Auswirkungen der GDPdU auf Archivdaten

Idea-Client erleichtert digitale Steuerprüfung

14.11.2003
Bereits seit Anfang 2002 gelten die "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen" (GDPdU), doch die Unternehmen sind bislang kaum auf den elektronischen Zugriff der Finanzverwaltung vorbereitet. Nun stellen immer mehr von ihnen fest, dass die Zeit davonläuft, denn die nächste Prüfung der Daten durch die Behörden kann bereits digital erfolgen.Von Ulrich Kampffmeyer und Stefan Groß*

Verunsicherung in der Vorbereitung auf die GDPdU herrscht bei vielen Unternehmen noch in Bezug auf die elektronische Archivierung steuerrelevanter Daten und die Frage, wie man diese über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren vorhalten soll. Anbieter elektronischer Archivsysteme waren mit schnellen Ankündigungen GDPdU-konformer Lösungen zur Hand, ohne eigentlich zu wissen, welche Anforderungen die Finanzverwaltung hier stellt. Auch die Flut diverser Checklisten und Leitfäden schaffte keine Klarheit.

In den jüngst erfolgten Stellungnahmen hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) deutlich gemacht, dass es weder für Speichersubsysteme noch für Archivsysteme eine Zertifizierung geben wird. Damit erübrigen sich auch die Diskussionen um die Marketing-Slogans über eine GDPdU-konforme Archivierung und das "richtige" Speichermedium. GDPdU-Konformität beschränkt sich auf die Vollständigkeit und Auswertbarkeit der Daten selbst - und das ist die Angelegenheit der Systeme, in denen sie erzeugt werden.

Nur vollständige Dateien auslagern

Für viele Anwender stellt sich jedoch nach wie vor die Frage, in welchem Bereich der Unternehmens-DV die Daten samt Auswertungsmöglichkeiten für den unmittelbaren beziehungsweise mittelbaren Zugriff der Finanzverwaltung vorgehalten werden sollen. Die Abgabenordnung (AO) geht von einer Auswertung im Datenverarbeitungs- und damit im Haupt- oder Produktivsystem aus. Angesichts der Aufbewahrungsfristen von sechs oder zehn Jahren ist die Auslagerung von Datenbeständen aus dem Produktiv- in ein Archivsystem besonders bei mittleren und größeren Anwendungen jedoch der Regelfall. Die Daten haben also bereits vollständig und auswertbar zu sein, wenn sie an das Archivsystem übergeben werden.

Zudem müssten archivierte Daten für den unmittelbaren und mittelbaren Zugriff bei Bedarf in das laufende System zurückgespielt werden, um eine Verarbeitung mit den dort vorhandenen Auswertungsprogrammen zu gewährleisten. Doch genau hier entstehen große technische Probleme, da ein Zurückladen dieser alten Daten in der Regel zu Unverträglichkeiten mit den inzwischen aktualisierten Hauptsystemen führt. Dies betrifft nicht nur die auszuwertenden Daten, sondern besonders die Strukturinformationen und veränderte Stammdaten. Einfacher wäre es, archivierte Daten durch einen direkten Zugriff auf das Archivsystem auszuwerten. Die meisten Lösungen bieten dafür jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten an.

Ein Weg aus dieser Archivierungsproblematik bestünde in einem universellen Auswertungsprogramm. Dieser Ansatz wurde von Stefan Groß, Bernhard Lindgens und Philipp Matheis in dem Artikel "Rückstellung für Kosten des Datenzugriffs der Finanzverwaltung" (DStR, Heft 23/2003, Seite 921) erstmals umfassend beschrieben. Hier heißt es, wenn Archivsysteme selbst nicht über die Auswertungslogik des Hauptsystems verfügen, wenn sie nur noch vollständige, auswertbare steuerrelevante Daten übernehmen und auf Anforderung wieder bereitstellen, muss die Auswertbarkeit dieser Daten mit anderen Mitteln gewährleistet werden. Dabei kommt natürlich sofort das Programm "Idea" ins Spiel, mit dem die Finanzbehörden prüfen.

Das BMF scheut sich aber, ein einzelnes Produkt wie Idea offiziell zu verankern. Konkurrierende Software wie ACL darf nicht benachteiligt werden. Eine Festlegung auf Idea brächte allerdings den Vorteil, dass die Funktionalität und die benötigten Strukturen bekannt sind. Will man dagegen in entsprechenden Vorgaben einen neutralen Begriff wie "universelles Auswertungsprogramm" benutzen, muss auch der Funktionsumfang neutral definiert werden. Sonst greift eine Formulierung aus dem Fragen- und Antwortenkatalog des BMF vom März 2003 nicht: Hier heißt es sinngemäß, dass für die in Archivierungssysteme ausgelagerten steuerrelevanten Daten gleichwertige Auswertungsfunktionen vorhanden sein sollen wie im erzeugenden System (Frage und Antwort Nr. 11). Die Funktionen von Programmen wie Idea oder ACL sind aber nicht immer gleichwertig etwa zu den Auswertungs-Tools komplexer betriebswirtschaftlicher Software.

