternativen Pfad umschaltet. Die Verwaltungssoftware "Symmetrix Manager for Open Systems" unterstützt jetzt auch Windows NT. Darüber hinaus erweiterte der Hersteller das Backup-System "EMC Data Manager" um verschiedene Funktionen.

Neben den Hard- und Software-Angeboten versucht sich EMC auch als Dienstleister. Mit den "Professional Services" sollen Kunden weltweit Beratungsdienstleistungen zum Thema Storage Management angeboten werden. Nach den Worten Dutkowskys sind derzeit etwa 120 Mitarbeiter weltweit diesem Bereich zugeordnet. Diese Zahl soll sich bis zum Jahresende verdreifachen. In Deutschland existiert die Servicesparte mit rund 30 Consultants bereits seit 1997.