Alleingang in fremden Ländern ist zu riskant

Ikoss: Grenzüberschreitung mit kompetenten Partnern

20.04.1990

Mit ihrem technologischen Know-how halt sie die Fertigung ganzer Fabriken am Laufen. Sie trägt entscheiden dazu bei, daß die deutsche Wirtschaft trotz höchster Löhne und kürzesten Arbeitszeiten weltweit bei der Produktivität ganz oben steh. Doch außerhalb der Branche ist die Stuttgarter IKO Software Service GmbH (lkoss) nahezu unbekannt.

Es kommt ihm bitter an, daß die Zahl ausländischer Mütter in der bundesdeutschen Software-Industrie rasch wächst. Peter Beyer, Geschäftsführer und Gesellschafter der von ihm 1970 gegründeten Ikoss, profilierte sich früh als strategischer Kopf der keimenden deutschen Software-Industrie. Unter einem Dach organisiert wollte er für mehr Beachtung der öffentlichen Auftraggeber sorgen damit eine Basis schaffen, auf der große, respektable Softwarehäuser entstehen können. Beunruhigt beobachtet er, über viele Jahre Software-Sprecher im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU, wie ausländische Software-Anbieter zunehmend bundesdeutsche Häuser als Vertriebskanal oder als bloße Übernahmekandidaten entdecken.

Noch viel zu selten, meint der Ikoss-Chef, weist der Pfeil in die umgekehrte Richtung - von bundesdeutschen Software-Anbietern gen West-, Süd- oder Nordeuropa. Er selbst hat mit seinem Management 1988 die Entscheidung getroffen, einen Vorstoß nach Spanien zu wagen. Damit will sich das Systemhaus für die Fertigungssteuerung und -planung, für elektronischen Zahlungsverkehr und Integration ein Standbein im europäischen Binnenmarkt aufbauen. Vor allem über die dort ansässigen und eigene Produktions-Standorte planenden deutschen Konzerne, zumeist Altkunden von lkoss, sollen die ersten Aufträge kommen. "Wir sind mit großen Adressen im Gespräch", verrät Beyer. Die Rede ist von den spanischen Niederlassungen des Medienmultis Bertelsmann, der Hoechst AG, VW-Seat, Bosch, aber auch dem japanischen Autobauer Nissan und der Spanien-Tochter von IBM.

Erstmals lassen sich die Stuttgarter bei einem EG-Partner nieder. Mit einer knappen Mehrheit von 51 Prozent ist lkoss an dem bislang 25 Mitarbeiter starken Unternehmen Multisoft Ingenieros S.A. beteiligt. Die verbleibenden 49 Prozent teilen sich Angestellte und der Firmengründer. Das Softwarehaus in Barcelona, die am schnellsten wachsende Industrieregion Spaniens, entwickelt vornehmlich technische Software. Eine Systemlösung zur Überwachung von Textilmaschinen ist mehrfach eingesetzt.

Mit Investitionen zwischen zwei und drei Millionen Mark, Anfangsverluste eingerechnet, will die schwäbische Software-Schmiede das Geschäft zügig ausbauen.

Gänzlich unerfahren ist das Stuttgarter Softwarehaus im internationalen Geschäft dennoch nicht. Mitte der 70er Jahre reiste Peter Beyer bereits mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth nach Moskau und vereinbarte das erste deutsch-sowjetische Software-Joint-venture, das jedoch aufgrund der damals noch sehr rigiden Cocom-Liste alsbald wieder einschlief. Erfolgreicher ist das Systemhaus mit einer Niederlassung in den USA sowie mit Geschäftsstellen in der deutschsprachigen Schweiz. Aber auch Agenturen in Japan und Frankreich vermarkten lkoss-Produkte. Daneben tut sich Beyer in China um, wo er im Sommer 1988 den Grundstein für die Ticoss Ltd. in Tianjin legte. Ein Drittel des Jahresumsatzes, der 1988 bei 85 Millionen Mark lag, erwirtschaften die lkoss-Leute im Ausland.

Wichtigstes Exportgut ist das Standard-Paket Aska, laut Beyer "ein echter Klassiker" im lkoss-Programm. Die Software zur Finite-Elemente-Berechnung entstand in den Anfangsjahren, als die Stuttgarter gezielt nach benutzerfreundlichen und vor allem wiederverwendbaren Programmen für technische Anwendungsgebiete forschten. Aska ist weltweit mittlerweile mehr als 150mal im Einsatz und damit eines der fahrenden Produkte auf diesem Spezialmarkt.

Darüber hinaus entwickelte lkoss Softwarepakete für die Fertigungssteuerung. Werkzeugverwaltung, Materialwirtschaft, jeweils für drei verschiedene Betriebssystemumgebungen: für SAA von IBM, VMS von Digital Equipment und Unix. Insgesamt sechs Millionen Mark nehmen die Schwaben aus Software-Lizenzen ein, ein relativ unbedeutender Posten gegenüber runden 80 Millionen Mark, die zum einen aus dem Beratungs- und Projektgeschäft erwachsen, zum andern aber auch aus dem Verkauf schlüsselfertiger Anwendungssysteme aus Software und Hardware.