Archive brauchen keine Auswertungsfunktion

Inzwischen hat die Diskussion zu einer Klarstellung geführt: Elektronische Archivsysteme müssen selbst keine Auswertungsfunktionen wie ein Hauptsystem oder ein universelles Auswertungsprogramm besitzen. Sie unterliegen jedoch folgenden GDPdU-Anforderungen:

-Es muss ein "wahlfreier Zugriff mittels eines Programmes" gewährleistet sein, das die archivierten Daten vollständig bereitstellt.

-Die Speicherung muss so erfolgen, dass die Unveränderbarkeit der Daten sichergestellt ist.

-Das Archivsystem muss in quantitativer und qualitativer Hinsicht Auswertungsmöglichkeiten zulassen, die denen des Hauptsystems entsprechen.

"Maschinell verwertbar" - auch nach Jahren

Während in anderen Gesetzen immer nur von Speicherung und Aufbewahrung die Rede ist, wird in den GDPdU konkret von digitalen Speichermedien und Archivierung gesprochen. Unter Verweis auf die entsprechenden Passagen in der Abgabenordnung heißt es: "Originär digitale Unterlagen nach § 146 Abs. 5 AO sind auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu archivieren." Der Begriff maschinell verwertbarer Datenträger impliziert, dass es einen Zugriff auf die Daten auf dem Speichermedium gibt. Im Prinzip ist das für elektronische Archivsysteme eine Selbstverständlichkeit, da sie in der Regel über eine Datenbank zielgenau die gewünschten Daten ermitteln und bereitstellen. Bei kleineren Datenmengen, die als Dateien gespeichert sind, kann sogar der Zugriff über ein Dateiverwaltungssystem ausreichend sein. Entscheidend ist jedoch die maschinelle Verarbeitungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Aufbewahrungsfristen. Angesichts der schnellen Veränderung von Komponenten, Betriebssystemen, Formaten und Standards eine Aufgabe, die nur durch die rechtzeitige, verlustfreie, die Information selbst nicht verändernde, dokumentierte und nachvollziehbare Migration der Daten von einem Medium auf ein anderes bewältigt werden kann.

Der Anforderung, das Archivsystem mit Auswertungen zu versehen, die jenen im Produktivsystem in quantitativer und qualitativer Hinsicht gleichwertig sind, kann ein Archiv mit Idea-Funktionalität bei entsprechender Ausgestaltung durchaus gerecht werden. Den Ansatz eines "Idea-Client" hat das BMF selbst in einem Schreiben als "zielführend" und "substantiiert" bezeichnet. Ein solches universelles Auswertungs-Tool, das mit dem Idea-Beschreibungsstandards arbeitet und die entsprechenden Auswertungsroutinen berücksichtigt, kann dem Archivsystem aufgesetzt werden. Für den Anwender bringt dies eine Vielzahl von Vorteilen. Wenn man mit einer unabhängigen Auswertungssoftware die steuerrelevanten Daten auswerten kann, muss man sie weder im operativen System vorhalten noch dorthin zurückladen.

Die Daten müssten vom Haupt- oder ERP-System lediglich sauber aufbereitet an ein externes Speicher-, Archiv- oder Datensicherungssystem übertragen und bei Bedarf dem Steuerprüfer zur Auswertung bereitgestellt werden. Bei der Übergabe der Daten kommt es besonders darauf an, auch die richtigen Strukturinformationen über den Aufbau der Dateien und je nach dem eingesetzten Produktivsystem auch die dort vorhandenen Standardauswertungen mit zu übergeben. Dieser Lösungsansatz erlaubt dem Steuerpflichtigen darüber hinaus, seine Daten zu testen, bevor sie unveränderbar archiviert werden. Vollständigkeit und Auswertungsfähigkeit können so sichergestellt werden.

Vorteile der systemunabhängigen Lösung

Ist die Auswertung mit Idea grundsätzlich ausreichend, sollte man also gleich einen Schritt weiter gehen und einen Idea-Client konzipieren, der direkt auf den archivierten Dateien nebst zugehörigen Stammdaten und Strukturinformationen aufsetzt und alle drei Zugriffsarten Z1, Z2 und Z3 (siehe Kasten "Drei Zugriffsarten") erlaubt.

