Britischer Aktiencoup löst Hektik in der Branche und an der Londoner Börse aus:

ICL lehnt STC-Offerte als "inadäquat" ab

03.08.1984

LONDON (CW) - Als "völlig inadäquat" hat der britische Computerhersteller ICL das überraschende Übernahmeangebot durch Standard Telephones und Cables (STC) für 356 Millionen Pfund Sterling zurückgewiesen. STC, zu 35 Prozent in Besitz der amerikanischen lTT, hatte Ende vergangener Woche unerwartet zehn Prozent der ICL-Aktien erworben und gleichzeitig die Übernahme des Gesamtkapitals angekündigt. An der Londoner Effektenbörse kam es zu hektischen Spekulationen. Ein Sprecher der deutschen ICL-Tochter in Nürnberg lehnte jegliche Kommentierung als, "leichtsinnig" ab.

ICL zeigte sich von der jähen Offerte der englischen STC völlig überrascht. Sir Kenneth Corfield, STC-Chairman, erklärte dazu, die Pläne seines Unternehmens seien nicht mit ICL diskutiert worden, da man ein vorzeitiges Durchsickern über den Aktiendeal an die Öffentlichkeit befürchtet habe. Jedoch wolle man jetzt rasch Kontakt zu ICL aufnehmen, um über die Modalitäten der Zusammenarbeit zu sprechen.

Nach Bekanntwerden der Transaktion zog der Kurs für das ICL-Papier Kräftig an. Die Londoner Effektenbörse handelte die Aktie am Donnerstag vergangener Woche mit 84 Pence; das waren 23 Pence mehr als ein Tag zuvor. Die STC-Aktien gaben, hingegen um 28 auf 276 Pence nach. Für die zehnprozentige Übernahme beziehungsweise 9,8 Prozent des ICL-Kapitals hatte die englische Telekommunikations- und Elektronikgruppe 77 Pence je Aktie bezahlt. STCs Angebot lautete zwei der eigenen gegen sieben ICL-Aktien. Die Unternehmensleitung des in britischen Besitz befindlichen Computerherstellers appellierte an ihre Aktionäre, die Anteile nicht zu verkaufen.

Sollte ICL vollends in STC-Besitz übergehen, entstünde eine Firmengruppe mit 51 000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund zwei Milliarden britischen Pfund, berichtete die

"Financial Times". Der Umsatz von STC hatte im vergangenen Jahr bei etwa 920 Millionen, der von ICL bei 845 Millionen Pfund gelegen. Die britische Regierungschefin Margret Thatcher unterrichtet nach Bekanntwerden des Deals das Unterhaus mit der Erklärung, das Angebot werde vom Ministerium für Handel und Industrie eingehend geprüft.

Im Geschäftsjahr 1982 hatte ICL noch rote Zahlen geschrieben. Nach dem Kollaps des Unternehmens im Jahr 1981 sicherte ein staatlicher Kredit von 200 Millionen Pfund dem Computerhersteller das Überleben. Konsequente Konsolidierungsbemühungen wie die Entlassung von 12 000 Mitarbeitern und drastische Kosteneinsparungen ließen den Konzern im vergangenen Geschäftsjahr wieder einen nennenswerten Gewinn erwirtschaften.

Der weltführende Produzent von Unterseekabeln, STC, aktiv auch im Bereich von Telekommunikations equipment und im Mikrochip-Geschäft, erhofft sich von der angestrebten Zweckehe die Ausweitung von Absatzwegen. Nachdem ITT seinen Anteil an STC von 75 auf 35 Prozent Ende 1982 reduziert hat, sei die Suche nach Diversifikationsmöglichkeiten aktiv betrieben worden, heißt es in der Financial Times. Insbesondere sei STC, so verlautet es in Branchenkreisen, an den kleineren Maschinen, weniger an den Großrechnern des einzigen britischen Mainframeherstellers interessiert.