Im Großunternehmen erprobte Einsatzmöglichkeiten neuester IuK-Techniken

Im Binnenmarkt-Wettbewerb Mehrwertdienste unabdingbar

23.03.1990

"Wie Sand am Meer" gibt es Check-Listen, Hochglanz-Broschüren und Fachbücher, die den Segen der modernen Informations- und Kommunikationsmittel als Wettbewerbsinstrument preisen. Die meisten haben den Nachteil, diese Techniken hochzujubeln, "wie Blinde die Farbe". Die Autoren dieser CW-Artikelserie sind Leute aus der Praxis. Sie haben das, was sie hier systematisch darstellen, im eigenen Hause realisiert oder projektiert.

Technische Basis für Corporate Networks können Multiplexer oder/und Networks auf Basis X.25, also paketorientierte Datenübertragungseinrichtungen sein.

Für einen Nutzer von Corporate Networks ist es wesentlich, daß diese technischen Varianten unabhängig von der jeweiligen Rechnerumgebung sind und damit keine zusätzlichen Investitionen in Hard- und Software verursachen. Insbesondere bei herstellerbetriebenen Corporate Networks ist dies nicht immer der Fall. Multiplexer, worauf sich im folgenden ausschließlich konzentriert wird, leiten die Kommunikationsströme durch Bündelung in die breitbandigen Verbindungen. Je nach Netzkomplexität kann sich die Topologie in Overlay- und untergeordnete Netzhierarchien unterteilen (Bild).

Daneben dominiert die Netzsicherheit. Ein Corporate Network ist, im Gegensatz zum Angebot der Deutschen Bundespost/Telekom, in der Lage, einen höheren Sicherheitsstandard zu gewährleisten, indem kritische Strecken doppelt ausgelegt oder durch alternatives Routen Leitungsstörungen umgangen werden.

Daneben besteht die Möglichkeit, die oberste Netzhierarchie ringförmig oder voll vermascht zu designen und die Steckplätze der Multiplexer doppelt zu belegen.

Als weiterer VANS gilt die Möglichkeit, Verkehrsspitzen durch kurzfristiges Ausnutzen etwa von Wählleitungen auszugleichen, ohne daß eine ständige Verbindung hinzugenommen wird.

Darüber hinaus trägt ein aussagekräftiges Netzwerkmanagement, das permanent über das Verkehrsaufkommen des Gesamtnetzes beziehungsweise einzelner Verbindungen Auskunft erteilt und aufgrund von statistischen Auswerteverfahren darüber informiert, wann eine zusätzliche Leitung geschaltet werden muß, wesentlich zur Sicherheit bei. Dazu zählt auch ein Hotline Service, der rund um die Uhr, 7 Tage die Woche, vorgehalten werden sollte.

Neben dem Sicherheitsaspekt im Sinne eines Leitungs-Back-Up wird die Sicherheit noch dadurch erhöht, daß der Netzbetreiber über Spezialisten verfügt, die sonst jedes einzelne Unternehmen benötigen würde.

Bleibt schließlich die Forderung, daß mit der Netzhard- und -software des Netzbetreibers die Performance im ungünstigsten Fall gleich der gegenwärtigen Performance ist.

Während die VANS vor allem die technischen Aspekte von Corporate Networks unterstreichen, machen die VAS die organistorischen und anwendungsbezogenen Potentiale transparent.

Ihre Erschließung ist gegebenenfalls für ein Einzelunternehmen zu teuer beziehungsweise nicht rentabel, für einen Netzbetreiber jedoch, der eine Vielfalt von angebundenen Unternehmen betreut ist es ein wirtschaftlich interessantes Betätigungsfeld.

VAS werden hier lediglich als Kommunikationsdienste beziehungsweise kommunikationsnahe Dienste betrachtet. Der Definition von Mehrwertdiensten als Anwendungen, wie etwa die Bereitstellung von Onlineanwendungen (zum Beispiel FIBU) wird im weiteren nicht gefolgt.

