Wenig Steuern, viele Softwerker und politische Stabilität sind attraktiv:

IDA lockt Investoren auf irischen Boden

22.01.1982

DUBLIN/GALWAY - Für Investoren scheint die Republik Irland ein Land zu sein, in dem Milch und Honig fließen: geringe Steuerbelastungen, ein ausgebildetes Arbeitskräftepotential, günstige Lohnbedingungen und zudem politisch stabil. Vor zehn Jahren indes hat noch kein einziges Unternehmen aus der Computer Branche den Sprung auf die grüne Insel gewagt. Heute dagegen produzieren hier bereits mehr als 70 Hardware-Unternehmen und rund 20 Software-Betriebe. Diese Entwicklung verdanken die Iren den Aktivitäten der Irischen Entwicklungsbehörde (IDA), deren Hauptaufgabe und -Ziel es ist, Produktionsbetriebe und Dienstleistungsunternehmen ins Land zu locken.

Auf der grünen Insel im Atlantik leben heute rund 3,2 Millionen Iren. Davon sind mehr als die Hälfte der Bewohner unter 25 Jahre alt. Diese an sich erfreuliche Tatsache stellt sich der Regierung indes als Problem dar: Denn um der jungen Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten zu geben - bislang beträgt die irische Arbeitslosenquote elf Prozent - müssen Arbeitsplatze geschaffen werden.

Irlands Geburtenrate beträgt 13 Prozent

Grund für den anhaltenden Zuwachs der Erwerbssuchenden ist einmal das natürliche Wachstum: Irlands Geburtenrate liegt bei 13 Prozent. Zudem ist es der Regierung gelungen, die lange Jahre währende Auswanderung zu stoppen. In den USA leben heute fast zehnmal soviel Iren wie in Irland selbst. Mit dem industriellen Aufschwung der vergangenen Jahre zeichnet sich jetzt auch ein struktureller Umschwung ab: Etwa zehn Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft suchen einen neuen Job in der Industrie.

Angesichts dieser Fakten verwundert auch nicht mehr die Summe von 280 Millionen irischen Pfund (= 1,05 Millionen Mark) - das sind 12 Prozent des staatlichen Investitionsbudgets - die der irischen Entwicklungsbehörde zur Verfügung steht. Damit sollen jährlich etwa 15 000 neue Arbeitsplätze in der Industrie entstehen. Helfen sollen dabei ausländische Unternehmen aus besonders wachstumsträchtigen Branchen wie Elektronik, Maschinenbau, chemische und pharmazeutische Industrie und neuerdings auch aus dem Servicebereich.

Die meisten europäischen Gesellschaften, die sich in Irland niederlassen, haben den kontinentalen Markt im Auge, zu dem sie von Irland aus zollfreien Zugang haben. Der Export von Elektronikprodukten betrug 1979 mehr als 800 Millionen Dollar, was einer jährlichen Steigerungsrate von 60 Prozent seit 1973 entspricht. Insgesamt steigerte Irland seine Industrieproduktion in den vergangenen vier Jahren um durchschnittlich sechs Prozent.

"Ohne ausländische Investitionen", so betont der deutsche Marketing-Berater der irischen Entwicklungsstelle IDA, Dieter Hasenkamp, "wären solche Zahlen unmöglich gewesen" Bislang haben sich rund 800 ausländische Unternehmen mit Unterstützung der Wirtschaftsförderer in Irland niedergelassen. Sie repräsentieren einen Anlagewert von rund zehn Milliarden Mark. Davon sind mehr als drei Viertel erst nach 1973 ins Land gekommen. Allein aus der Bundesrepublik investierten mehr als 125 Unternehmen, von denen rund 15 Betriebe im Elektroniksektor produzieren. "Insgesamt jedoch tummeln sich in diesem Bereich schon 90 Hersteller", freut sich Declan Murphy, bei der IDA für Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

An Computerherstellern haben sich in Irland beispielsweise schon Digital Equipment, Amdahl, Nixdorf, Prime Computer, Computer Automation, Apple Computer und Data Terminal Systems engagiert.

