Im BI-Markt toben Verteilungskämpfe

09.05.2005
Von 
Senior Communication Managerin bei der Content Marketing Agentur Evernine
Das Geschäft mit Business Intelligence wächst weiter, gleichzeitig hält die Marktbereinigung an. Eine Aufteilung in Big Player und kleine Spezialisten scheint unvermeidlich.

Bei den Produkten und Dienstleistungen für Business Intelligence handelt es sich den Analysten der Meta Group zufolge zwar um einen gereiften Markt, dennoch bieten sich hier in den nächsten Jahren noch große Wachstumspotenziale. Die Einführung von CRM-Lösungen, Enterprise-Portalen, Mobile-Business-Lösungen oder das Aufkommen neuer Technologien wie Web-Services stellen die IT-Abteilungen vor neue Herausforderungen: Auf entscheidungsrelevante Daten soll möglichst in Echtzeit zugegriffen werden können.

"Die Datenmenge in den Unternehmen wächst um durchschnittlich 90 Prozent pro Jahr. Das ist eine enorme Datenflut, die bewältigt werden muss", heißt es bei der Meta Group. Der steigende Bedarf an analytischen Lösungen sei auch durch gesetzliche Auflagen wie Sarbanes- Oxley, das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) oder Basel II verursacht. Unternehmen müssten nicht nur vergangene, sondern auch gegenwärtige und künftige Szenarien analysieren können. Und laut Gartner wollen 1300 befragte CIOs aus über 30 Ländern die Ausgaben für BI-Systeme in diesem Jahr um sechs Prozent steigern.

Hinter dem pauschalen Begriff "BI-Systeme" verbirgt sich eine ganze Palette an Lösungen: Das Spektrum reicht von ETL-Tools (ETL = Extraktion, Transformation, Laden), die für Datenintegration und Qualitäts-Management eingesetzt werden, über fortgeschrittene Olap- und Analyse-Tools, die auf gängigen Datenbanken wie DB2, SQL Server oder Oracle aufsetzen, bis hin zu integrierten BI-Lösungen. Letztere liefern alle Komponenten und arbeiten mit eigenen relationalen oder multidimensionalen Datenbanken zusammen.

Die Produkte von weltweit 200 bis 300 Softwareanbietern lassen sich dem BI-Markt zuordnen, rechnet Carsten Bange, geschäftsführender Gesellschafter des Marktforschungsunternehmens Barc, in der neuesten Studie "Olap und Business Intelligence 2005" vor. Im stark fragmentierten BI-Bereich suche man einen Marktführer mit einem Anteil von über 25 Prozent allerdings vergebens.

Bange erklärt, warum der Markt wächst und sich gleichzeitig bereinigt: "Der BI-Markt hat inzwischen eine so interessante Größe erreicht, dass auch die ERP-Anbieter auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern in den Markt drängen." Microsoft, Oracle und SAP setzten etablierte BI-Anbieter vor allem mit ihrer großen Kundenbasis und ihren Vertriebsstrukturen unter Druck. Viele Spezialanbieter be-schränkten sich auf Teilkomponenten von BI-Systemen mit begrenzten Wachstumschancen und oft relativ hohen Preisen. Das Interesse an jeglichem BI-Know-how sei derzeit so groß, dass diese Firmen automatisch zu Übernahmekandidaten würden. "Marktaustritte durch In-solvenz dagegen sind extrem selten", meint Bange.

Eine eindeutige Nummer eins in Sachen BI auszumachen ist deshalb nicht leicht. Unternehmen wie SAP, Microsoft und Oracle fehlen auf der aktuellen BI-Liste des Beratungshauses Lünendonk, da sie nicht den Aufnahmekriterien entsprechen, die da lauten: "Mehr als 50 Prozent des Umsatzes werden mit Produktion, Vertrieb und Wartung von BI-Software-Produkten erzielt." Deshalb stehen an der Spitze des deutschen BI-Markts ausschließlich internationale Unternehmen mit ihren deut-schen Tochtergesellschaften. Mit deutlichem Vorsprung belegt die SAS Institute GmbH, Heidelberg, Platz eins.

SAS vor Business Objects

SAS ist auch einer der ersten Umsatzmilliardäre aus der Riege der BI-Spezialanbieter. Das Unternehmen erzielte 2004 bei einem Wachstum von 15 Prozent Rekordeinnahmen von weltweit 1,53 Milliarden Dollar - in erster Linie erwirtschaftet mit Data Warehousing und Datenintegrations-Infrastruktur sowie Statistik- und Data-Mining-Anwendungen. Der Umsatz der deutschen SAS-Tochter lag bei 128,5 Millionen Euro.

Auf Platz zwei führt Lünendonk die Business Objects GmbH mit Sitz in Köln. Das Unternehmen nähert sich mit Einnahmen von weltweit 925,6 Millionen Dollar im Jahr 2004 der Umsatzmilliarde an. Der Erfolg basiert auch auf der - in diesem Bereich mit 820 Millionen Dollar teuersten - Übernahme von Crystal Decisions im November 2003.

"Hier vereinten sich zwei Anbieter, die prinzipiell das gleiche BI-Marktsegment adressiert haben: das Berichtswesen", so Bange. "Die Ansätze jedoch sind unterschiedlich. Während Business Objects schon immer Werkzeuge auf den Markt gebracht hatte, die von Fachanwendern bedient werden, bietet Crystal primär technisch orientierte Lösungen für ein Massenberichtswesen - ein Bereich, den Business Objects nie richtig unterstützen konnte."