Die eigentliche Funktion von Telekommunikationsanwendungen liegt in der problemlosen Versorgung der Anwender in den Fachabteilungen der angebundenen Unternehmen mit Informationen und Nachrichten, unabhängig wo sich die Informationen befinden beziehungsweise über welche Telematikdienste sie erreicht beziehungsweise er seine Ansprechpartner erreichen kann. Letztendlich geht es darum ein Dokument, das aus Sprach-, Daten- Text- und/oder Bildinformationen bestehen kann, gegebenenfalls unter Nutzung externer Informationsquellen zu erstellen und es mit einer Adresse zu versehen, ohne darüber zu reflektieren, welchen Telematikdienst (Teletex, Btx, etc.) er nutzt. Jegliches Reflektieren über die Modalitäten des Versands beziehungsweise der Recherche ist, rein betriebswirtschaftlich gesehen, eine Vergeudung von Ressourcen. Mit der Adressierung muß die Aufgabe eines Mitarbeiters in einer Fachabteilung erledigt sein. Es ist nun Aufgabe einer Telekommunikationsanwendung automatisch, unter Berücksichtigung der (syntaktischen) Informationsbestandteile, die kostengünstigste Kommunikationsform zu wählen.

Man kann in diesem Fall durchaus von einer intelligenten Vermittlung sprechen. Da in einem Verzeichnis (Directory) nicht nur die logische, sondern auch die physikalische Adresse hinterlegt ist, muß die Telekommunikationsanwendung die Funktion beherrschen, den Modus entsprechend den physikalischen Gegebenheiten zu wählen.

Es wäre sinnlos, ein Dokument mit Faksimilebestandteilen zu versenden, wenn der Kommunikationspartner kein Faxgerät hat. Dies ist insbesondere bei der Dokumentenstandardisierung ODA/ODIF zu beachten, wo die dokumentenechte Darstellung sich auch nur zwischen dokumentengleichen Editoren realisieren läßt.

Ähnlich verhält es sich auch bei der Suche nach Informationen. Egal an was für einem Terminal sich ein Sachbearbeiter befindet, durch entsprechenden Berechtigungsnachweis, mit dem automatisch auch das personengebundene Accounting abgewickelt werden muß, ist er in die Lage zu versetzen, weltzeit auf alle Informationen (gezielt) zugreifen zu können, die er für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt. Ideal ist wenn die Telekommunikationsanwendung so intelligent ist, daß sie sofort nach der Definition der Recherche-Anfrage die entsprechenden Informationen aus den Datenbanken besorgt, ohne daß der Sachbearbeiter sich in einer für ihn fremden Anwendungslogik zurechtfinden muß oder sich eines Information Brokers bedient Der Lern- und Schulungaufwand für die Unterweisung der fremden Anwendungslogik ist betriebswirtschaftlich gesehen ebenfalls eine Vergeudung von Ressourcen.

In dem beschriebenen Idealfall entfällt sogar die Adressierung für den Sachbearbeiter. Selbstredend, daß Aktivitäten wie der Verbindungsaufbau, Logon-/Logoff-Routinen etc. bereits in weniger intelligenten Telekommunikationsanwendungen automatisch gelöst sein sollten.

Telekommunikationsanwendungen müssen den Anwender in die Lage versetzen, seinen Aufgaben im Rahmen der Gesamtorganisation nachzukommen, ohne daß er im Einzelfall wissen muß, wo die Daten lokal vorhanden sind (intelligente Durchreichung von Infomationen).

