Starke Konkurrenz für Microsoft und Intel seitens der Medienkonzerne

IDC-Analyst zweifelt an goldener Wintel-Zukunft

09.05.1997

Schwierige Zeiten sieht IDCs Senior Vice-President David Vellante für das "Wintel"-Lager anbrechen. Auf der "Computer Industry Briefing Session" in London bezweifelte der Analyst, daß die beiden Hersteller ihre führende Marktposition über die nächsten Jahre hinweg behaupten können. Als größte Gefahr für traditionelle Hersteller ê la Microsoft und Intel bezeichnet Vellante den Einzug von Embedded-Systems-Techniken auf breiter Front. Nahezu sämtliche Alltagsgeräte würden künftig mit integrierten Prozessoren arbeiten, was dazu führe, daß der Bedarf an CPU-Performance sinken werde. An ihre Stelle trete die Nachfrage nach mehr Netzbandbreite, da eine wachsende Vielfalt an Geräten anzusteuern sei. Die künftig wichtigsten Anbieter im IT-Markt rekrutierten sich deshalb aus der Telekommunikations- und Networking-Industrie.

Ein weiteres Indiz für Intels anstehenden Positionsverlust sieht Vellante in den verlängerten PC-Lebenszyklen von derzeit zwei oder drei auf bis zu fünf Jahren. Sollten die Anwender ihre Systeme tatsächlich länger einsetzen, als dies bislang der Fall ist, muß Intel umdenken, wenn man weiterhin annähernd profitabel wirtschaften will. Als Ausweg biete sich hier nur eine Diversifizierung des Geschäfts auf die Märkte für Video- und Kommunikations- beziehungsweise Embedded-Techniken an.

Gute Chancen sehen die Marktforscher beispielsweise in der Entwicklung eines Java-integrierten Chips. Die mit Java einhergehende Plattformunabhängigkeit werde Intel mehr zu schaffen machen als Microsoft, weshalb sich für die Andy-Grove-Company kaum Alternativen böten.

Ein Java-Prozessor könne schließlich auch von anderen Herstellern gebaut werden und ließe sich deutlich billiger als Intel-CPUs anbieten. Angesichts der sprunghaft gewachsenen Java-Entwicklergemeinde werde die momentan noch ungebrochene Nachfrage nach der Intel-Architektur in absehbarer Zeit merklich nachlassen.

Microsoft wird sich Vellante zufolge mit anderen Problemen herumschlagen müssen: Die langsame Verdrängung von Windows-PCs durch Network Computer (NC) ist nur eines davon. Das Thema größerer und besserer Applikationen sei allmählich ausgereizt, der Fokus der Anwender würde sich zunehmend auf die Netzleistung verlagern.

Auch die Strategie des Gates-Unternehmens, Windows CE mit aller Marketing-Macht als Betriebssystem für Internet-Front-ends durchzudrücken, habe eher nachteilige Folgen. Selbst eingefleischte Windows-User durchschauten diese Taktik, zumal sich mittlerweile eine Fülle Java-basierter Alternativen etwa für die Bildtelefonie, Set-top-Boxen, Netzcomputer und intelligente Pager anbiete.