Von der Waschmaschine bis zum Herd - IoT verbindet alles

IFA 2017: Beim Trendthema Smart Home fehlen die Aggregatoren

04.09.2017
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Das Smart Home geht auf der IFA 2017 in die zweite Runde: Nach den Apps zur Steuerung, steht jetzt die KI-gestützte Steuerung aus der Cloud auf dem Programm. Vom Saugroboter bis zum Herd kennt die Connectivity kaum noch Grenzen.

Neben neuen Fernseher, hochauflösenden Videoformaten und noch klangvolleren Surround-Verfahren hat die Internationale Funkausstellung 2017 (IFA) vor allem ein Mega-Trendthema: Das Smart Home und die entsprechenden IoT-Devices. Dem Thema widmet die Messe in diesem Jahr gleich zwei dedizierte Hallen: In der Halle 26 haben IoT-Startups auf der Messe ihr eigenes Forum und die Halle 6.2 ist dem Smart Home gewidmet.

Welche Bedeutung das Thema Smart Home künftig wirtschaftlich für den Standort Deutschland hat, zeigt eine neue Studie, die der eco - Verband der Internetwirtschaft gemeinsam mit Arthur D. Little (ADL) zum Start der IFA veröffentlichte. Der Studie "Der deutsche Smart-Home-Markt 2017 - 2022. Zahlen und Fakten" zufolge gehörte der deutsche Smart-Home-Markt in den nächsten Jahren zu dem am stärksten wachsenden Segmenten (durchschnittlich plus 26,4 Prozent). Der Umsatz soll sich bis 2022 auf 4,3 Milliarden Euro verdreifachen.

Großes Angebot an Sensoren

Doch wie sieht das Smart Home 2017 in den Augen der Hersteller nun wirklich aus? Zumindest eines ist sicher, die Zeiten, in denen es genügte, smarte IoT-Sensoren und Aktoren miteinander zu verbinden, sind vorbei. Vom Fenstersensor über den Temperatursensor bis hin zum Wind- und Regenmesser sind auf der Messe eine Unzahl von Sensoren zu finden. Darunter findet der Besucher durchaus das eine oder andere Highlight, wie etwa den Radarsensor des israelischen Startups Vayyar.

Das Modul des Unternehmens besteht aus bis zu 24 Transceivern und kann für unterschiedlichste Zwecke genutzt werden. Etwa um in Einkaufsregalen mit Hilfe der Radartechnik eine automatische Inventur durchzuführen, oder Wände mit einem 3D-Scan zu untersuchen. So sind nicht nur die verbauten Materialien sichtbar, sondern auch Wasserleitungen und Stromkabel sind unterscheidbar. Geht es um die Übertragungsstandards mit denen die IoT-Sensoren kommunizieren, dann scheint sich neben ZigBee in Europa langsam auch Z-Wave durchzusetzen.

Daneben gibt es natürlich noch eine Reihe von Herstellern, die auf ihre eigenen Übertragungsstandards setzen. Allerdings darf bezweifelt werden, dass dies mittelfristig eine erfolgreiche Business-Strategie ist, denn eins zeigte die eco/ADL-Studie deutlich: Die Verbraucher wünschen sich kompatible Lösungen, die möglichst per Plug-and-Play ohne Informatikstudium zu installieren sind.

Knackpunkt Interoperabilität

Und davon ist die Generation 2017 sind noch meilenweit entfernt. Meist funktioniert die umfassende Interaktion nur im eigenen Markenkosmos und es lassen sich lediglich einfache Smart Devices wie intelligente Lampen von Drittherstellern einbinden. Die Vorstellung, dass etwa der intelligente Kühlschrank von Samsung die Waschmaschine von Siemens steuert und gleichzeitig der IoT-Klimaanlage von LG Anweisungen erteilt bleibt vorerst eine Wunschvorstellung. Auch wenn jeder Hersteller bei den Präsentationen auf seinem Stand betonte, dass er offen sei.