Platz drei besetzt hierzulande die MIS AG, die im Oktober 2003 von Systems Union übernommen wurden. Der ERP-Anbieter erwarb damit ergänzende Funktionen zur Planung, Überwachung und Analyse operativer Daten. Im Gegensatz zu den Topplatzierten kann MIS kein "Rekordergebnis" melden. Die Softwerker mussten im Geschäftsjahr 2004 einen Umsatzrückgang auf 44,65 Millionen Euro gegen-über knapp 48 Millionen Euro im Vorjahr hinnehmen.

Cognos in Verfolgerposition

Den vierten Rang in Deutschland bekleidet Cognos: Das Unternehmen kaufte Adaytum und Frango und verstärkte sich damit in den Bereichen Planung und legale Konsolidierung. Cognos meldet für das Geschäftsjahr 2005 (Ende: 28. Februar 2005) eine Umsatzsteigerung von 21 Prozent auf 825,5 Millionen Dollar.

Hyperion, die Nummer fünf, übernahm im Juli 2003 Brio Software und ergänzte damit seine Produktpalette mit ausgereiften Produkten für Reporting und Datenanalyse. Der Umsatz konnte 2004 um 8,5 Prozent auf 690 Millionen Dollar gesteigert werden.

"Bereits ab Platz sechs beginnt sich der Markt zu teilen", heißt es bei Lünendonk. Erzielte das dort positionierte Unternehmen Arcplan 2003 noch Einnahmen von 18 Millionen Euro, so weisen alle folgenden Unternehmen in Deutschland nur noch Umsätze in einstelliger Millionenhöhe aus. Das rund zehn Unterneh-men umfassende "Mittelfeld" mit Erlösen zwischen drei und neun Millionen Euro zeigt, dass es durchaus lukrative Nischen für Spezialanbieter gibt.

Spezialisten haben gute Chancen

Der BI-Markt folgt damit den Gesetzmäßigkeiten des gesamten Softwaremarktes: Neben den großen, häufig internationalen Konzernen bietet sich Raum für Spezialisten. Verlierer dürften wieder einmal die Anbieter in der Mitte sein: Sie müssen damit rechnen, von Größeren übernommen zu werden oder selbst andere Firmen akquirieren, um auf eine kritische Größe zu kommen.

Der Druck resultiert den Marktforschern von Barc zufolge auch aus dem großen Interesse vieler Kunden nach Lösungen aus einer Hand. "Aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus" würden dabei etablierte Softwareanbieter bevorzugt. Davon profitieren die Branchengiganten IBM, Oracle, Microsoft und SAP. Sie setzen auf ihren Bekanntheitsgrad und ergänzen ihre Teilangebote durch Partnerschaften mit kleineren Spezialanbietern.

Microsoft dominiert Olap-Markt

Diese Strategie hat offensichtlich Erfolg: Weltweit heißt der größte Anbieter im Olap-Sektor inzwischen Microsoft - hauptsächlich, weil dessen Datenbank SQL Server die Olap-Engine "Analysis Services" beiliegt. Nach Schätzungen des Londoner Marktforschungsinstituts The Olap Report hat sie in wenigen Jahren den höchsten Marktanteil erreicht.

Weltweit verzeichneten die Werkzeuge aus dem BI-Teilsegment Olap von 2003 auf 2004 ein Umsatzwachstum von knapp 16 Prozent auf 4,3 Milliarden Dollar. Die Top-Ten-Liste in diesem Teilmarkt sah 2004 laut Nigel Pendse, Chefanalyst vom Olap-Report, so aus: Microsoft mit einem weltweiten Marktanteil von 27 Prozent, Hyperion (20,7 Prozent), Cognos (14,1) , Business Objects (7,2), Microstrategy (7,1), SAP (6), Oracle (3,7), Applix (3,1), Cartesis (3,1) und Systems Union/MIS AG (3,0). Auf den weiteren Plätzen folgen Geac (inklusive des übernommenen Unternehmens Comshare) mit 1,9 und SAS Institute mit 0,9 Prozent.

Laut Pendse gebührt dem "Dark Horse" SAP in Zukunft besondere Aufmerksamkeit. Denn das SAP Business Information Warehouse (BW) bildet die Basis für die meisten Business-Intelligence-Lösungen im SAP-Umfeld. "Viele SAP-Anwender fühlen sich verpflichtet, BW zu installieren und zu verwenden, auch wenn es nur wenige erfolgreiche Deployments und jede Menge ?Shelfware? gibt." Trotzdem habe die Zahl der BW-Installationen 2004 signifikant zugenommen.

Doch auch für die anderen Player gibt es mittelfristig Chancen. Wachstumsimpulse für BI-Systeme und -Services bringen laut Bange Internet und Mobile Computing. Für Bewegung werde beispielsweise der Web-basierende und/oder mobile Zugriff auf Informationen sorgen, die in Echtzeit aus operativen Anwendungssystemen und zunehmend auch aus externen Datenquellen gewonnen werden. Bange führt aus: "Auch für das Management der Kundenbeziehungen (CRM) und der Lieferketten (SCM) ist eine konsistente Datenbasis nötig." Ergänzend könnten Kollaborationsfunktionen die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch vereinfachen.

Eine besondere Herausforderung für BI-Systeme der Zukunft sei die zusätzliche Integration unstrukturierter Informationen, beispielsweise von Dokumenten. Dazu Bange: "Was noch fehlt, ist allerdings die semantische Integration dieser unstrukturierten Informationen in die geordnete Welt der Kennzahlen." (hv)