Vorteile über die bessere DV sind kaum zu erzielen

IDC-Kongreß: Strategischer Wert der DV in Frage gestellt

10.04.1992

FRANKFURT (hv) - DV-Auslagerung - pro und kontra: Mit diesem Thema beschäftigete sich das IDC-Outsourcing-Forum '92. Im Mittelpunkt einer Diskussion stand die Frage, ob sich Outsourcing auf die stapelorientierte Massen-Datenverarbeitung beschränken sollte oder ob die Auslagerung wettbewerbsdifferenzierender Anwendungen ebenfalls sinnvoll sei. "Am einfachsten ist es, das operative Geschäft, also die Massen-Datenverarbeitung, auszulagern", so die Empfehlung von Dietrich Feldhusen, Geschäftsführer des Dienstleistungsrechenzentrums ICR GmbH in Neustadt. Bei einem solchen Verfahren könne das Outsourcing-Ziel Nummer eins erreicht werden, nämlich Geld zu sparen.

Sollen strategische Vorteile aus der Informationstechnologie gezogen werden, so macht es nach Ansicht Feldhusens Sinn, gemeinsam mit dem ausgewählten Dienstleister und vielleicht mit dem einen oder anderen weiteren Mitbewerber eine besondere zum Beispiel für das Spezialgebiet "Computer Aided Selling" geeignete Software zu entwickeln. Vor allem die Installation von Kommunikationslösungen in diesem Bereich verursache einen Aufwand, der durch gemeinsame Entwicklungsaktivitäten deutlich verringert werden könne. "Zusammen strategische Vorteile zu erreichen", lautet das Ziel des ICR-Chefs. Diese Argumentation von seiten eines DV-Dienstleisters kam für die Zuhörer nicht überraschend: Ein Mehrwert läßt sich in dieser Branche bekanntlich nur dann erzielen, wenn Individualentwicklungen für einzelne Kunden so weit wie möglich vermieden und Standardprodukte, ob branchenspezifisch oder nicht, genutzt werden.

Es muß den Anbietern darum gehen, mit der vorhandenen DV-Umgebung ein Maximum an Kunden zu bedienen. Überall dort, wo Standardsoftware zum Einsatz kommt, bestätigt auch Wolfgang Günther, Geschäftsführer der BB-Data Informations- und Kommunikationssysteme GmbH in Berlin, verursacht die DV-Auslagerung wenige Probleme. Dieses Know-how halte der Dienstleister vor, tiefergehende Kenntnisse der Geschäftsabläufe beim Kunden seien hier nicht erforderlich. Günther kann sich auch die Übernahme der gesamten Anwendungsentwicklung eines -Kunden vorstellen, rät allerdings zur Vorsicht.

Anbieter wie ICR und BB-Data müssen ihren überwiegend konservativ denkenden Kunden, um sie von den Vorteilen einer DV-Auslagerung zu überzeugen, ein neues Verständnis von der ehemals als "unternehmenswichtig" eingestuften Ressource DV vermitteln. Vertrauensbildende Maßnahmen sind nötig, diese tragen am ehesten Früchte, wenn dem potentiellen Abnehmer suggeriert wird, die Funktion der DV im Unternehmen sei zwar wichtig, aber nicht in dem Maße, wie bisher angenommen, dazu geeignet, Vorteile gegenüber dem Wettbewerb zu erzielen.

"Wenn man daran denkt, daß heute im Handel längst strategisch wichtige Dinge abgegeben werden - zum Beispiel die Transportabwicklung, die von Spediteuren übernommen wurde, dann ist kaum anzunehmen, daß für einen Kunden eine Anwendung so spezifisch ist, daß sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen bedeuten kann", führte Feldhusen aus. "Ich sehe nicht, daß eine Lösung so einmalig ist, daß sie keinem anderen in die Hände fallen darf."

Dem Argument, die Abhängigkeit von einem DV-Dienstleister sei von anderer Qualität als die von einem Spediteur, begegnen die Anbieter mit der Feststellung: je mehr Standardsoftware und -schnittstellen eingesetzt werden, desto leichter kann sich der Kunde bei Bedarf wieder vom Outsourcer trennen.

