DEC, Unix und das "freie Telefon" sind die Favoriten:

IHA untersucht Schweizer DV-Zukunft

01.05.1987

HERGISWIL (CWS) - Das Institut für Marktanalysen (IHA) befragte rund 50 Schweizer Marketing-Fachleute von EDV-Anbieterfirmen zur Zukunft ihrer Branche. Marktanteile standen zur Diskussion, aber auch Unix und die Liberalisierungstendenzen in der Telekommunikation.

Die Befragung fand während einer Informationstagung der IHA statt. Sicher ist die Zahl der Befragten - rund 50 Marketing-Fachleute - nicht repräsentativ für die gesamte Branche. Dennoch soll die Kompetenz der Experten, so die IHA, ein "ziemlich klares zukünftiges Marktbild" gewährleisten. Mit den Wachstumschancen befaßte sich die erste Frage. Für die Bereiche Hardware und Software in Europa rechnen die Experten bis 1990 durchschnittlich mit einer jährlichen Wachstumsrate von 15,7 Prozent. Eine Situation wie in den USA, so glauben einige, wird in der Schweiz nicht eintreten. Die Euphorie, wie sie anfangs auf dem amerikanischen Markt herrschte, lasse sich nicht mit der gemäßigten Reaktion des eidgenössischen und europäischen Marktes vergleichen.

Zwar sei der Markt im Bereich Großcomputer einigermaßen gesättigt, gleichzeitig wird jedoch mit einem Nachholbedarf der kleineren Betriebe gerechnet. Die Anbieter erwarten auch einen Anstieg des Dienstleistungsanteils und damit verbunden höhere Wachstumsraten der EDV-Branche. Das Verhältnis der Aufwendungen für Hardware und Software wird sich zugunsten der Software verschieben. Dies ergaben die Antworten auf eine weitere Frage. Die Hälfte der Befragten glaubt, daß 1995 nur noch zwischen 30 und 40 Prozent der Kosten für Hardware anfallen werden. Diese Tendenz sei vor allem auf den fortschreitenden Preisverfall bei der Hardware zurückzuführen. Gleichzeitig steige der Bedarf nach gesamtheitlichen und komplexen Lösungen. Vor allem Netzwerk-Applikationen würden den Software-Aufwand bedeutend steigern.

Bei der Entwicklung wertmäßiger Marktanteile der bedeutendsten Hardwarefirmen bis 1990 in der Schweiz scheint vor allem die Digital Equipment Corp. (DEO die besten Karten zu haben. Sieben von acht Experten sind sich einig, daß das DEC-Team seinen Marktanteil noch erheblich vergrößern wird. Bedeutende Investitionen in Produkt-Entwicklungen und ein eher aggressives Marketing" wurden als Gründe für diese Prognose angegeben. Auch Nixdorf werde dank einer ähnlichen Strategie eine bessere Position erreichen, meinten die Befragten. Für die Firmen IBM, NCR und Hewlett-Packard seien hingegen kaum Positionsveränderungen zu erwarten. Unisys könnte wegen verschiedener Strukturprobleme gar Marktanteile verlieren.

Auch das Betriebssystem Unix war Bestandteil der Befragung. Nach Aussage der Anbieter sei auf dem Markt eine Tendenz zur Standardisierung von Software festzustellen. Zwei von drei Befragten nehmen an, daß sich dabei Unix durchsetzen werde. Eine Standardisierung wird aber in erster Linie vom Entscheid der IBM Corp. abhängig gemacht. Zu berücksichtigen sei jedoch auch, daß bei kleinen Systemen die Basis an Anwendungs-Software nach dem MS-DOS-Standard bereits zu groß sei, um MS-DOS noch zu verdrängen. Unix gilt auch nach wie vor als zu kompliziert in der Anwendung und wenig benutzerfreundlich.

Bei der Frage zur langfristigen Entwicklung der Schweizer Software-Industrie sind sich die Marketing-Fachleute nicht einig. Je ein Drittel nimmt an, daß die Bedeutung der Inland-Produktion steigen wird, daß ihr Anteil gleich bleibt oder daß sie gar an Terrain verliert. Als Begründung für eine Zunahme wird der Bedarf an landesspezifischer Software genannt. Ein Grund für die gegenwärtige Stagnation sei die ebenfalls stagnierende Ausbildung der Akademiker an den Hochschulen. Die schweizerischen Universitäten setzten, der ETH folgend, zum Beispiel auf Werkzeuge wie Modula. Dies könne die falsche Karte sein, meinen die Experten. Der Verlust an Terrain könne mit dem Fehlen einer großen treibenden Kraft in der Schweiz in Zusammenhang gebracht werden. Der Markt sei in zu viele kleine Unternehmen aufgesplittert, denen meist das Investitionspotential und die Kapazität zur internationalen Vermarktung ihrer Produkte fehlen.

Mehrere Fragen der IHA-Enquete drehten sich um den Komplex Telekommunikation. Zwei von drei Befragten nehmen an, daß die Liberalisierung im Endgeräteangebot in der Schweiz in den nächsten fünf Jahren weiter zunimmt. Neun Experten sind gar der Meinung, daß dann die Liberalisierung vollständig sein wird. Die Marketing-Fachleute verwiesen dabei auf das neue Fernmeldegesetz und monierten, daß die PTT ihre Monopolstellung weiter abbauen müsse, um mindestens die Anpassung an europäische Normen zu erreichen. Die Monopolpolitik wird als "falscher Protektionismus" bezeichnet, der der Schweizer Industrie und ihren Interessen entgegenwirke. Die "politische Schwerfälligkeit" gebe jedoch kaum Anlaß zu Hoffnung auf eine vollständige Liberalisierung.

Gut die Hälfte der Befragten geht davon aus, daß die Liberalisierung auch bei der Erstellung und dem Betrieb der Netze weitergehen wird. Die restlichen Experten glauben, daß der heutige Zustand bestehen bleibt.