Digitale Transformation

Ideen und Use Cases - Harte Währung in der Digital Economy

24.04.2014
Von 
Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.
Die Identifikation tragfähiger Use Cases und die Entwicklung neuer Geschäftsideen zur "Digitale Transformation" sind schwieriger als viele denken. Die Digitalisierung verändert das Geschäft der IT-Dienstleister.

Die "Digitale Transformation" weckt große Erwartungen. CEOs sehen ein Meer an Innovationen vor sich und träumen von schlanken Prozessen, automatisierten Produktionsabläufen, enger Kundenbindung und neuen Geschäftsmodellen. Die IT-Anbieter freuen sich schon auf das zusätzliche Umsatzpotenzial. Denn im Goldrausch lassen sich Schaufeln und Ausrüstung besonders gut verkaufen.

Digital Transformation - Gute Ideen werden zur Leitwährung

Foto: itestro - Fotolia.com

Aber so einfach gestaltet sich die "Digital Transformation" in der Praxis nicht, auch wenn der Gesamtkuchen mit rund 5,1 Milliarden Euro in 2014 in Deutschland (Quelle Crisp Research) schon recht groß ist. Denn die CIOs haben weder die Lust noch das Budget, neue Projekte zu finanzieren, nur weil diese das schöne neue Label "Digital" tragen. Ganz zu Recht wird intensiv nachgebohrt und detailliert nach dem Wert- und Innovationsbeitrag für den individuellen Unternehmensfall gefragt. Und hier tun sich viele Beratungs- und Integrationsdienstleister noch schwer. Denn die Identifikation und prototypische Entwicklung neuer Ideen und Geschäftsmodelle ist in der Praxis keine leichte Aufgabe. Darum avancieren neue digitale Geschäftsideen und branchentypische "Use Cases" zur neuen Leitwährung im Digital Business. Um diese wetteifern interne Innovations-Units, Venture Capital-Firmen sowie externe Beratungspartner.

Digitale Ideenmaschine - Wie innovative Use Cases entstehen

Um die digitale Transformation in den Unternehmen zu unterstützen, müssen die IT-Beratungs- und Integrationspartner eine Reihe bestimmter Skills mitbringen (siehe Nah am Kunden - aber wie? Welche Integratoren heute schon die Sprache der Digital Natives sprechen). Doch diese sind nur eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung, um wirklich innovative Konzepte zu entwickeln.

Disruptive Geschäftsideen und nachhaltig tragfähige Geschäftsprozess-Innovationen entstehen meist nur in ganz bestimmten Konstellationen. Es braucht die richtigen Personen, mit den richtigen Skills und zudem die richtigen Rahmenbedingungen und Formate für eine kreative und produktive Zusammenarbeit. Und diese fehlt meist in den klassischen Beratungs-, IT- und Outsourcing-Projekten. Diese setzen meist noch zu sehr auf vorgegebene Routinen und standardisierte Konzepte. Aber "one size fits all" bringt nicht jene radikal gute Ideen hervor, die es braucht, um im Digital Business vorne mitzuspielen.

Gefragt ist vielmehr Raum für offene Ideengenerierung (Ideation), Entwicklung von Prototypen und Proof-of-Concepts. Mit den neuen agilen Software-Entwicklungsmethoden und dynamischen Cloud-Plattformen (PaaS) sind solche Ansätze nicht nur kostenseitig abbildbar, sondern auch zeitlich vertretbar. Was früher in vier Wochen nur auf Powerpoint-Ebene gedacht werden konnte, lässt sich heute mit einem guten Team in gleicher Zeit als software-basierter Prototyp realisieren, testen und in Szenarien modellieren.

Da viele CIOs und Innovations-Manager in den Anwenderunternehmen dies mittlerweile verinnerlicht haben, wird es für die IT-Integratoren derzeit immer schwieriger vom Start weg großvolumige Projekte zu verkaufen. Die Anwender wollen den Erfolg im Kleinen sehen und erfahren, dass auch die IT-Anbieter und deren Integrationspartner die digitale Transformation ernst meinen, die sie im Begriff sind zu vermarkten. "Eat your own dog food" lautet hier das Motto, das den IT-Integratoren, Beratern und Service Providern entgegenschallt. Um sich das Vertrauen der Anwender zu verdienen, tun die IT-Dienstleister also gut daran, ihr Beratungs- und Service-Portfolio an diese neuen Anforderungen anzupassen. Ist dies geschafft und das Vertrauen der Kunden in der Pilotphase gewonnen, warten auch attraktive Projektvolumina auf die Dienstleister.

