Interview

"Ich vertraue Carly Fiorina und HP in Sachen Itanium"

20.10.2000
Mit Paul Otellini, Intel-Vice-President, sprach CW-Redakteur Hermann Gfaller

CW: Wie ist es zu Intels Gewinnwarnung gekommen?

OTELLINI: Darüber darf ich aus rechtlichen Gründen nichts sagen.

CW: Dann zu einem anderen Thema. Ihr Entwicklungspartner Hewlett-Packard plant entgegen ursprünglichen Plänen nun doch weitere Generationen der eigenen PA-Risc-Architektur. Sinkt die Akzeptanz für den Itanium-Chip?

OTELLINI: Nein. Erst heute hat die HP-Chefin Carly Fiorina wieder ein umfassendes Bekenntnis dazu abgegeben.

CW: Alles andere wäre auf auf einer Intel-Veranstaltung unhöflich gewesen.

OTELLINI: Niemand lügt in aller Öffentlichkeit.

CW: Mit dem Superdome und dessen Nachfolgern hat sich HP aber eine Alternative zur Itanium-Architektur eröffnet. Aus dem gemeinsamen 64-Bit-Unix-Projekt mit SCO hat sich HP ähnlich elegant verabschiedet.

OTELLINI: Das war etwas ganz anderes. Ich vertraue Carly und HP.

CW: Auch Sun scheint es nicht mehr für nötig zu halten, wie angekündigt Solaris auf IA 64 zu portieren.

OTELLINI: Stimmt. Das Interesse war dort nie wirklich vorhanden. Sun zieht die eigene Sparc-Architektur vor. Es gibt aber auch positive Nachrichten. IBM zeigt die Unix-Variante Monterey auf Itanium. Das ist ein wichtiger Vertrauensbeweis. Auch Linux, Windows 2000 und HP-UX laufen darauf.

CW: Wie positionieren Sie Ihre Highend-Architektur? Der Markt für wissenschaftliche Anwendungen ist nicht besonders groß. Auch Data-Warehouse-Projekte, die den 64-Bit-Adressraum nutzen, sind Mangelware.

OTELLINI: Die Chipfamilie ist für hohe Leistung und Skalierbarkeit ausgelegt. Damit zielen wir auf den Markt für Internet-Infrastruktur, wo die Last in kürzester Zeit unerwartet stark ansteigen kann. Hier sind erst fünf Prozent der benötigten Rechnerleistung installiert. Das ist ein gewaltiger Markt.

CW: Gibt es denn schon Anwendungen und Datenbanken für die Architektur?

OTELLINI: Derzeit sind es rund 220 Applikationen, die darauf laufen, auf unterschiedlicher Hardware und unter vier Betriebssystemen.

CW: Die Chipentwicklung wird immer teurer, die technischen Probleme - nicht zuletzt aufgrund der Dichte der Schaltkreise - immer größer. Ist das Ende dieser Technik sichtbar, das der Intel-Mitbegründer Gordon Moore für das Jahr 2017 vorausgesagt hat?

OTELLINI: Das hat er nicht. Moore sagte, dass sich für die kommenden 15 Jahre recht genau sagen lässt, wie die Chipentwicklung voranschreitet, danach hingegen wird es unklar. Aber das ist für die Computerindustrie ein langer Zeitraum. Die nächsten Chipgenerationen sind auf alle Fälle gesichert.

CW: Sie setzen nicht mehr nur auf die stetige Leistungssteigerung, sondern auch auf die Schaffung eines Marktes mit relativ einfachen Chips für alle möglichen Arten von Geräten, vom Handy bis zur Mikrowelle.

OTELLINI: Jedes Unternehmen will wachsen. Unsere Kernkompetenz liegt nun einmal in der Massenfertigung von Silizium-Bausteinen.

CW: Wie sieht Ihre Strategie für Geräte wie Handys und Organizer aus?

OTELLINI: Wir sind ziemlich scharf darauf. Wir bieten hier mehrere Techniken an, sind schon jetzt der größte Lieferant von Flash-Memory für Handys und liefern Techniken für die Verschmelzung von digitaler und analoger Datenübermittlung.

CW: Inwieweit spielt hier Ihre Partnerschaft mit Microsoft eine Rolle?

OTELLINI: Microsoft ist nach wie vor unser engster Partner.

CW: Sie gehen in einer ganzen Reihe von Bereichen eigene Wege, insbesondere bei Servern mit Linux und anderen Unix-Derivaten. Schwächt das die Partnerschaft nicht?

OTELLINI: Nein. Der größte Teil unserer Entwicklung widmet sich den Microsoft-Betriebssystemen. Wir waren aber immer unabhängig.

CW: Intel unterstützt das Peer-to-Peer-Ressourcen-Sharing à la Napster. Gibt es tatsächlich Unternehmen, die bereit sind, ihre Ressourcen auf den Rechnern der Endanwender verwalten zu lassen?

OTELLINI: Jedes Unternehmen teilt seine Ressourcen mit den Mitarbeitern. Es geht darum, die ungenutzten Rechenzyklen und den freien Speicherplatz gemeinsam zu nutzen.

CW: Aber legen die DV-Verantwortlichen nicht Wert darauf, zentrale Verfügungsgewalt über ihre Daten und Ressourcen zu haben?

OTELLINI: Das Internet hat längst das Selbstverständnis der IT-Abteilungen verändert. Aber bei dieser Art des Peer-to-Peer handelt es sich um eine Technik im Experimentalstadium. Sie ist hochinteressant, muss aber erst noch erprobt werden.