Im Bankengeschäft, so erläuterte BB-Data-Chef Günther,

werde der Wettbewerb heute über Electronic-Banking-Anwendungen ausgetragen, über Systeme für den Geld- und Devisenhandel. Es mache durchaus Sinn, sich den Dienstleistungsanbieter genau auszusuchen, doch das Problem der Abhängigkeit und die Gefahr, daß der Anbieter sein Know-how auch an andere Kunden weitergebe, sei ohnehin gegeben.

Beauftrage ein Unternehmen zum Beispiel externe Entwickler oder Softwarehäuser, so gebe es auch hier keine Garantie, daß das Know-how nicht in die Hände der Konkurrenz falle. Trotz dieser beschwichtigenden Argumente forderte Günther die Zuhörer auf, sehr genau abzuwägen, ob und wem sie ihre wettbewerbsentscheidenden Systeme überantworten wollten.

Die Informationstechnologie in vielen Unternehmen, so zeigte sich auf der IDC-Veranstaltung immer wieder, muß als die Geschichte eines fortwährenden Krisen-Managements verstanden werden. So ruft heute bei vielen Konzernen der Plan der DV-Abteilung, eine neue Individuallösung zu entwickeln, die Furcht vor weiteren, kaum kalkulierbaren Kosten hervor.

Bei den Verantwortlichen ist aufgrund der negativen Erfahrungen ein großes Unbehagen entstanden, berichtet Heinz Jürgen Westerholt, Geschäftsführer der Berliner SNI-Tochtergesellschaft Sietec Systemtechnik GmbH & Co. OHG. Von Ängsten, daß die Konkurrenz aufgrund ihrer besseren DV-Umgebung strategische Vorteile erzielen könnte, ist offenbar kaum noch die Rede. Im Gegenteil: Man ist dankbar, wenn Konkurrenten das Risiko einer umfassenden Eigenentwicklung eingehen. "Im Bankenbereich sind die Mitbewerber froh, wenn ein Unternehmen bereit ist zu investieren", so Westerholt. Von dessen Vorreiterrolle profitiere später möglicherweise die ganze Branche.

Nicht auf die DV, auf ihre Nutzung kommt es an

Daß der eigentliche Geschäftsvorteil weniger aus den Leistungen der Datenverarbeitung als vielmehr durch deren geschickten Einsatz entsteht, machte ICR-Geschäftsführer Feldhusen ebenfalls am Beispiel des Bankgeschäfts deutlich. Hinter dem Electronic Banking steckten zwar bekanntlich komplexe Kommunikationstechnologie und Software, entscheidend sei aber, inwieweit die darauf basierende Anwendung auf Kundenbedürfnisse ausgerichtet sei. Die Frage, welche Services eine Bank ihren Kunden über die vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten bieten könne, lasse sich letztlich nur von der Marketing-Abteilung beantworten.

Die Service-Anbieter, so zeigte die IDC-Veranstaltung, haben es gelernt, ihr Marktangebot in das rechte Licht zu rücken. Dabei schlagen sie Kapital aus dem Scheitern des bisher üblichen Großrechner-orientierten RZ-Betriebs beim Anwender. "Die alten RZs haben versagt, sie bringen nicht die gewünschte Qualität", bilanziert IDC-Forschungsleiter Rudolf Munde. Outsourcing- und Downsizing-Trend, so waren sich die Veranstaltungsteilnehmer einig, sind Folge dieser Entwicklung. Warum aber, so fragten hartnäckige Zuhörer die anwesenden Dienstleister, ist das Outsourcing eigentlich nötig, wenn Downsizing und die Einführung von Client-Server-Konfigurationen die Informationsverarbeitung nicht nur billiger, sondern auch qualitativ besser machen? "Ich kann mir gut vorstellen, daß derjenige, der eine Entscheidung für Downsizing getroffen hat und möglicherweise eine moderne Client-Server-Architektur realisieren will, seine zentrale DV erst einmal auslagert", antwortete ICR-Chef Feldhusen diplomatisch. Solche Anwender müßten sich vollständig auf die neuen Technologien konzentrieren und könnten sich derweil nicht mit Dingen wie MVS oder VSE beschäftigen.

Dies wurde jedoch von einigen Zuhörern bezweifelt. Kaum vorstellbar sei es, daß Unternehmen die Kosten für Outsourcing tragen und gleichzeitig weiter Ausgaben für die Einführung einer neuen DV-Umgebung akzeptieren würden.