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Thema des Tages

IDC: Die Internet-Wirtschaft legt gerade erst los

30.09.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach Ansicht der International Data Corp. (IDC) wird man in einigen Jahren den heutigen elektronischen Handel als den "Urschleim" ansehen, aus dem sich eine vollwertige Internet-Wirtschaft entwickelt hat. Diese These vertrat Frank Gens, Senior Vice-President Internet Research (und übrigens auch Keynote-Redner auf dem Kongreß "IT meets Business" der COMPUTERWOCHE im November) auf einer Konferenz des Marktforschungsinstituts.

Im Zuge dieser Entwicklung werde es notwendigerweise nicht nur Gewinner, sondern auch viele Verlierer geben. Das rasante Wachstum werde viele bestehende Konventionen einfach wegwischen, meinte der Analyst unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage der IDC bei 650 IT- und Linien-Managern. "Es ist sonnenklar, daß der Kampf um das Internet-Geschäft gerade erst begonnen hat", erklärte Gens. "Es kann ohne weiteres passieren, daß die Leute, die von der ersten Welle des Internet nach oben gespült worden sind, sich bald unter denen begraben wiederfinden, die nachkommen."

Einige aktuelle Trends lassen aus Sicht der IDC bereits die Konturen des künftigen E-Commerce erkennen:

Aus Internet-Nutzern werden Internet-Käufer. Die Zahl der Surfer wird von 160 Millionen (1998) bis zum Jahr 2003 auf 500 Millionen wachsen. Weitaus heftiger fällt der Zuwachs beim Online-Shopping aus: Wurden im vergangenen Jahr noch 50 Milliarden Dollar online ausgegeben, rechnen die Auguren in vier Jahren bereits mit Umsätzen von 1,3 Billionen Dollar.

2003 wird 62 Prozent der US-Bevölkerung online sein, heute sind es erst 26 Prozent. In Europa, wo 1998 elf Prozent Zugang zum Internet hatten, soll der Anteil der Onliner in vier Jahren auf 44 Prozent anwachsen. Global gesehen waren im vergangenen Jahr gerade vier Prozent der Bevölkerung am Internet, 2003 sollen es elf Prozent online sein.

Das schnelle Wachstum bringt laut Gens neue Herausforderungen für Unternehmen mit sich: "Wir haben eine Menge Entwicklungen und Spin-offs gesehen, aber nur ganz wenige Web-Sites sind heute voll mit den Geschäftsprozessen integriert. E-Business, das nicht mit der Kerngeschäft verbunden ist, wird in Schwierigkeiten geraten."

Außerdem brauche man eine Menge Geld, um solide Sites einzurichten und zu betreiben. "Unternehmen geben im Moment zwischen einer und 35 Millionen Dollar aus, um eine Web-Präsenz zu etablieren. Für eine richtige Klasse-Site braucht man mindestens sieben bis acht Millionen Dollar." Und dabei bleibe es natürlich nicht - im laufenden Betrieb seien im Schnitt jährlich weitere 50 bis 100 Prozent der Anschubfinanzierung fällig.

Der Mythos, Internet-Sites könnten ewig defizitär wirtschaften, solange sie nur den Marktanteil der jeweiligen Company vergrößerten, wird nach Ansicht der IDC bald der Vergangenheit angehören. Zwei Drittel aller befragten Unternehmen wollen spätestens 2001 die Gewinnzone erreichen. "Das E-Business von heute, das nun langsam abgelöst wird, war generell unprofitabel", so IDC-Mann Gens. "Künftige Internet-Unternehmen sollten schwarze Zahlen schreiben."

Neben Gens gaben auch noch weitere Experten Tips und Ratschläge, wie man eine erfolgreiche Site gestalten kann. Barry Parr, IDC-Director für Internet- und E-Commerce-Strategien, verwies darauf, daß in den kommenden Jahren auch immer mehr ältere, schlechter ausgebildete sowie weniger wohlhabende Menschen das Netz nutzen werden. Web-Entwickler sollten das berücksichtigen. "Sie müssen Ihre Sites viel einfacher gestalten. Ebay, Amazon.com oder Yahoo sind gute Beispiele für eine klare Gestaltung, bei der der Nutzwert im Vordergrund steht."

Jorden Woods, CEO (Chief Executive Officer) der Global Sight Corp., wies darauf hin, daß global agierende Unternehmen bei ihren unterschiedlichen lokalen Präsenzen die jeweilige Sprache und Kultur hinreichend berücksichtigen müßten. "Es gibt fast immer Probleme, wenn man ein E-Commerce-Angebot auf ein fremdes Land überträgt, ohne darüber nachzudenken, welches Umfeld man dort vorfindet."