Anforderungen an einen Informationsverbund

Alle diese Möglichkeiten müssen einem Mitarbeiter in einer Fachabteilung durch eine moderne Telekommunikationsanwendung gegeben sein. Dabei ist es unerheblich, wie er an das Kommunikationssystem eines Unternehmens physikalisch angebunden ist: PC, Großrechner, Abteilungs-(DDP-)Rechner, PABX, LAN. Es geht mithin um die Errichtung eines unternehmensübergreifenden Inforrmationsverbunds, der im einzelnen erfordert:

a) Integration "isolierter" Systeme

- firmenweit,

- firmenübergreifend;

b) Kunden-/Lieferantenanbindung

- national,

- grenzüberschreitend;

c)Kommunikation mit/innerhalb Interessengemeinschaften;

d) intelligente Netzwerke

- engmaschig,

- weltweit.

Vor allem diesen Erfordernissen haben VAS zu entsprechen.

Teile der Telekommunikationsanwendung, insbesondere was die Dokumenterstellung und die Auswahl der externen Informationsquellen angeht, können Bestandteil eines Dialogablaufs (User Agents) sein, der in einem Unternehmen vorhanden ist. Funktionen der Konvertierung in unterschiedliche Formate der externen Informationsquellen und der Übertragung sollten als Service durch einen Netzwerkbetreiber angeboten werden. Eine streng gemäß dem OSI-Modell aufgebaute Kommunikationsarchitektur bietet über den modularen Aufbau der einzelnen Schichten die Möglichkeit der "Arbeitsteilung" zwischen Netzbetreiber und Anbieter von VAS einerseits und dem Anwender andererseits. Technisch/ theoretische Grundlage ist das Client/Server-Modell. Telekommunikationsanwendungen können so wirtschaftlich in Verbindung mit einem Netzwerkbetreiber realisiert werden. Die Oberfläche ist individuell auf die Belange des Unternehmens zugeschnitten, während der Transport standardisiert etwa durch den Carrier abgewickelt werden kann.

Mit der Liberalisierung des Fernmeldewesens erschließt sich ein reichhaltiges Feld für ßetreiber von Corporate Networks. Insbesondere im Bereich der text- und datenorientierten VAS, später auch bei der Bewegtbildkommunikation, verspricht man sich zukünftig Bewegung.

Was die Sprachservices betrifft, will man noch am staatlichen Monopol festhalten. Mit der Propagierung des ISDN und der beabsichtigten Integration aller Kommunikationsformen ist das Sprachmonopol auf Dauer kaum aufrechtzuerhalten, da eine klare Grenze zwischen den Kommunikationsformen Sprache, Daten, Text und Bild nicht mehr gegeben ist.

In Großbritannien ist mit der Zulassung von privaten Dienstanbietern in der Sprachkommunikation (zum Beispiel Mercury) bereits seit einiger Zeit Bewegung in den Markt gekommen .

Im folgenden werden mögliche VAS aller Kommunikationsformen, die durch einen Netzwerkbetreiber angeboten werden können, dargestellt. Bei der Auseinandersetzung mit dem potentiellen Dienstangebot von Netzwerkbetreibern sind einige Grundvoraussetzungen zu erfüllen, die im Rahmen der Darstellung der Services nicht aufgeführt, für die Realisierung der Dienste jedoch grundlegend sind und technisch/organisatorisch abgedeckt sein müssen. Es handelt sich dabei beispielsweise um das Accounting und das Netzwerkmanagement, wobei letzteres Sicherheitsfunktionen abdeckt, die zur Aufrechterhaltung nicht nur des Netzwerkbetriebs, sondern auch der Services notwendig sind.

Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß die Betreiber intelligenter Netzwerke nicht unbedingt auch die Anbieter von VAS sein müssen.

Hier bietet sich durchaus die Möglichkeit, für spezialisierte VAS-Betreiber im Rahmen intelligenter Netzwerke, Dienste bereitzustellen.

(wird fortgesetzt)

*Reiner Pliefke ist Grupenleiter "Nachrichtentechnik", Michael Schmidt Projektleiter "Electronic Mail" und Dirk Nouvortne Leiter "Bürokommunikation" im Gerling-Konzern, Köln