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IG-Metall: HP-Compaq-Merger könnte bis zu 1800 Stellen in Deutschland kosten

20.03.2002
Die IG-Metall und der Compaq-Gesamtbetriebsrat befürchten, dass durch die Fusion mit HP bis zu 1800 Stellen bei Compaq Deutschland wegfallen werden.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Obwohl das endgültige Ergebnis der gestrigen Abstimmung, in der die Aktionäre von Hewlett-Packard (HP) über die geplante Übernahme von Compaq entschieden haben, noch nicht offiziell feststeht, geht das HP-Management von einer "dünnen, aber ausreichenden" Zustimmung für den Merger aus (Computerwoche online berichtete). In diesem Fall sollen 15.000 Mitarbeiter weltweit in beiden Konzernen entlassen werden. In Deutschland befürchten die IG-Metall und der Compaq-Gesamtbetriebsrat einen mittelfristigen Abbau von bis zu 1000 Arbeitsplätzen in der Länderorganisation des PC-Herstellers. "Wir befürchten, dass weitere zirka 800 Arbeitsplätze im ehemaligen europäischen Hauptquartier von Compaq in Dornach bei München sowie auch eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen bei HP wegfallen werden,"

erklärte Christian Brunkhorst, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Compaq, gegenüber der COMPUTERWOCHE.

Die Gewerkschaft und der Compaq-Gesamtbetriebsrat haben das HP-Management in einem offenen Brief dazu aufgerufen, sofort mit Gesprächen zu beginnen, um einvernehmliche Lösungen für die Zusammenführung der deutschen Tochtergesellschaften von HP und Compaq zu finden. Das teilten die Interessensvertretungen in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit. IG-Metall-Sprecher Uwe Meinhardt erklärte, man wolle sich dafür einsetzen, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Ferner soll verhindert werden, dass die Compaq-Geschäftsfelder einfach von HP einverleibt werden. "Wir sollten die Chance nutzen, aus den Unternehmenskulturen und Arbeitsbedingungen beider Firmen das Beste herauszusuchen und damit ein neues, zukunftsfähiges Unternehmen aufzubauen", fügte Brunkhorst, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Compaq, hinzu. Dies werde jedoch nicht einfach werden, da es große Unterschiede in den Interessenslagen der beiden Firmen gebe, hieß es

weiter.

Gerade die anstehende Verschmelzung der unterschiedlichen Unternehmenskulturen sehen viele Betroffene als problematisch. So demonstrierten bei der gestrigen Aktionärsabstimmung im kalifornischen Cupertino mehrere HP-Mitarbeiter gegen die Fusion. Sie sehen vor allem den traditionellen "HP Way" gefährdet, mit dem die flache Management-Hierarchie sowie das auf die Bedeutung des einzelnen Mitarbeiters bauende System des kalifornischen IT-Konzerns bezeichnet wird. Dem HP Way wird die ungewöhnlich hohe Loyalität der Angestellten zum Unternehmen zugeschrieben.

Mary Ann Gorski, eine ehemalige HP-Mitarbeiterin und Aktionärin des Konzerns, stimmte gegen den Deal, da sie gerade den HP Way in Gefahr sieht. Zudem habe sich das HP-Management zu sehr auf die künftigen Profite konzentriert und sich bei seinen Merger-Überlegungen zu wenig auf die Moral im Unternehmen oder die Angestellten gekümmert. "Die HP-Mitarbeiter, mit denen ich gesprochen habe, sind der Meinung, dass die Führungskräfte die dicken Scheine einstecken und die unteren Angestellten ihren Job verlieren werden", fügte sie hinzu.

Gerade in der emotionalen Bindung der Angestellten zu HP sieht Jim Avera, ein weiterer ehemaliger HP-Mitarbeiter, den Grund für die aufgeheizte Debatte der Merger-Gegner und -Befürworter. "Die Angestellten und Pensionäre des Unternehmens beweinen die guten alten Zeiten", erklärte er. "Was den finanziellen Erfolg betrifft, ist der Merger sicher die beste Alternative. Das Problem ist jedoch die Tradition von HP."

Auszählung könnte Wochen dauern

HP-Chefin Fiorina erklärte am gestrigen Dienstag, die Abstimmung sei knapp für die Fusion ausgegangen. Sie stützte sich dabei auf die bereits im Vorfeld der Hauptversammlung abgegebenen Stimmen. Merger-Gegner Walter Hewlett hingegen will die endgültige Auszählung der rund 900.000 Wahlzettel abwarten. Denn die HP-Aktionäre hatten die Möglichkeit, mehrmals abzustimmen, wobei nur die zuletzt abgegebene Stimme zählt. Beobachter rechnen damit, dass die Auswertung der Wahl aufgrund des engen Ergebnisses Wochen dauern könnte. Ein Hewlett-Vertrauter erklärte, dass der Vorsprung von HP, wenn er sich denn bewahrheiten sollte, sich auf weniger als ein Prozent der Stimmen (20 Millionen HP-Anteile) belaufe. Diese Zahl wollte Fiorina nicht bestätigen.

Die Abstimmung, die für acht Uhr morgens Ortszeit angesetzt worden war, wurde um rund 30 Minuten verschoben. Nach Angaben des "Wall Street Journal", das sich auf einen Insider im Hewlett-Lager beruft, sei die Verzögerung durch Lobbying-Bemühungen von HP zustande gekommen. Das Management habe bis zuletzt versucht, große institutionelle Investoren wie Deutsche Asset Management in ihrem Sinne umzustimmen. Angeblich hat diese Einheit der Deutschen Bank AG, die mit ihren rund 25 Millionen HP-Anteilen eigentlich gegen den Deal stimmen wollte, ihre Meinung noch geändert. So soll der Investor schließlich mit der Hälfte seiner HP-Aktien für die Fusion gestimmt haben. Eine HP-Sprecherin hingegen erklärte, dass man den Start der Abstimmung nur deswegen verschoben habe, weil viele Anleger Parkprobleme hatten.

Pfiffe für Fiorina

Vor der Stimmabgabe richteten Hewlett und Fiorina einige letzte Worte an die Aktionäre. Während Hewlett mehrfach durch Applaus und stehende Ovationen unterbrochen wurde, handelte sich Fiorina einige Pfiffe und Buh-Rufe der Kleinaktionäre ein. Besonders ihre Beteuerung, dass die Mehrheit der HP-Angestellten den Merger befürworte und verstehe, erregte den Unmut des Publikums. Sie entgegnete lediglich: "Meine Damen und Herren, das sind die Fakten."

Auch wenn sich das von HP angekündigte Abstimmungsergebnis bewahrheiten sollte, würde Hewlett gern weiterhin Mitglied des HP-Verwaltungsrats bleiben, erklärte er. Bis die Auszählung der Stimmen abgeschlossen ist, werde er sich jedoch seinen Aktivitäten als "Musiker und Akademiker" widmen, fügte Hewlett augenzwinkernd hinzu. Mit dieser Bemerkung spielte er auf die früheren Versuche von HP an, Hewlett als inkompetent in Business-Angelegenheiten darzustellen (Computerwoche online berichtete).

Am heutigen Mittwoch stimmen die Compaq-Aktionäre über die Fusion mit HP ab. (ka)