Unified Messaging als Service

Im Dienste des Kommunikations-Potpourris

04.05.2001
Unified-Messaging-Lösungen konnten sich in den vergangenen Jahren nicht richtig durchsetzen. Nun versuchen Anbieter, das Geschäft auf Servicebasis anzukurbeln. Für Unternehmenskunden, die auf die Integration der Produkte mit Geschäftsapplikationen drängen, bleiben die Dienstleistungsangebote dünn gesät. Von Annette Stadler*

Unified Messaging bedeutet, sämtliche elektronischen und telefonischen Nachrichten über ein einziges Kommunikationsmedium zu empfangen und weiterversenden zu können. Technisch ist es inzwischen möglich, bestehende Kommunikationslösungen in ein Unified-Messaging-Produkt einzubauen, Unternehmen zögern aber noch, diesen Weg zu gehen. Neue Hoffnung, den Markt in Schwung zu bringen, schöpfen Unified-Messaging-Anbieter aus der Servicevariante. Prognosen der Giga Information Group stützen diese Erwartungen, denn nach Meinung der Marktforscher sollen die Umsätze im Dienstleistungsbereich Ende 2003 allein in den USA 4,2 Milliarden Dollar erreichen.

Die Grenzen des technisch MachbarenAls Service kommt Unified Messaging den Unternehmens- und Endkunden in vielerlei Hinsicht entgegen. "Kleine Unternehmen können sich eigene teure Server-Lösungen oft nicht leisten. Für sie besteht höhere Investitionssicherheit, wenn sie monatlich einen festen Betrag für den Betrieb einplanen können", erläutert Stefan Zeitler, Marketing Manager Germany des Unified-Messaging-Anbieters Topcall in München. Zudem brauchen sie die Lösung nicht selbst zu installieren und unterhalten, eigenes Fachwissen ist also nicht erforderlich.

Unified-Messaging-Dienste kommen in der Regel nicht für alle Mitarbeiter eines Unternehmens in Betracht, sondern nur für diejenigen, die den Großteil ihrer Arbeitszeit nicht am Büroarbeitsplatz verbringen. In der Vergangenheit lockten die Anbieter Unternehmenskunden zwar mit dem Versprechen, durch Unified Messaging den Anwendern eine leichtere und schnellere Nachrichtenübermittlung zu bescheren, doch diese Verheißung ließ sich in der Praxis nicht einlösen: Im täglichen Gebrauch zeigen sich die Grenzen des technisch Machbaren.

Obgleich es Lösungen gibt, die medienübergreifend arbeiten, erweist sich ihre Benutzung als nicht so einfach wie versprochen. Das empfangene Fax, das vom Sprachgenerator des Unified-Messaging-Servers am Telefon vorgelesen wird, klingt in der Praxis nicht nach der Stimme eines menschlichen Kollegen. Selbst wenn das Fax nur Text enthält, ist es für Unified-Messaging-Produkte besonders kompliziert zu verarbeiten, da es sich bei der Vorlage um eine Grafikdatei handelt. Bei der Umwandlung der Faxnachricht in eine Textdatei mittels einer Erkennungssoftware schleichen sich Fehler ein. Wird das Ganze auch noch von einer Maschine vorgelesen, kommen weitere Schnitzer dazu. Die Fehlerquellen summieren sich, so dass der Empfänger letztlich unverständliches Kauderwelsch zu hören bekommt.

Der Vorgang ist für den Bediener eher mühsam und unerfreulich. Eine Zeitersparnis, die Unified-Messaging-Anbieter durch den Zugriff auf nur ein Kommunikationsmedium versprechen, wird sich auf diese Weise nicht einstellen. Büroarbeitern, die normalerweise ständig gleichzeitigen Zugriff auf PC, Telefon und Fax haben, bringt eine Unified-Messaging-Lösung folglich nichts. Damit fällt für die Hersteller eine große Zielgruppe bereits weg.

Basisdienste gibt es kostenlosMitarbeiter, die dagegen selten am Schreibtisch sitzen, aber trotzdem auf einen reibungslosen Nachrichtenfluss angewiesen sind, bieten die Produkte einige Vorteile, so dass sie eher dazu neigen, holprig und mechanisch vorgetragene Nachrichten zu akzeptieren. Als typische Zielgruppe von Unified-Messaging-Produkten gelten daher Vertriebs- und Außendienstmitarbeiter. Für den Erfolg der Unified-Messaging-Angebote ist es nach Einschätzung des Marktforschungsunternehmens Giga Information Group deshalb entscheidend, inwiefern die Anbieter mit ihren Lösungen die Produktivität der mobilen Anwender verbessern können.