Die Frage nach der GDPdU-konformen Archivierung scheint damit gelöst zu sein. Die beschriebene, vom Produktiv- und Archivsystem unabhängige Lösung bringt sowohl den steuerpflichtigen Unternehmen als auch der Finanzverwaltung Vorteile. Die Unternehmen sind, was die GDPdU anbetrifft, künftig weitgehend unabhängig von Migrationen im Hauptsystem und müssen sich keine Gedanken über die Aufbewahrung auszumusternder Hard- oder Software machen. Die Finanzverwaltung kann auf Bekanntes zurückgreifen und muss sich nicht mit einer Vielzahl von unterschiedlichen DV-Systemen vertraut machen. Außerdem haben die Unternehmen jenseits der Steuerwelt die Chance, Daten weitaus besser auszuwerten, um sie dann zur effizienteren Betriebssteuerung einzusetzen. (ue)

*Dr. Ulrich Kampffmeyer ist Geschäftsführer der Project Consult Unternehmensberatung GmbH in Hamburg, Diplomkaufmann Stefan Groß ist Steuerberater in der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner in München.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus einem umfangreichen Aufsatz der Autoren zur GDPdU, den Sie in voller Länge unter www.computerwoche.de/pt finden.

Drei Zugriffsarten

Beim Datenzugriff nach den GDPdU ergeben sich je nach Typus unterschiedliche Zugriffsarten. Für originär elektronische Unterlagen ist die direkte Auswertbarkeit der Daten für die Zugriffsarten Z1 (unmittelbarer Zugriff) und Z2 (mittelbarer Zugriff) sowie Z3 (Datenträgerüberlassung) sicherzustellen. Liegen die Daten noch im operativen System, also in der sie ursprünglich erzeugenden Anwendung, vollständig vor, kann Z1 und Z2 direkt auf diesen Datenbestand erfolgen. Die Anwendung muss jedoch in der Lage sein, auch Datenträger nach Z3 für die Auswertung mit Idea zu erzeugen. Für nicht maschinell auswertbare Belege wie eingescannte Formulare gilt, dass die Dokumente über die Attribute des Index im ersten Schritt recherchiert werden, um dann im zweiten Schritt angezeigt zu werden.

Archivieren nach GDPdU - zehn Schritte

1. Extraktion (zwingend)

Das Hauptsystem und gegebenenfalls Neben- und vorgelagerte Systeme extrahieren aus ihrem Datenbestand periodisch die steuerrelevanten Daten nebst den zugehörigen Stammdaten, wie sie bei der Qualifizierung und Identifizierung festgelegt worden sind. Diese Daten werden zusammen mit der Strukturdefinition, in der das Format und die Attribute der Daten beschrieben sind, als Dateien exportiert. Zu den Strukturdateien gehören auch die Zusammenstellung und Regeln der im Hauptsystem vorhandenen Auswertungen.

2. Validierung (empfohlen)

Manuell oder automatisiert erfolgt die Prüfung und Validierung, ob die Daten vollständig, richtig und verarbeitungsfähig sind. Hierzu kann man die Daten zum Beispiel mit Idea testweise auswerten.

3. Übergabe (zwingend)

Die Daten und die dazugehörigen Strukturinformationen werden an das Archiv übergeben. Dies kann durch manuellen Import oder nach erfolgreicher Überprüfung automatisiert geschehen. Letzteres hat den Vorteil, dass keine manuelle Interaktion erfolgt, bei der noch eine Veränderung der Daten möglich wäre.

4. Indizierung (zwingend)

Die Daten und die dazugehörigen Strukturinformationen werden in die Verwaltung des Archivsystems übernommen. Hierbei werden sie zusammenhängend manuell oder automatisiert indiziert, so dass sie unter dem gleichen Index eindeutig identifizierbar und wiederauffindbar gespeichert werden. Werden die gleichen Daten oder Daten der gleichen Periode gewollt oder fehlerhaft mehrfach übertragen, so muss das Archivsystem für eine entsprechende Versionierung bei der Indizierung sorgen.

5. Speicherung (zwingend)

Das Archivsystem speichert die Informationen und sichert durch seine Medien beziehungsweise Verwaltungssoftware, dass die eindeutige Identifizierung, Vollständigkeit und Unveränderbarkeit gewährleistet ist. Mit der Übernahme, Indizierung und Speicherung erstellt das Archivsystem eine Protokolldatei, die den Vorgang sowie die veränderungs- und verlustfreie Speicherung im System dokumentiert und zusammen mit den Daten und Strukturinformationen unter dem gleichen Index speichert. Die Verwendung eines Zeitstempels nach Signaturgesetz kann die rechtliche Qualität des Nachweises der Unveränderbarkeit und des Speicherdatums zusätzlich absichern.

