Unix kann für den Mini-Marktführer zur Gewissensfrage werden:

IDC-Marktforscher sehen DEC in der Grauzone

09.10.1987

BRÜSSEL (bi) - Die Digital Equipment Corp. (DEC) muß ihren angestammten Midrange-Sektor nach oben und unten ausbauen, um als Nummer zwei im Computermarkt ihren Abstand zum Branchenprimus weiter zu verringern. Diesen Schluß lassen Aussagen etlicher Analysten zu, die kürzlich anläßlich eines IDC-Seminars mit dem Titel "IBM und DEC - eine globale Perspektive" vor Herstellern und Bankern getroffen wurden.

Kurzfristig noch angesagte weitere Erfolge auf Basis der bisherigen Strategie dürften nicht darüber hinwegtäuschen, daß DEC dem Wandel innerhalb der Branche mehr Rechnung tragen müsse. Aber David Moschella, Vice President des Marktforschungsunternehmens International Data Corporatio (IDC), Framingham/ Massachusetts, räumte DEC ausdrücklich für die nächsten 24 bis 36 Monate "noch sehr gute Wachstumschancen" ein.

Als wichtiger Knackpunkt der Analysen stellte sich speziell Unix heraus. Der in diesem Sektor zu erwartende weitere Erfolg werde DEC in seiner bisherigen Domäne, dem technisch-wissenschaftlichen Bereich, nicht ohne Einbußen lassen gaben sich die Analysten sehr sicher. Unix, das 1981 mit nur einem Prozent in der installierten Basis (Wert: 32 Milliarden Dollar) vertreten gewesen sei, könne jetzt auf bereits sieben Prozent geschätzt werden (Wert der installierten Basis weltweit: 87 Milliarden Dollar). IDC rechnet den Unix-Markt demzuforge für 1991 bereits auf 22 Prozent eines 120 Milliarden-Marktes hoch.

Deutlich drückte sich auch John Levinson, Vice-President des New Yorker Broker-Unternehmens Goldman, Sachs & Co., aus: "Ich glaube, Digital Equipment hat den Anschluß an die Unix-Entwicklung respektive die Entwicklung Unix-basierter Systeme verpaßt." Levinson wurde unterstützt von IDC-Mann Moschella, der eine direkte Wechselwirkung zwischen dem wachsenden Unix-Markt und geringeren Aussichten für DEC erwartet. Provokativ auch die weiteren Attacken, die in Brüssel geritten wurden: Digital könne sich neuen Technologien wie "Parallel Processing" oder Risc nicht verschließen, ohne Schaden zu nehmen verschärfte IDC.

Als wesentlicher jedoch noch als diese technologischen "Musts" stellten die Analysten für DEC die Notwendigkeit von Strategie-Entscheidungen dar und zwar im Hinblick auf den Mainframe- und den PC -Markt. In Zahlen wurde dieses so dargestellt: DEC habe sich im vergangenen Jahr zwar einen gesunden Anteil von 17,9 Prozent aus dem 27,9 Milliarden-Dollar-Markt der Mini- beziehungsweise Abteilungsrechner herausgeschnitten, IBM im Vergleich dazu jedoch immerhin bereits 25,4 Prozent.

Mit nur einem Prozent am Mainframe-Kuchen im Wert von 17,6 Milliarden Dollar und nur 1,2 Prozent am 20,8 Milliarden-Dollar-PC-Markt (IBM: 33,5 Prozent!) muß DEC, so die IDC-Analysten, außerordentlich hart gegen die IBM-Hegemonie im Mainframe-Sektor angehen. IDC schätzt, daß die großen Rechnersysteme 1986 ganze 25 Prozent des gesamten Markt-Volumens (shipments) von 87 Milliarden Dollar ausgemacht haben.

Auch bei Tischrechnern sehe sich DEC im Markt herausgefordert. In Sachen PC-Markt warnte Aaron Goldberg, ebenfalls IDC-Analyst: "Es ist ein großer Fehler von DEC, dem PC-Markt keine strategische Bedeutung beizumessen." Es sei nicht ausreichend, an die DV-Spezialisten zu verkaufen, man dürfe den Endbenutzer keinesfalls aus dem Auge verlieren.

Goldberg vermutet jedoch einen Wandel in der DEC-Politik, der sich im zweiten Quartal nächsten Jahres in einer strategischen Partnerschaf mit Apple Computer manifestieren werde. Er führte für seine These Gerüchte an, die seit Monaten kursierten. Für das dritte oder vierte Quartal sagte der auf den PC-Markt spezialisierte Analyst voraus, daß Digital Equipment OS/2 unterstützen werde, ferner sei ein PC-Fileserver in Vorbereitung sowie weitere "PC-Connectivity-Produkte" und eine engere Beziehung zu eine Third-Party-Workstation-Hersteller wie zum Beispiel Sun Microsystems oder Apollo Computer.