Der Family Hub

Als Steuerzentrale des Smart Home dient im Jahr 2017 vor allem der Kühlschrank in der Küche. Als "Family Hub" soll er etwa bei Samsung den Staubroboter steuern oder die Waschmaschine starten. Hierzu verfügt das Gerät über einen Touchscreen, der zudem mit Apps, Rezepten etc. bestückt werden kann und bei den entsprechenden Lieferdiensten Nachschub ordert. Per Mirroring-Funktion können zudem die Inhalte des Smartphones oder Tablets genutzt werden, also während des Kochens in der Küche etwa WhatsApp genutzt oder die Lieblingssoap betrachtet werden.

Ähnlich sieht es beim Konkurrenten LG aus, der sein IoT-Angebot unter dem Label Smart ThinQ vermarktet. LG startet seine Kühlschränke mit WebOS und Windows 10 als Betriebssystem aus. Die Rolle der Steuerzentrale übernimmt hier jedoch ein HubRobot. Grundsätzlich setzt der Hersteller unter der Bezeichnung DeepThinQ bereits stark auf die KI-Karte, was auch Anwendungen wie ein Airport Guide Roboter zeigen. Ansonsten reicht die Palette der vernetzten Geräte bei LG von Robotern, Rasenmähern, Staubsaugern, Herd, Lautsprecher und Klimaanlage ebenfalls bis hin zur Waschmaschine.

Smart Home Made in Germany

Einen etwas anderen Ansatz fährt man bei Bosch. Nach dem der Hersteller sein Angebot an vernetzbaren großen Hausgeräten bereits letztes Jahr komplettiert hat - es reicht mittlerweile von Backofen und Kochfeld über die Dunstabzugshaube, den Geschirrspüler und den Kühlschrank bis hin zur Kaffeemaschine. All diese Modelle können über die Home Connect App von überall aus gesteuert und überwacht werden. 2017 stehen nun die kleinen Hausgeräte im Fokus der Vernetzung. So etwa der Staubsaugerroboter Roxxter.

Auch bei den großen Hausgeräten gibt es Zuwachs. So bringt Bosch bringt mit dem KGN56HI3P ein Frost-Kühl-Gefrier-Kombination mit integrierten Kameras auf den Markt. Gleichzeitig erweitert das Unternehmen seine Services etwa um einen Smart Storage Guide. Die Funktion gibt im Zusammenspiel mit der Kühlschrank-Kamera klare Hinweise zur idealen Lagerung, damit Lebensmittel so lange wie möglich haltbar bleiben.

Beim Einkauf selbst erlaubt die Home Connect App auf dem Smartphone einen Blick aus der Ferne in den Kühlschrank, ob noch Milch oder Butter im Haus sind. Und dank des im Geschirrspüler integrierten Tab-Counters weiß die Home Connect App jederzeit, wie viele Tabs noch vorhanden sind. Per Push-Nachricht erinnert die App daran, Tabs beim nächsten Einkauf mitzubringen.

Wäsche scannen

Noch in der Konzeptphase befindet sich eine andere Neuerung für das Smart Home: Der Hand-Scanner X-Spect. Seine Sensoren sollen für das menschliche Auge unsichtbare Informationen von Lebensmitteln ermitteln und auswerten. So kann er beispielsweise Auskunft über den Reifegrad von Obst und die Frische von Eiern geben.

Auch die Zusammensetzung der Nahrung nach Nährwerten wie Zucker, Fett oder Eiweiß erkennt das smarte Gerät. Doch das Einsatzgebiet des Scanners reicht noch weiter. Er soll auch bei der Wäschepflege helfen. Das Gerät erkennt, wie es heißt, Flecken aufgrund ihrer Zusammensetzung, ebenso wie Textilarten und Farben und gibt Empfehlungen zum richtigen Wasch-, Trocken- und Bügelprogramm.

