IT-Berater und -Beratung/Konjunkturelle Probleme verdecken strukturelle Schwachstellen

Im Beratermarkt ist es eng geworden

11.07.2003
Der Markt für Software- und IT-Services (SITS) befindet sich seit zwei Jahren in einem rasanten Abschwung. Eine solche Situation ist für die vom Wachstum verwöhnte Branche neu.Von Tobias Ortwein*

Blickt man etwas weiter als nur ein, zwei Jahre zurück, so kann man erkennen, dass sich die Wachstumsraten für IT-Ausgaben wie Personal, Hardware oder Datennetze, ebenso wie für Software und IT-Services genau genommen bereits seit 1999 rückläufig entwickelt haben. Allerdings investierten die Anbieter angesichts vieler Jahre ungebrochener Wachstumssteigerungen (1993 bis 1998), neuer Technologie-Hypes (etwa E-Business), regulatorischer Zwänge, wie der Euro-Einführung oder dem anstehenden Jahr-2000-Wechsel kräftig weiter in den Aufbau von neuem Personal oder in die Entwicklung neuer Technologien. So kamen in den Jahren 2001/02 eine Reihe von Faktoren zusammen, die zu einer Überhitzung des IT-Marktes führten:

-Lange andauernde, schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.

-Wegfall außerordentlicher Hypes wie der Jahr-2000- und Euro-Umstellung sowie des E-Business.

-Überinvestition seitens der Finanzindustrie in den Neuen Markt (vor allem in IT-Anbieter), was auch mit zum "Börsencrash" führte.

-Unsichere politische Weltlage (11. September 2001, Wirtschaftskrisen in Lateinamerika und Japan, Irak-Krieg usw.)

Auch wenn sich die gegenwärtige Situation bereits seit längerem angedeutet hat, kam der Einbruch doch sehr rasch und unerwartet heftig. Anbieter von IT-Beratung sind besonders stark von der aktuellen Entwicklung betroffen. Denn gerade weil sich das Projektservices-Geschäft seit 1994 von der Entwicklung des gesamten IT-Marktes abgekoppelt hatte und deutlich besser "performte" als der restliche Markt, fiel der Absturz hier noch dramatischer aus.

Preiskampf und Wertverfall

Die "New Economy" - und hier speziell die IT-Berater - wurde plötzlich mit unerwartet großen Herausforderungen konfrontiert. War man in der Vergangenheit gefordert, regelmäßig ein mindestens zweistelliges Wachstum zu managen, so müssen viele Unternehmen nun zweistellige Umsatzeinbrüche - von nicht selten 20 Prozent und mehr - bewältigen. Daher tobt ein erbarmungsloser Preiskampf. Viele ehemalige "Shooting Stars" waren den neuen Bedingungen nicht gewachsen und haben es versäumt, sich rasch an die gewandelte Situation anzupassen. So sind Unternehmen wie Heyde völlig von der Bildfläche verschwunden, aber auch renommierte und wachstumsverwöhnte Anbieter wie Mummert Consulting oder Unilog Deutschland sind ins Straucheln geraten. Neben den internen Problemen forcierte die Marktsituation aber auch den Konzentrationsprozess. Am spektakulärsten war hier sicher die Übernahme des Beratungshauses Pricewaterhouse-Coopers (PWC) durch IBM im vergangenen Jahr.

Spezialisten trifft es am härtesten

Der Deal demonstrierte auch den heftigen Preisverfall für solche Übernahmen: IBM zahlte 3,5 Milliarden Dollar, während Hewlett-Packard zwei Jahre zuvor noch 18 Milliarden Dollar geboten hatte. Auch das Beispiel der verschobenen Umwandlung und Ausgründung von Deloitte Consulting (mit späterem Börsengang) in Braxton veranschaulicht, dass sich die Branche immer noch in einem Wertverfall befindet. Wurde im vergangenen Jahr Braxton noch eine große Zukunft à la Accenture vorhergesagt, sieht die IT-Consulting-Sparte von Deloitte Touche Tohmatsu nun vollkommen ungewissen Zeiten entgegen.

Am schlimmsten sind von der gegenwärtigen Situation sicher die Spezialisten betroffen, während die Generalisten aufgrund ihres breiten Serviceportfolios beziehungsweise ihres Branchenmixes eher mit den Gegebenheiten klarkommen. Größe ist heute ein klarer Wettbewerbsvorteil. Das gilt umso mehr für die Anbieter von IT-Services. Unternehmen wie IBM Global Services, T-Systems oder Siemens Business Services (SBS) haben die finanziellen Möglichkeiten, um den bereits erwähnten Preiskrieg durchzustehen und am Ende mit Marktanteilsgewinnen aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen. Dazu kommt das breite Leistungsspektrum der Unternehmen.

Dennoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass es auch unter den "kleineren" Anbietern durchaus Unternehmen gibt, die es verstanden haben, sich rasch an die neuen Marktbedingungen anzupassen und trotz eines schrumpfenden Marktvolumens zu wachsen. So erzielte die msg systems AG im vergangenen Jahr in Deutschland immerhin noch ein Wachstum von 13 Prozent allein im Umfeld von Projektservices. Erstaunlich ist auch, dass ein klassischer "Bodyleaser" wie die Hays Ascena AG in einem vor allem durch erheblichen Preisverfall gekennzeichneten Markt - ein Umsatzplus von immerhin fünf Prozent vorweisen konnte. Beide Firmen zeigen, wie sich mit starker Kundenbindung und Gespür für die Marktbedürfnisse auch in einem rückläufigen Umfeld noch Wachstum erreichen lässt.

Abzuwarten und darauf zu hoffen, dass der Markt wieder anzieht oder neue Technologien einen Aufschwung hervorrufen, ist heute für die Anbieter von Software- und IT-Services tödlich. Wenn der Markt für Projektservices wieder anspringen sollte, dann wird er es langsam tun und sich - bis auf einige Ausnahmen - mittelfristig auf einem einstelligen Wachstum einpendeln. Das ist jedoch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Denn auch wenn kein Hype wie das E-Business erkennbar ist, gibt es Themen, die neben den gerade aktuellen Verfahren zur Kostensenkung wie Standardisierung oder Homogenisierung interessante Potenziale aufweisen:

-In der öffentlichen Verwaltung: E-Government, Umstellung von Kameralistik auf doppelte Buchführung.

-Bei Banken: Basel II, die Umstellung auf International Accounting Standards (IAS).

-In der Pharmaindustrie: Qualitäts-Management, Security-Management.

In all diesen Bereichen gibt es Aufgaben für IT-Berater. Trotzdem sind die Zeiten endgültig vorbei, in denen man einfach "auf einer Welle mitschwimmen" konnte. Dafür ist der Markt zu eng geworden. Und wer darauf wartet, dass sich der mittlerweile entstandene Investitionsstau von alleine auflöst, der wird diesen Zeitpunkt nicht mehr erleben.

Damit der Markt für Software- und IT-Services wieder anspringt, müssen mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Neben einer Erholung der weltweiten Kapitalmärkte muss auch die deutsche Binnenkonjunktur wieder in Schwung kommen. Dann wird die Nachfrage nach IT-Dienstleistungen wieder steigen. Doch man darf sich nichts vormachen: Zwar kann es in kurzer Zeit relativ abrupt wieder aufwärts gehen, die Wachstumsraten der Vergangenheit sind jedoch passé.

Nicht zuletzt sind die Anwender zu vorsichtig geworden. IT ist mittlerweile für die Unternehmen nichts Neues mehr, sondern vielmehr ein integraler Bestandteil ihres Geschäfts. Das wird künftig immer mehr dazu führen, dass die Entscheidungen über IT-Vorhaben in die Fachabteilungen verlagert werden. Auch wenn es wie ein Widerspruch klingt: IT ist für die Unternehmen heute wichtiger denn je, wird aber in Zukunft nicht mehr die Aufmerksamkeit genießen wie noch vor einigen Jahren. Selbst die großen deutschen Kreditinstitute ziehen IT-Outsourcing in Erwägung. Daran war vor zwei Jahren überhaupt noch nicht zu denken, da die Geldhäuser ihre IT immer als Kerngeschäft betrachtet hatten (schließlich werden nahezu 100 Prozent der angebotenen Produkte und Dienstleistungen digital be- und verarbeitet).

Die Anforderungen an die IT haben sich geändert. Für die Anbieter von IT-Beratung, die es geschafft haben, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, bietet das durchaus auch Chancen. (rs)

*Tobias Ortwein ist Berater bei Pierre Audoin Consult (PAC) in München.

Abb: Wachstumsraten der IT-Ausgaben

Die gesamten IT-Ausgaben in Deutschland beinhalten die Kosten für Personal, Hardware, Software und IT-Services (SITS) und sonstige (wie Miet- oder TK-Kosten). Unter SITS werden die Ausgaben für Hardware und Wartung, Tools, Anwendungssoftware, Outsourcing und Projektservices erfasst. Quelle: PAC