Im Großunternehmen erprobte Einsatzmöglichkeiten neuester IuK-Techniken

Im Binnenmarkt-Wettbewerb Mehrwertdienste unabdingbarSerie Mehrwertdienste der Bürokommunikation Folge 8

04.05.1990

Dirk Nouvortne ist Leiter "Bürokommunikation", Reiner Pliefke Gruppenleiter "Nachrichtentechnik" und Michael Schmidt Projektleiter "EIectronic Mail" im Gerlin-Konzern, Köln.

"Wie Sand am Meer" gibt es Checklisten, Hochglanz-Broschüren und Fachbücher, die den Segen der modernen Informations- und Kommunikationsmittel als Wettbewerbsinstrument preisen. Die meisten haben den Nachteil, diese Techniken hochzujubeln, "wie Blinde die Farbe". Die Autoren dieser CW-Artikelserie sind Leute aus der Praxis. Sie haben das, was sie hier systematisch darstellen, im eigenen Hause realisiert oder projektiert.

Als eine Anwendung, die immer wieder im Zusammenhang mit VAS in Corporate Networks genannt wird, gilt Electronic Mail. Bislang sind jedoch kaum Ideen entwickelt worden, die auf die besonderen gewachsenen Strukturen der angebundenen Unternehmen Rücksicht nehmen. So gibt es Unternehmen, die ein weit entwickeltes Electronic-Mail-System mit zahlreichen Anwendungsvarianten betreiben, das ein parallel betriebenes Angebot durch einen Serviceanbieter kaum sinnvoll erscheinen lassen würde.

Trotz steigender Mailbox-Anwender kann man nicht immer davon ausgehen, daß alle Unternehmen Electronic Mail im Einsatz haben. Wohl noch weniger Anwender haben einen Rechner für diese Anwendung, obwohl dies bei zunehmender Akzeptanz und im Hinblick auf internationale Kommunikation erforderlich werden kann.

Nützlich ist es dann, wenn der Netzbetreiber einen Rechner ausschließlich für Mail-Kommunikation anbietet. Jedes Unternehmen kann entsprechend seinen Anforderungen Postboxen anmieten und sie für die interne oder externe Telekommunikation nutzen, ohne eigene Zentralrechner- oder DDP-Ressourcen zu binden.

Je nach Mengenaufkommen an Postboxen kann es sinnvoll sein, innerhalb des Corporate Networks eine Vielzahl von Mailservern zu installieren (DDP-Mailing). Dies bedeutet. daß neben den Verarbeitungsrechnern unterschiedlicher Größe der Anwender in einem Corporate Network auch ein Carrier das Netz seinerseits mit Intelligenz ausrüstet. Neben der hundertprozentigen Versorgung der Anwender mit Postboxen können Anwender beim Erreichen von Kapazitätsgrenzen "virtuelle" Postboxen hinzumieten. Die Koppelung wird über die X.400-Schnittstelle gewährleistet. Es entsteht so ein logisches Mailbox-Netz, bestehend aus dem Electronic-Mail-System des Serviceanbieters und dem des Anwenders, das dem User ein Maximum an Flexibilität bietet.

Darüber hinaus können die Mail-Systeme des Netzwerkbetreibers und die der Anwender auch einen unterschiedlichen Funktionsumfang haben, so daß man durch planmäßiges Vorgehen den Mitarbeitern der angebundenen Unternehmen entsprechend ihren Arbeitsanforderungen nur Postboxen für die hausinterne Kommunikation gibt, gegebenenfalls mit entsprechenden Bürofunktionen oder die Postboxen des Serviceanbieters, die vor allem für die externe Kommunikation geeignet sein könnten. All das will bei einer VAS-Konzeption für Electronic Mail bei einem Serviceanbieter bedacht sein.

Neben der reinen Mailing-Komponente können außerdem für branchenspezifische Belange maßgeschneiderte Anwendungen oder "Bulletin Boards" bereitgestellt werden. Beispielhaft sei hier der Wirtschaftsticker angeführt, der einer größeren Anwenderzahl aktuelle Informationen, wie etwa Börsenkurse, bereitstellt. Außerdem können Formen des Electronic Banking via Electronic Mail abgewickelt werden. Auch die Anbindung an unterschiedliche Informationsanwendungen, wie beispielsweise im Versicherungswesen "Rinet", können über spezifische Gateways mit einem Electronic-Mail-System eines Serviceanbieters verknüpft werden.

Daneben lassen sich noch folgende Erweiterungen ("Huckepackdienste") von Electronic Mail bei einem Serviceanbieter vorstellen:

- Teletranslating (Anbindung eines Übersetzungsbüros)

- Telepublishing,

- Schwarze Bretter (Bulletin Boards), zum Beispiel mit Meldungen aus vwd, Reuters, AP,

- bürobezogene Unterstützung (zum Beispiel elektronischer Terminkalender),

- spezifische Adaptionen besonderer Branchen (Versicherung, Transport etc.),

Schließlich wird man immer häufiger mit dem Begriff "X.400" konfrontiert, ohne sich Gedanken zu machen, was sich dahinter für Anwendungspotentiale verbergen und wie man X.400 zum sinnvollen Einsatz bringt. Dabei bietet gerade X.400 die Möglichkeit, die gewohnte Oberfläche der bei manchen Nutzern bereits seit längerer Zeit eingesetzten Mail-Pakete mit interessanten Möglichkeiten, die ein Netzwerkbetreiber im Zusammenhang mit Electronic Mail bieten kann, zu verbinden.

In der nächsten Folge wird eine Anwendung mit einer Carrier Mailbox dargestellt.

(wird fortgesetzt) Dirk Nouvornte,