Obwohl große Unternehmenskunden fast immer auch Außendienstler beschäftigen und insofern eine attraktive Unified-Messaging-Zielgruppe darstellen, stehen sie (noch) nicht im Brennpunkt der Serviceanbieter. Das Hauptinteresse gilt derzeit vielmehr den Carriern und Internet-Service-Providern (ISPs). "Durch steigenden Wettbewerb und sinkende Margen sind TK-Unternehmen auf innovative Mehrwertdienste angewiesen, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen", argumentiert Juma Al Maskari vom britischen Unified-Messaging-Anbieter Vivao. So haben bereits gebührenfreie E-Mail-Provider Unified-Messaging-Merkmale im Programm. Bei GMX ist es beispielsweise möglich, ohne Zusatzgebühren SMS-Nachrichten vom E-Mail-Account zu verschicken. Rudimentäre Unified-Messaging-Möglichkeiten gibt es außerdem bei Web.de (www.freemail.web.de), Directbox (www.directbox.com) und Firemail (www.firemail.de). Diese kostenlosen Basisdienste sollen bei den Benutzern Interesse an weitergehenden Diensten wecken, für die die Anbieter dann zur Kasse bitten.

Ganz nebenbei bieten die Provider auch den Unified-Messaging-Herstellern und Serviceanbietern einige handfeste Vorteile. Endkunden, die einen kostenlosen oder preisgünstigen Dienst nutzen, können keine hohen Ansprüche an die Qualität stellen. Sie müssen sich im Gegensatz zu Geschäftskunden gelegentlich mit verlorenen Daten oder längeren Ausfallzeiten abfinden. Zudem erübrigt es sich hier, Unified-Messaging-Funktionen mit anderen Softwareservices zu koppeln beziehungsweise sie in bestehende Anwendungen zu integrieren. So lernen mittels dieser Basisdienste nicht nur die Endanwender den Umgang mit der neuen Technik, auch die Anbieter können ihre Systeme ohne großes Risiko an vielen Benutzern testen.

Altbekannte Namen und StartupsDie Gruppe der Hersteller ist eine Mischung aus bekannten Namen wie Lucent beziehungsweise dessen Tochter Avaya, Cisco, Siemens und Nortel, aus Spezialisten wie Topcall und Tobit Software sowie Startup-Unternehmen, zu denen Canbox und Vivao zählen. Für die Schwergewichte der Kommunikationsbranche sind die Unified-Messaging-Produkte eine wichtige Ergänzung ihrer Hauptumsatzträger, bestehend aus TK-Anlagen oder Kommunikationsinfrastruktur, die Installation übernehmen in der Regel Systemintegratoren. So hat sich Masterbit auf den Aufbau von Application-Services spezialisiert, zu denen auch die Unified-Messaging-Produkte von Avaya zählen. Das Systemhaus realisiert Projekte bei TK-Anbietern, ISPs und großen Konzernen, die ASP-Dienstleistungen inhouse oder Dritten anbieten wollen. Zudem verfügt der Anbieter über ein eigenes Produkt, das die interne Verwaltung eines ASP-Systems über unterschiedlichste Softwarekomponenten von der Kundenanlage über Generierung der entsprechenden Benutzerrechte bis hin zu Rechnungsstellung und Qualitätssicherung automatisiert.

ISPs sind die ersten AnwenderFür Spezialisten wie Topcall stellt der Unified-Messaging-Bereich das Kerngeschäft dar. Sie offerieren Produkte und betreiben die Projekte beim Kunden selbst. Zu den größten Kunden von Topcall zählt der finnische Carrier Sonera, der derzeit Unified-Messaging-Dienste für mehrere tausend User einführt. Während sich die etablierteren Hersteller auf den Verkauf und die Einführung ihrer Produkte beschränken, verfolgen die Startup-Unternehmen die Strategie, in Eigenregie Unified-Messaging-Services anzubieten und die Anwendungen im eigenen Rechenzentrum laufen zu lassen.

So verfügt Vivao in Großbritannien über Kunden wie Euphony (www.euphony.com), Ic24 (www.ic24.com) oder das private Rundfunkunternehmen Capital Radio. Ic24 ist das ISP- und Consumer-Portal des britischen Verlagshauses Trinity Mirror Group. Gleichzeitig dient es als Online-Plattform von dessen Publikationen wie "The Mirror", "Sunday Mirror" und "The People". Der durch Vivao eingerichtete "IC-Messaging"-Dienst gestattet Anwendern, kostenlos mit Hilfe eines Web-Browsers Faxe und E-Mails zu verwalten, E-Mails per Telefon zu bearbeiten oder SMS-Nachrichten vom Web an Handys zu verschicken. In Deutschland hat Vivao ebenfalls Fuß gefasst und Niederlassungen in Berlin und München eröffnet. "Im deutschsprachigen Raum sehen wir ein großes Potenzial für Unified-Messaging-Services. Wir sind hierzulande gerade dabei, erste Kunden im TK-Bereich zu gewinnen und an Pilotprojekten zu arbeiten", berichtet Al Maskari.

