Studie über Mainframe-Anbindung ans Web

Im Internet erleben Hosts ihren zweiten Frühling

08.05.1998

Die Klassifizierung der Tools zur Einbindung von Mainframes ins Web erfolgte anhand von vier Kriterien:

-Ein Werkzeug stellt dem Anwender entweder Host-Daten oder Applikationen oder beides im Web-Browser bereit.

-Werkzeuge machen gesamte Applikationen oder nur Teile eines Großrechnerprogramms Web-fähig.

-Die Host-Masken werden entweder unverändert ins Web übernommen, oder das Tool bietet dem Benutzer eine grafische Komponente.

-Anwendungsteile lassen sich mit Hilfe von Kapselungstechniken für Web-User verfügbar machen, wobei diese Komponenten in eine Objektarchitektur eingefaßt werden.

Aus diesen Kriterien wurden verschiedene Kategorien abgeleitet, in die sich die am Markt befindlichen Werkzeuge einordnen lassen. Mit den Tools der ersten Gruppe lassen sich Host-Informationen Web-basiert bereitstellen und aufbereiten, nicht aber Anwendungen via Web-Browser bedienen. Beispielsweise realisierte Intersolv mit "Datadirect Sequelink" sowie "Web DB Link" Zugriffslösungen für Mainframe-Datenbanken. Über Schnittstellen wie ODBC/JDBC oder OLE DB können Web-Anwender Abfragen starten.

Mit sogenannten Emulatoren läßt sich der Web-Browser in ein Softwareterminal umwandeln, damit der User bestehende Applikationen nutzen kann. Ein Vertreter dieser Sparte ist "Enter- prise/View" von Cntware. Die Java-Software wird in den Browser geladen und emuliert 3270- und 5250-Bildschirme. Andere Tools bieten zudem eine grafische Oberfläche; der Anwender bedient die Host-Software dann über ein Windows- oder Web-basiertes Interface. Man spricht hierbei auch von einer GUI-fizierung. "Log-Web" von Logics Software wandelt auf einem Middleware-Server die Host-Daten in ein Browser-gerechtes Format um. Auf diese Weise verschwinden die starren Terminalmasken vom Bildschirm des Anwenders.

Andere Lösungen kapseln Anwendungsteile oder Host-Daten zu Objekten. Dabei schlägt wie bei der GUI-fizierung ein Middleware-Rechner die Brücke zwischen dem Rechnerboliden und den Web-Usern (siehe Abbildung). Diese Tools basieren auf Objekttechniken wie Common Object Request Broker Architecture (Corba) oder Distributed Component Object Model (DCOM) und verfügen über standardisierte Datenbank-Schnittstellen. Über das Corba-Interface greift zum Beispiel "Apptivity" von Progress Software auf gekapselte Anwendungsteile zu, die der Applikations-Server des Herstellers bereitstellt.

Der Anbieter offeriert zudem eine Entwicklungsumgebung zum Erstellen von Geschäftsanwendungen auf Java-Basis.

Eine Zwitterstellung nehmen Tools ein, die sich sowohl der Kapselungstechnik als auch der Emulation bedienen. So verbindet "Opal" von Computer Associates sowohl Host-Anwendungen als auch relationale Datenbanken mit dem Internet. Neben der Umsetzung der Host-Masken in HTML integriert Opal Mainframe-Daten über Corba, DCOM, DDE, ODBC und OLE.

Die Kapselung von Host-Daten setzt allerdings eine entsprechende Modularität der Anwendungen voraus. Andernfalls muß das Unternehmen ein Software-Re-Enginering erwägen. Eine Alternative zur Kapselung bieten Integra- tions-Tools auf Emulationsbasis. Monolithische Großrechneranwendungen lassen sich auf diese Weise in das Internet einbinden, ohne daß der Anwender dabei auf Objekttechniken zurückgreifen muß. Dieses Konzept liegt dem Produkt "Amazon" des Herstellers Intelligent Environments zugrunde. Mit der Entwicklungsumgebung lassen sich Mainframe- und DB2-Anwendungen auf Basis von 3270/5250-Emulationen in Web-Applikationen verwandeln.

Eine weitere Kategorie von Integrationsprodukten zielt auf die Einbindung von Mainframe-Transaktionen ab. "Bea Jolt" von Bea Systems zum Beispiel bringt gemeinsam mit dem Transaktionsmonitor "Bea Tuxedo" Transaktionssysteme ins Web, die auf IMS oder CICS basieren.

Andere Hersteller nehmen sich der vielen Mainframe-basierten Cobol-Programme an. Beispielsweise können Entwickler mit der Softwarelösung "Netexpress" des Herstellers Micro Focus Programme schreiben, die über das Common Gateway Interface (CGI) eines Web-Servers Altanwendungen mit den Web-Clients verbinden.

Laut CSC Ploenzke lassen sich die Tools nicht immer eindeutig einer Kategorie zuordnen. Daher wurden die Produkte entsprechend ihrer Hauptzielrichtung gruppiert (siehe Tabelle).

Produkte, mit denen sich Mainframes ans Intranet oder Internet koppeln lassen, werden typischerweise im Rahmen von Projekten eingeführt. Dabei hängt es vom jeweiligen Systemumfeld ab, welches Tool sich am besten eignet. CSC Ploenzke stellt in seiner Studie neben den Lösungskategorien auch ein Vorgehenskonzept vor. Zunächst ist eine Bewertung der Altsysteme vorzunehmen, um deren technische und funktionale Beschaffenheit festzustellen. Auf Basis der geschäftlichen Zielsetzungen und der Anwendungsbewertung können dann die Projektziele definiert werden.

In einem dritten Schritt sollte der Systembetreiber die Integrations- und Erweiterungsanforderungen festlegen. Aufgrund der Ergebnisse aus der Anwendungsbewertung sowie der Projektziele läßt sich eine Vorauswahl treffen. Ein Leistungs- und Funktionsvergleich führt schließlich zur Entscheidung für ein adäquates Tool.