IBM mit ehrgeizigen Plänen für RISC

Im kommerziellen Umfeld rechnen nur HP-Workstations schneller

29.05.1992

SAN MATEO (IDG) - Der Mainframe-Marktführer IBM hat zwar in letzter Zeit einige Federn lassen müssen, trotzdem tut die Konkurrenz nach Ansicht von Marktanalysten gut daran, die IBM nicht zu unterschätzen. Aktuelles Beispiel ist die seit knapp zwei Jahren vermarktete RISC-Workstation-Linie RS/6000. Mit ihr ist es den Armonkern gelungen, in etablierte Märkte einzudringen und sich innerhalb kürzester Zeit einen erklecklichen Marktanteil zu sichern.

Der Anfangserfolg der RISC-Rechner scheint IBM-Marketiers dabei in den Kopf gestiegen zu sein: Sie sind offenbar fasziniert von einer Studie des Marktforschungsinstitutes Dataquest Inc., die der IBM am weltweiten Umsatz gemessen einen, 10,5prozentigen Marktanteil für Unix-basierte Workstations im technisch-wissenschaftlichen Bereich bescheinigt. Aus dieser Verdoppelung des Marktanteils folgern Big-Blue-Manager, die IBM könne bis 1993 bereits Marktführer im Workstation-Markt sein.

Wer die IBM unterstützt, geht ein Risiko ein

Nach der Dataquest-Marktanalyse belegt nach wie vor die Sun Microsystems Inc. in puncto weltweiter Umsatzstärke mit einem 22-Prozent-Anteil die Topposition, gefolgt von Hewlett-Packard mit 16,2 Prozent. Dann allerdings folgt nach den Untersuchungen der Marktforscher schon die IBM mit ihrem RS/6000-Produktspektrum.

Branchen-Insider wie Tom Willmott von The Aberdeen Group Inc., einem Marktforschungsinstitut aus Boston warnen davor, IBMs Durchsetzungsvermögen am Markt zu unterschätzen. Die IBM habe schließlich mit ihren AS/400-Midrange-Systemen innerhalb von drei Jahren Umsätze von 14 Milliarden Dollar eingefahren und damit bewiesen, daß sie einen Markt sehr schnell in den Griff bekäme.

Willmott hebt warnend den Zeigefinger: Jeder Konkurrent von Big Blue müsse sich bewußt sein, "wenn er IBMs Fähigkeit unterschätzt, Märkte zu kontrollieren und zu dominieren, tut er das auf sein eigenes Risiko".

Der Analyst aus Massachusetts schätzt die Chancen der IBM, Sun und HP Marktanteile auf der Basis ausgelieferter Systeme wegzuschnappen, nur dann als realistisch ein, wenn sich Big Blue zu einer sehr preisgünstigen Workstation-Strategie durchringen kann. "Die IBM muß schon RS/6000-Systeme anbieten, die nahe bei 5000 Dollar liegen, sonst sehe ich keine Chance, daß sie die Nummer eins in diesem Marktsegment wird", so Willmott.

Ein interessantes und für manchen möglicherweise auch überraschendes Ergebnis förderte die Dataquest-Analyse in sofern zutage, als Big Blue mit den RS/6000-Systemen anscheinend vor allem in kommerziellen Arbeitsbereichen auf sehr viel Gegenliebe stößt: Gemessen an den weltweiten Umsätzen kann der blaue RISC-Rechner-Hersteller laut Dataquest bereits auf einen 7,6-Prozent-Marktanteil verweisen. Hiermit übertrifft nur HP (8,6 Prozent) die IBM, während Sun mit einem Marktanteil von 7,4 bereits knapp hinter Big Blue liegt.

Dave Cassano, Vice-President für die Abteilung Marktentwicklung der Workstation-Gruppe in der IBM, unterstreicht diese Angaben mit einer internen Statistik: "Ungefähr 45 Prozent unseres Workstation-Geschäfts plazieren wir im kommerziellen Umfeld." RISC-basierte Technologie werde darüber hinaus, so Cassano weiter, bei der IBM auch in Zukunft höchste Priorität besitzen: "Sie werden RISC bei uns auf allen Plattformen sehen - vom Hand-held bis zu Server-Systemen."