Im Epcot Center will die Disney-Organisation die Zukunft jetzt schon beginnen lassen:Kneipentyp tänzelt auf Computersystemen

17.12.1982

LAKE BUENA VISTA - Als eine der aufregendsten Computerinstallationen bezeichnet Joseph J. Kroger, President von Sperry Univac, das Engagement seines Hauses im Epcot Center. In der "Experimental Prototype Community of Tomorrow", jüngstes Ein-Milliarden-Dollar-lnvestment der Disney-Organisation, steuern Krogers Maschinen alles, was steuerbar ist.

Verbannten die Disney-Organisatoren bislang ihre Rechenzentren in den Untergrund, so führen sie im Epcot Center ihre Computer als Teil der Gesamtshow dem staunenden Publikum vor. Staunend deswegen, weil die Rechner in dem vollklimatisierten Raum als Bühne für die Astuter Computer Revue dienen, einer audio-visuellen Show, mit deren Hilfe die Funktion der installierten Systeme verdeutlicht werden soll.

Als Conferencier wirkt Broadway-Star Ken Jennings, der, als typisch englischer Kneipenunterhalter aufgemacht, dank eines simplen optischen Tricks über die Computer tänzelt. Dabei erklärt er, wozu die Rechner im Epcot Center gut sind, und ab und zu singt er auch. Jeder braucht einen Freund, tont es den Zuschauern entgegen, und gemeint ist natürlich der Computer. Diesen Computersong schrieben Richard M. und Robert B. Sherman, die sowohl Mary Poppins auf dem Gewissen haben als auch das Wort "supercalifragillisticexpialidocious".

Von all dem bekommen die Operatoren im Epcot Computer Central aber wenigstens nichts mit: Die Scheiben, hinter denen sich alle 20 Minuten rund 200 Besucher abwechseln, erlauben nur den Blick in den Rechnerraum und sind obendrein schalldicht. Konsequent verkünden die Show-Organisatoren, daß Computer nicht etwa unheimliche Geräte sind, sondern "die freundlichsten Diener der Welt". Kein Gedanke daran, daß Computer in ihrer grenzenlosen Dummheit alles machen, was der Programmierer befiehlt. Daß dies nicht immer vom Besten ist, wissen zumindest diejenigen, die schon einmal mit Computerfehlern Bekanntschaft gemacht haben.

Doch abgesehen von diesen Heile-Welt-Spielereien ist es schon beeindruckend was die Rechner im Epcot Center alles erledigen. Neben den normalen Anwendungen wie Hotelbuchungen, Reisearrangements, Gehaltsabrechnungen für die Disney-Angestellten oder Finanzplanung überwachen Univacs Rechner die Feuermeldesensoren oder die Gefrierschränke für die Lebensmittelversorgung.

Die interessanteste Anwendung freilich sind die "audioanimatorischen" Wesen, wenn im amerikanischen Pavillon beispielsweise Mark Twain auf der Bühne zu stehen scheint. Auch die Dinosaurier im Energie-Pavillon bewegen sich (computergesteuert) wie echte Lebewesen, können aber ihren Standort nicht verlassen und sind deshalb ungefährlich. Der Computer ist auch dabei, wenn in "China" ein 360-Grad-Film beeindruckende Szenen aus dem Land Dschingis-Khans zeigt.

Lediglich die deutsche Szenerie im Epcot Center scheint, bis auf die Kassenterminals, weitgehend computerfrei zu sein. "It's always Oktoberfest", verheißt der Disney-Prospekt, und sowohl die Kapelle als auch der Bratwurst-Burger mit Sauerkraut sind echt.