Auch drei Hersteller von Druckern haben den Sprung über den Kanal gewagt: Centronics, Dataproducts und Documentation haben ihre europäischen Fertigungsstätten in der Nähe Dublins errichtet. Schließlich erhofft man sich bei der IDA, daß die Wang Laboratories als "Newcomer" Irlands Büroautomatisierungs-Industrie in Schwung bringt. Mit einem Aufwand von 75 Millionen Dollar errichtet die US-Gesellschaft in Limerick eine Produktionsstätte für Computer, Textverarbeitungssysteme und verwandtes Zubehör.

Neben der produzierenden Industrie wollen die Iren künftig vor allem Dienstleistungsunternehmern für eine Investition beziehungsweise Ansiedlung gewinnen. Bisher wurden Serviceunternehmen nur in Pilotprogrammen gefördert. "Seit September 1981 gilt nun ein Dienstleistungsprogramm, das elf Bereiche wie Dataprocessing, Software Development und Technical and Consulting Services als förderungswürdig anerkannt hat", erklärt Jane Williams von der IDA-Abteilung International Services.

Investierfreudigen Unternehmen jedenfalls wird die Entscheidung leichtgemacht. Denn:

- Für neu kommende Fertigungsbetriebe gilt ein Körperschaftsteuersatz von maximal zehn Prozent - garantiert bis zum Jahr 2000

- Maschinen und Anlagen können im ersten Jahr 100prozentig abgeschrieben werden

- Auf Gebäude werden im ersten Jahr 50 Prozent Abschreibungen ermöglicht und vier Prozent jährlich in den darauffolgenden Jahren

- Zwischen Irland und Deutschland besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen, das den Gewinntransfer regelt. Auf Dividenden, die an ausländische Aktionäre gezahlt werden, wird keine irische Einkommensteuer erhoben.

Daneben gibt's aber auch Erkleckliches in bar:

- Maschinen, Anlagen, Gebäude und Grundstücke werden bis zu 50 Prozent der Kosten bezuschußt

- Pro neu geschaffenen Arbeitsplatz gibt's in der Regel rund 18 000 Mark, davon wird die erste Hälfte bei Geschäftsaufnahme ausgezahlt, die andere nach Ablauf von 12 Monaten, falls der Arbeitsplatz noch besteht

- Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden bis zu 50 Prozent gefördert

- Kosten des Ausbildungsprogramms für Mitarbeiter werden bis zu 100 Prozent bezuschußt.

Aber in den meisten der Fälle sind die Mitarbeiter schon gut vorbereitet

- allenfalls mangelt es an Berufserfahrung. So orientiert sich das National Institute of Higher Education (NIHE) in Limerick beispielsweise am Bedarf dessen, was in drei bis fünf Jahren an Manpower gebraucht wird. Ausbildungsziele werden nach Erfahrungswerten gesteckt und richten sich an laufenden Verhandlungen mit Unternehmen aus. Daher erhoffen sich die Verantwortlichen, den künftigen Personalbedarf recht genau absehen zu können. Außerdem funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Praxis, so versichern die IDA-Repräsentanten reibungslos. Während der Semesterferien können NIHE-Studenten schon bei dem Betrieb arbeiten, bei dem sie später einmal ins Berufsleben einsteigen wollen.

Klagen werden eigentlich nur über das irische Telefonnetz laut. So sieht man in den Fernmeldezentralen der Betriebe auch heute noch "die Fräuleins stöpseln". Aber auch hier bemühen sich die Iren eifrig, das Problem in den Griff zu bekommen. Es ist geplant, ein digitales Telekommunikationsnetz aufzubauen, das sich in erster Linie in Richtung Ausland, das heißt England und europäischer Kontinent, orientiert.

Trotz dieses - von den meisten Unternehmen mit einem Achselzukken quittierten Handikaps - beträgt die durchschnittliche Kapitalrendite nach Berechnungen des US-amerikanischen Handelsministeriums 29,4 Prozent. "Das ist weltweit Spitze." In den Genuß dieser Rendite kommen natürlich auch Unternehmen aus der Bundesrepublik.