Sprachsteuerung ist im Trend

Wenig verwunderlich ist denn auch, dass die gleichen Neuerungen auf der IFA bei Siemens unter dem Begriff Connected Kitchen zu sehen sind. Schließlich ist BSH die Marken-Lizenznehmerin der Robert Bosch GmbH für die Marke Bosch und der Siemens AG für die Marke Siemens. So setzen denn auch beide Hersteller weiterhin auf Mykie, den im letzten Jahr vorgestellten Roboter-ähnlichen smarten Assistenten. Überhaupt wird das Thema Virtual Private Assistants (PVA) auf der diesjährigen IFA groß geschrieben: Kaum ein Hersteller, der nicht mit einer Unterstützung für Amazon Alexa oder Google Home aufwartet.

Oder wie es Lars Riegel, Principal bei Arthur D. Little forumliert: "Alexa und Google Home schlagen wie ein Bombe ein." Hieß es bislang, "Ich bin smart, ich habe eine App", so Riegel weiter, "ist das Credo nun, ich bin smart und habe Alexa-Skills." Ein Motto, das nicht nur auf die großen Haushaltsgeräte-Hersteller gilt, sondern auch für kleinere Geräte. Selbst bei Netzspeichern (NAS) hält das Thema Smart Home und Alexa mittlerweile Einzug. So hat etwa Western Digital mit der MyCloud Home ein NAS vorgestellt, die in Sachen Smart Home mit einer Unterstützung für Z-Wave-Devices aufwartet. Und im Herbst soll die Sprachunterstützung per Alexa folgen.

Die Intelligenz sitzt dabei in der Cloud. Ein Ansatz, den mittlerweile alle Hersteller verfolgen. Allerdings ist diese Vorgehensweise, wie Riegel zu bedenken gibt, für den Verbraucher nicht ohne Risiko. Sollte ein Hersteller nämlich nach zwei bis drei Jahren feststellen, dass sich seine Smart-Home-Angebot nicht rechnet und den Cloud-Service einstellen, dann sitzt der Endkunde womöglich auf teurem Elektronikschrott, den er nicht mehr richtig nutzen, weil die Cloud-Unterstützung fehlt.

Unter dem Strich so Riegel weiter, basiere das Gros der heutigen Lösungen auf einem Single-Point-Ansatz, sprich sie sind auf die Produkte des jeweiligen Anbieters fokussiert. Riegel zufolge fehlen heute im Smart-Home-Business noch die Aggregatoren, die als Service die unterschiedlichen Plattformwelten miteinander verbinden. Einer der wenigen Aggregatoren, die sich bereits heute diesem Thema widmen ist das deutsche Startup Mozaiq. Es versteht sich als eine Art Inkubator, das die unterschiedlichsten Player über seine Cloud-Plattform zusammenbringt, um so neue Services zu ermöglichen. Das kann etwa der Hersteller einen Wassersensors sein, der via Cloud mit einer Versicherung für Wasserschäden verknüpft wird.

Das Schöne an der Lösung, die entsprechenden Verknüpfungen und Verbindungen werden einfach per drag and drop auf einer grafischen Benutzeroberfläche zusammengestellt. Um die entsprechenden APIs kümmert sich im Hintergrund Mozaiq auf seinem Cloud-Marktplatz.

Neben den fehlenden Aggregatoren weist das Smart Home des Jahres 2017 noch eine weitere offene Flanke auf: das leidige Thema Security. Auf die Frage, wie lange es denn für die smarten Haushaltsgeräte Updates gibt, um eventuelle Sicherheitslöcher zu stopfen, herrscht auf den meisten Ständen betroffenes Schweigen. Zumindest bei Samsung, der Hersteller will bis 2020 alle seine Geräte IoT-ready haben, verfolgt man eine konkrete Idee. Die aus dem Smartphone-Business bekannte Security-Lösung Knox für professionelle Smartphone-Nutzer, soll die Sicherheitsbasis für alle IoT-Devices werden.