Ein weiterer Anbieter dieser Branche ist Canbox. Das Unternehmen wurde 1997 in Deutschland unter dem Namen Media Service Group AG gegründet. Nach eigenen Angaben betreibt der Hersteller inzwischen über 100 Services mit mehr als drei Millionen Lizenzen. Der Kunde hat die Wahl, die Software selbst zu betreuen oder beim Hersteller hosten zu lassen. Neben Oldenburg verfügt Canbox über zwei weitere Data Center in Boston und Singapur. Insgesamt speichern sie über 360 Terabyte Daten. Für den Unified-Messaging-Service von Canbox hat sich in Deutschland beispielsweise Lycos Bertelsmann entschieden. Der Provider bietet seinen Benutzern unter eigenem Label Freemail- und Unified-Messaging-Dienste an. Die Client-Lösung des Unternehmens ist außerdem bei vielen weiteren deutschen Freemail-Anbietern im Einsatz.

Geschäftskunden halten sich zurückBis allerdings Geschäftskunden umfassende Unified-Messaging-Services im größeren Stil einsetzen, die über die Basisfunktionen der Freemail-Anbieter hinausreichen, wird noch einige Zeit vergehen. Zunächst gelten bei Unified-Messaging-Services die gleichen Anforderungen und damit auch Probleme wie bei anderen Application-Services. Erst wenn Fragen nach Daten- und Ausfallsicherheit, Service-Levels und Performance zufriedenstellend beantwortet sind, genügen die Lösungen den Anforderungen von Unternehmenskunden. Zudem müssen sich echte Produktivitätsverbesserungen nachweisen lassen.

Neben der Unified-Messaging-Versorgung von mobilen Mitarbeitern liegt zusätzlicher Nutzen für den Kunden in der Integration verschiedener Dienste. "Gegenwärtig werden wir häufig mit Anfragen von Application-Service-Providern (ASPs) konfrontiert, die sich auf die plattformübergreifende Nutzung von Unified Messaging beziehen", berichtet Topcall-Manager Zeitler. Geschäftskunden, die beispielsweise SAP-Applikationen von einem ASP als Service beziehen, wollen diese Anwendungen auch mit Hilfe von Messaging-Funktionen automatisieren. Im Falle eines Auftragseingangs soll die Installation etwa selbsttätig dem Besteller eine Bestätigungsnachricht zustellen.

Integrationsaufwand ist erheblichBei derartigen Szenarien bleibt es den Geschäftskunden überlassen, in welchem Maß sie die Abwicklung der Vorgänge dem Provider übertragen. So lassen sich beispielsweise sowohl die SAP-Module als auch die Messaging-Services komplett auslagern. Da viele Unternehmen jedoch bereits in elektronische Kommunikationssysteme investiert haben, erscheint es für diese Klientel oftmals sinnvoller, die eigene, vorhandene Messaging-Lösung weiter zu betreiben und nur die Nachrichten, die innerhalb der ausgelagerten SAP-Lösung verschickt werden, über einen Dienstleister abzuwickeln. Insgesamt wird deutlich, dass integriertes Unified Messaging, auch wenn es sich um eine Dienstleistung handelt, nicht von der Stange erhältlich ist. Eine tief greifende Einbindung von Kommunikationsdiensten in Geschäftsapplikationen verursacht oft erheblichen Aufwand und Schwierigkeiten, die zu Beginn des Projekts nicht bedacht wurden.

*Annette Stadler ist Business Research Analyst bei dem Venture-Capital-Unternehmen 3i in München.

Probleme des MarktesAls erste große Hürde auf dem Weg zur Marktakzeptanz erwies sich für Unified-Messaging-Anbieter die installierte Basis von Mail- und Groupware-Produkten. Die wenigsten Unternehmen waren bereit, bezahlte Anwendungen gegen neue Lösungen einzutauschen, nur um Unfied-Messaging-Funktionen nutzen zu können, zumal sie bei einem Wechsel einige Bedienungsmöglichkeiten verloren hätten. So verfügen Messaging-Lösungen wie Microsofts "Exchange" oder "Lotus Notes" über weitreichende Kalender- und Adressfunktionen, die die Unified-Messaging-Produkte nicht enthielten. Damit Endanwender auf die gewohnte Funktionsvielfalt nicht verzichten müssen, ist es inzwischen möglich, die gängigsten Client-Software-Varianten in ein Unified-Messaging-Produkt zu integrieren. In diesem Fall werden alle anderen Nachrichtentypen in der E-Mail-Eingangsbox repliziert. "Während integrierte Architekturmodelle typischerweise E-Mail-fokussiert arbeiten, bieten die klassischen Unified-Messaging-Produkte eine größere Ausgewogenheit zwischen daten- und sprachzentrierten Anwendungen", erklärt Elizabeth Collinge, Marktanalystin bei Giga Information Group, die Vorteile einer umfassenden Kommunikationslösung.

Abb.1: Zeitersparnis durch Unified Messaging

Für Unified-Messaging-Nutzer mit Büroarbeitsplätzen ergibt sich keine echte Zeitersparnis. Quelle: ComGroup und AVT Corp.

Abb.2: US-Markt für Unified Messaging

Die Marktforscher der Giga Information Group glauben selbst bei vorsichtiger Schätzung an ein großes Marktvolumen. Quelle: Giga Information Group

Abb.3: Das Unified-Messaging-Modell

Das Unified-Messaging-Modell veranschaulicht die verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten auf eine zentrale Messaging-Box. Quelle: Giga Information Group