Dies ist auch einer der Gründe, warum sich die Paderborner Nixdorf Computer AG für Irland entschieden hat. 1973 begann der Bürocomputerhersteller in Dublin erst einmal bescheiden mit einer Vertriebsniederlassung. Da nicht produziert wurde, mußte der volle Körperschaftsteuersatz von 45 Prozent gezahlt werden. Vier Jahre später wurde dann in Bray bei Dublin die Nixdorf Computer Ltd. gegründet. Sie stellt Bauteile her und genießt noch bis 1990 die völlige Steuerfreiheit auf Exportgewinne. Dem Unternehmen geht's auch sonst gut: Die Zahl der Mitarbeiter soll von 300 auf 600 aufgestockt werden, was natürlich besonders die Wirtschaftsförderer freut.

Software-Produktion bevorzugt gefördert

Angeregt durch das neue Dienstleistungsprogramm hat sich Nixdorf zudem in 1981 entschlossen, mit einer eigenen Software-Produktion (..) Irland zu beginnen. Sie ist hauptsächlich für den englischsprachigen Raum gedacht. Hierfür kann nun der reduzierte Körperschaftsteuersatz von 10 Prozent in Anspruch genommen werden, der bis zum Jahr 2000 garantiert ist.

Anders als in der Bundesrepublik bestand in der Inselrepublik noch nie Mangel an "Softwerkern". "Heute ist Irland", so betont Jim Jackson vom Kölner IDA-Büro, Weines der Länder mit mehr Computerprogrammierern als benötigt werden." Und Jane Williams fügt ergänzend hinzu: "Bei einer Ausschreibung bewarben sich auf 12 offene Stellen 400 DV-Fachkräfte."

Neben der IDA-Förderung und der englischen Sprache war für Digital Equipment (DEC) gerade diese gute Ausbildungsstruktur für ihre Irlandinvestition ausschlaggebend. IDA-Mittel wurden zu Anfang - der Minicomputerhersteller produziert seit 1970 in Galway Components und CPU-Bauteile - vor allem für die Ausbildung der noch unerfahrenen Mitarbeiter in Anspruch genommen. In der Zwischenzeit sind bei DEC mehr als 1100 Iren beschäftigt. Probleme mit Fachkräften kennt Digital dabei nicht, bekräftigt DEC-Manager Charlie Mulligan.

"Doch trotz Vergünstigungen, Zuschüssen und dem relativ niedrigerem Lohnniveau, produziert DEC in den USA günstiger", stellt Mulligan fest. Grund dafür sei die fehlende Kostendegression, denn in den USA werden wesentlich höhere Stückzahlen produziert - der Absatzmarkt ist größer. Doch US-Importe nach Europa würden durch den langen Weg so teuer, daß irisch gefertigte Produkte im Endeffekt um 14 Prozent billiger sind.

Irische Lebensqualität lockt

Für US-Unternehmen bietet sich Irland also als Sprungbrett nach Europa an. So war auch DEC in Galway als "Europäische Fabrik" für den EG-Bereich gedacht. Doch inzwischen werden die Produkte schon weiter über die europäischen Grenzen hinaus geliefert.

Aber auch für europäische Gesellschaften sind die mit 26 Prozent vergleichsweise niedrigen Personalnebenkosten und ein geringeres Einkommensniveau als in den meisten europäischen Ländern von Vorteil. So erhält ein Diplomingenieur beim Start seiner Laufbahn rund 7000 irische Pfund, das entspricht etwa 26 000 bis 28 000 Mark im Jahr.

Daß bei aller Investitions-Euphorie die grüne Insel im Atlantik auch grün bleibt, dafür wollen sich die IDA-Repräsentanten auch weiterhin verbürgen. Denn nicht zuletzt halten die irischen Wirtschaftsförderer mit der blühenden Landschaft, der gesunden Umwelt und Irlands Lebensqualität ein Trumpf-As in der Hand.