Crisp Research sieht in den kommenden 24 Monaten folgende Trends auf die IT-Dienstleister zukommen:

• Projekte werden weiter modularisiert beziehungsweise aufgeteilt.

• Eine hohe Beratungskompetenz kombiniert mit der schnellen Entwicklung von Demos, POCs und Prototypen sind die Einstiegsvoraussetzung für große Deals und dienen als vertrauensbildende Maßnahme.

• Cloud-Integrations-Know-How zählt in der "API-Economy" zu zentralen technischen Skills, da immer mehr Projekte die Einbindung externer Cloud-Dienste erfordern.

• Projektlaufzeiten verkürzen sich; agile Entwicklungs- und Projektmanagement-Methoden werden zum Standard.

• Neue Formate wie Innovation Labs, Developer Days oder Open Innovation-Ansätze ergänzen die klassischen Beratungs- und Integrations-Services.

Use Cases als Grundlage für erfolgreiche Marktbearbeitung

Ist in einer frühen Marktphase das Vertrauen der Anwender in die neuen Lösungen (zum Beispiel cloud-basierte Marketing Automation) noch nicht gefestigt, stellen aussagekräftige Use Cases und Referenzen die Basis für eine erfolgreiche Marktbearbeitung dar. Use Cases transportieren eben jenen Mix aus konzeptioneller Stärke, Branchenerfahrung und technischer Umsetzungskompetenz, die seitens der Anwender geschätzt wird.

Da die Identifikation, Entwicklung und mediale Aufbereitung solcher Use Cases eine Menge Arbeit ist, können Anwender davon ausgehen, dass IT-Dienstleister und Technologie-Anbieter, die auf eine Vielzahl eigener Use Cases zurückgreifen können, über eine ausgewiesene Kompetenz verfügen- oder zumindest die Anforderungen ihrer potenziellen Kunden und Zielsegmente kennen. Folgt man dieser Logik und berücksichtigt auch die Komponente des lokalen Bezugs, so ergibt sich folgende Bewertung der führenden zehn Dienstleister:

Foto: Crisp Research

Im Hinblick auf die Anzahl, Qualität und den lokalen Bezug der Use Cases liegen T-Systems, IBM und Accenture derzeit in Führung. So liefert T-Systems eine große Bandbreite an Use Cases - vom intelligenten Koffer bis hin zur sensorgesteuerten, optimierten Lagerhaltung von Großbrauereien. Auch IBM liefert eine Reihe Use Cases aus konkreten Kundenprojekten mit deutschen und europäischen Kunden. Von Warenkorbanalysen zur Optimierung der eCommerce-Aktivitäten eines Fotodienstleisters bis hin zum automatisierten Marketing-Kampagnenmanagement eines europäischen Anbieters im Buch- und Medienhandel.

Die mediale Aufarbeitung und Lokalisierung der Use Cases sowie deren Verfügbarkeit für interessierte Anwender und Pressevertreter sind je nach IT-Dienstleister sehr unterschiedlich. Während T-Systems, IBM und Team Neusta hier einen guten Job machen, sucht man bei anderen IT-Dienstleistern deutlich länger. So hat beispielsweise die UDG - als umsatzstärkste Digital-Agenturgruppe in Deutschland - ihre Referenzen und Use Cases im Rahmen des eigenen Website-Relaunches gleich ganz gestrichen. Schade!

Neben den allseits bekannten IT-Dienstleistern spielen die Digital Marketing Agenturen eine immer größere Rolle und haben ihr Beratungs- und Service-Spektrum deutlich erweitert. Sie begleiten ihre Kunden auch prozess-seitig in Richtung Multi-Channel-Vertrieb, Marketing Automation oder Digitalisierung einzelner Prozesse. Hier sind aus Perspektive von Crisp Research vor allem der Agenturverbund UDG, Team Neusta und HmmH Multimediahaus zu nennen, die mittlerweile eine Reihe Kunden und Projekte vorweisen können.

Vom Digital Storytelling zum Digital Business

Um vom Digital Storytelling zum Digital Business zu gelangen, braucht es natürlich mehr als nur schöne Use Cases. Dennoch erfüllen diese in der jetzigen Marktphase eine wichtige Funktion. Crisp Research rät daher allen IT-Dienstleistern gleichermaßen, ihre Anstrengungen in diesem Bereich weiter auszubauen. Noch sind die Anwender vom Digital Transformation-Trend nicht komplett überzeugt. Dies geht nur mit intelligenten, gut aufbereiteten und "echten" Use Cases, Referenzen und Case Studies. Gemessen an der sonstigen Marketingflut sind diese immer noch unterrepräsentiert. Eine gute Chance für smarte Vertriebs- und Marketingleute! (jha)