6. Migration (optional)

Ist während der Aufbewahrungsfrist eine Migration der Daten erforderlich, so sind nicht nur die Daten und die zugehörige Strukturinformation verlust- und veränderungsfrei zu überführen, sondern auch die Indexinformation, die ein Wiederfinden und Identifizieren sicherstellt, unverändert zu migrieren. Hierüber ist wiederum eine Protokolldatei zu führen und zu archivieren. Wie das Gesamtverfahren selbst, ist auch die Migration in einer Verfahrensdokumentation zu beschreiben.

7. Zugriff auf steuerrelevante Daten (zwingend)

Wird im Rahmen einer Steuerprüfung auf die archivierten Daten zurückgegriffen, lässt sich über das Archiv eine Suche nach den entsprechenden Daten für den zu prüfenden Zeitraum starten. Das Archivsystem liefert eine Ergebnisliste, in der periodengerecht die gefundenen Dateien angezeigt werden. Hierbei handelt es sich zusammenhängend unter dem gleichen Index immer um die Daten mit den dazugehörigen Strukturinformationen und der Protokolldatei. Wurden die Daten migriert, wird auch das Migrationsprotokoll angezeigt.

8. Prüfung auf Richtigkeit und Vollständigkeit (empfohlen)

Die Indizierung hat sicherzustellen, dass entsprechend der Suchanfrage die gefundenen Daten vollständig und richtig sind. Dies wird durch die Anzeige der archivierten Protokolle mit der Anwendung und dem Vergleich der Protokolleinträge mit den gefundenen Dateien ermöglicht. Ein Zeitstempel nach Signaturgesetz kann auch hier die Aussagekraft des Protokolls verbessern.

9. Bereitstellung (zwingend)

Entsprechend der Strategie des Anwenders gibt es drei Optionen für die Bereitstellung der aufgefundenen steuerrelevanten Daten:

- Liegen die Daten nach dem Beschreibungsstandard für Idea formatiert vor, werden sie in das File-System beim Anwender oder auf ein Speichermedium (Transportmedium) exportiert. Sie können dann mit Idea ausgewertet werden und erfüllen die Zugriffsart Z3.

- Wenn das operative System auf das Zurückladen historischer Daten vorbereitet ist, können die Daten dorthin importiert werden und alle Z1- und Z2-Operationen in dem System erfolgen, in dem die Daten entstanden sind. Dies kann auch dann notwendig werden, wenn die Daten bei der Übergabe nicht nach dem Beschreibungsstandard für Idea aufbereitet worden sind. In diesem Fall müsste das operative System in der Lage sein, einen Datenträger nach Z3 zu erstellen

- Steht ein "universelles Auswertungsprogramm", zum Beispiel ein Idea-Client, zur Verfügung, das direkt auf die Dateien aus dem Archivsystem zugreift, wären damit uneingeschränkt alle drei Zugriffsarten Z1, Z2 und Z3 realisierbar. Das Archivsystem selbst benötigt durch die Kombination mit einem Idea-Client keine eigene Auswertungslogik.

10. Zugriff auf digitale Belege (optional)

Sind im Archivsystem auch die Belege als Dokumente archiviert, muss über die Indexdatenbank das zu einem Datensatz gehörende Dokument gefunden und angezeigt werden können. Dies betrifft alle Anwender, die nicht nur die maschinell auswertbaren Datensätze aus den kaufmännischen Systemen archiviert, sondern auch Dokumente gescannt, digital eingegangene Faxmitteilungen und E-Mails abgelegt haben sowie selbst erzeugte elektronische Dokumente im Archiv speichern. Handelt es sich bei diesen um kaufmännische Dokumente, die steuerrelevante Daten enthalten, so müssen sie über einen eindeutigen Index wieder auffindbar sein. Der Index muss mindestens zwei eindeutige Attribute beinhalten. Neben dem Datum ist dies in der Regel eine Beleg-, Rechnungs- oder Buchungsnummer. Diese Funktionalität muss über die Indexdatenbank und die Anwendung des Archivsystems gegeben sein.

Abb.1: Datenübergabe an das Archiv

Daten, die von Produktivsystemen in das Archiv ausgelagert werden sollen, müssen vollständig und auswertbar sein. Quelle: Project Consult

Abb.2: Zugriff auf ausgelagerte Daten

Ein Idea-Client erlaubt den unmittelbaren Zugriff (Z1) auf das Archivsystem und den Export der Daten auf ein Transportmedium (Z3). Bei einem Zurückladen der Archivdaten in das Hauptsystem kommt zudem der mittelbare Zugriff (Z2) in Betracht. Quelle: Project Consult