Richter Jackson setzt alle Auflagen aus

Im Fall Microsoft soll der Supreme Court entscheiden

30.06.2000
MÜNCHEN (CW) - Kurz vor der Vorstellung seiner neuen Internet-Strategie konnte Microsoft einen juristischen Teilerfolg verbuchen: Richter Thomas Jackson setzte alle gegen den Konzern verhängten Auflagen aus, leitete den Fall aber entgegen dem Wunsch der Verteidigung direkt an das Oberste Gericht der USA (Supreme Court) weiter.

Die Ankündigung Jacksons kam einigermaßen überraschend. In seinem Urteil vom 7. Juni hatte der Richter zwar die angeordnete Aufspaltung Microsofts in zwei Unternehmen bis zu einer abschließenden Entscheidung durch die Berufungsinstanzen ausgesetzt. Die strengen Auflagen hinsichtlich der Geschäftspraktiken des Konzerns sollten aber innerhalb von 90 Tagen, also Anfang September, in Kraft treten.

Die Klägerparteien, das US-Justizministerium und 19 Bundesstaaten, zeigten sich enttäuscht von Jacksons Entscheidung zur Aussetzung der Auflagen. Der Aufschub sei ein schlechtes Signal für die Industrie, erklärte ein Anwalt der Regierung: "Das bedeutet, während des Berufungsverfahrens gibt es keinen Schutz vor Microsofts wettbewerbsfeindlichem Verhalten."

Dennoch dürfte die Freude in Redmond nicht ungetrübt sein. Anwälte des Unternehmens hatten nach dem Urteil Berufung eingelegt und wollten das Verfahren vor dem Appellationsgericht in Washington (U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit) verhandeln lassen. Dieses hatte dem Antrag bereits stattgegeben.

Das Berufungsgericht hatte 1998 schon einmal zugunsten von Microsoft entschieden. Damals hob das Gericht eine einstweilige Verfügung von Jackson auf. Dieser hatte es Microsoft untersagt, PC-Hersteller zu zwingen, den "Internet Explorer" auf ihre Rechner aufzuspielen, wenn sie Windows 95 oder einen Nachfolger dieses Systems vorinstallieren.

Ob der Supreme Court den Fall annimmt, ist offen. Die obersten Richter können ablehnen und die Sache an das Bundesberufungsgericht zurückverweisen. Die von den Klägern angestrebte Beschleunigung des Verfahrens wäre damit zunichte gemacht. Eine Entscheidung fällt voraussichtlich erst nach der Sommerpause. Würden die Berufungsrichter ein Urteil zugunsten Microsofts sprechen, könnten die Kläger ihrerseits Rechtsmittel einlegen und ein Verfahren vor dem Supreme Court beantragen.

In einem 39-seitigen Schreiben an das Appellationsgericht hatte Microsoft bereits seine Strategie für die Berufung deutlich gemacht. In dem Papier werfen die Verteidiger Jackson eine Reihe von Verfahrensfehlern vor. Zudem kritisieren sie Kernpunkte des Urteils. Insbesondere die laut Jackson wettbewerbswidrige Koppelung von Browser und Betriebssystem zur Ausweitung der Monopolmacht Microsofts steht dabei im Mittelpunkt. Der Hersteller beharrt auf dem Standpunkt, bei der Integration handele es sich um eine Produktverbesserung, von der Kunden profitieren würden.