Programmierer im Stand von Regierungsräten

Den Plan, eine universelle CAD-Software zu stricken, mußte lkoss allerdings Anfang der 80er Jahre begraben. Das staatlich geförderte Vorhaben das damals noch völlig eigenständige Softwarehaus teuer zu stehen. Mindestens 100-Mannjahre, schätzt Beyer, seien in ergebnislose Projekt geflossen. Viel zu viel für ein Unternehmen, das zwar hartnäckig einen Platz unter den Top Ten der bundesdeutschen Softwarebranche verteidigt, mit zirka 500 Beschäftigten aber eher zu den kleinen Mittelständlern zählt. Seit 1987 stärkt die Thyssen AG mit einer Drittel-Beteiligung dem Softwarehaus den Rücken.

Die Erlöse aus Standard-Moduln, so lautet ein wesentliche Unternehmensziel, sollen in den kommenden Jahren überproportional steigen. Nur auf diesem Weg sieht Beyer eine Chance, Software rationeller zu entwickeln und damit auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig zu sein. Dabei heiß das Ziel für ihn nicht Generalunternehmerschaft oder komplexe Standardpakete, sondern internationale Kooperation.

Heute arbeiten die Stuttgarter in Frankreich, England und Skandinavien mit ausländischen Partnerfirmen gemeinsam in großen Integrationsprojekten. Speziell für die integrierte Fertigungstechnik entwickeln die lkoss-Ingenieure wiederverwendbare Bausteine.

Über eine Kooperation mit dem französischen Flugzeughersteller Daussault hofft Beyer, auch einen Fuß westlich des Rheins setzen zu können. Seit drei Jahren vertreibt lkoss das CAD-Paket Catia, neben Cadam von Lockheed die am weitesten verbreitete Software auf diesem Sektor, und stellt deutsche Kunden einen Rundum-Service bereit: Schulung, Wartung, Anpassung, Integration sowie Anpassungsmodule und -prozessoren aus der eigenen Entwicklung. Bislang gleicht die Zusammenarbeit noch einer Einbahnstraße. Doch Beyer träumt von mehr: "Wir würden gern unser Produkt Aska dem Catia anhängen." Dies hätte zur Folge, daß der lkoss-Klassiker auch von der IBM, die Catia weltweit vertreibt, angeboten würde.

Ohne solche Kooperationen, so glaubt jedenfalls Peter Beyer, werden bundesdeutsche Software-Anbieter im Binnenmark wenig Chancen haben. Denn in Frankreich und England, aber auch in Skandinavien und den Beneluxländern, sind in den 70er Jahren weitaus mächtigere Software-Unternehmen herangewachsen als hierzulande - in Folge staatlicher Großaufträge. In der Bundesrepublik hingegen war die öffentlich-rechtliche Seite damit beschäftigt, eigene Programmier-Ressourcen aufzubauen. Beyer: "Scharenweise wurden Programmierer in den Stand von Regierungsräte gehoben." Dies war, so erinnert sich der lkoss-Chef, "die Gründerzeit für kommunale Rechenzentren, Technologiefabriken, Forschungsinstitute mit Privataufträgen". Wichtiger wäre ab gewesen, das Fundament eine wettbewerbsfähige Software-Industrie zu legen.

In diesem Versäumnis sieht Beyer den tieferen Grund, wenn die Bundesrepublik in den Augen ausländischer Anbieter intelligenter Dienstleistung eher als Entwicklungsland erscheint. Der lkoss-Chef ist allerdings auch der Überzeugung, daß mit Aufkäufen und Übernahmen noch kein Markt erobert ist. Im Gegenteil: "Meistens ist nach dem Management-Wechsel erst einmal die Dynamik weg."

Bundespost jetzt auch lkoss-Partner

Die IKO Software Service GmbH (lkoss), Stuttgart, hat einen neuen Partner: Neben der Thyssen AG, die seit 1987 eine Drittel-Beteiligung an dem Softwarehaus hält, ist künftig die Bundespost-Tochter Eucom ebenfalls mit einem Anteilsdrittel bei den Schwaben mit von der Partie. Die Holdinggesellschaft Eucom mit Sitz in Saarbrücken wurde vor anderthalb Jahren von der Deutschen Bundespost und von Cogecom, einem Unternehmen der France Telecom, gegründet. Aufgabe dieser Gesellschaft ist es, sich entweder an schon bestehenden Firmen zu beteiligen oder neue Unternehmen ins Leben zu rufen, um internationale, wettbewerbsfähige Mehrwertdienstleistungen (VANS) im Bereich der Telekommunikation zu entwickeln.

Nun wollen lkoss und Eucom diesen Bereich, den lkoss-Gründer und -Geschäftsführer Peter Beyer als einen der zukunftsträchtigsten Marktsegmente der Computerindustrie sieht, gemeinsam erschließen.

Noch bedarf die Transaktion allerdings der Zustimmung des Bundeskartellamtes in Berlin.