Walter Brenner im Interview

"Ich sehe schwarze Wolken am Horizont"

17.04.2011
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Fünf Tipps für IT-Entscheider

Wie sollen sich CIOs denn Ihrer Ansicht nach verhalten?

BRENNER: Der gute alte Richard Nolan hat einmal gesagt, es gibt Phasen, in denen man flexibler sein muss. Da muss man lernen und offen für neue Entwicklungen sein. Heterogenität muss nicht nur geduldet, sondern gepflegt werden - und man muss beobachten, was sich durchsetzt. So würde ich die jetzige Zeit einschätzen, eine innovative Phase.

Vielleicht kommt schon in ein paar Jahren wieder eine Zeit, in der sich Trends durchgesetzt haben. Dann kann man wieder harmonisieren und standardisieren. Ich bin jetzt 30 Jahre im Geschäft. Es gab immer Phasen, in denen es viele Innovationen gab. Mit Standardisieren und Harmonisieren hat man in solchen Zeiten niemandem einen Gefallen getan. Es geht jetzt darum, dazuzulernen, Dinge auszuprobieren, neue Prozesse einzurichten und neue Wege zu gehen. Wer jetzt versucht, zu standardisieren oder zu verbieten, stellt sich gegen eine riesige Flutwelle und läuft Gefahr, weggespült zu werden.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre, als das Internet aufkam, hatten wir einen ähnlichen Kampf. Ich kann mich noch an Geschäftsführer erinnern, die sagten, Internet am Arbeitsplatz sei völlig undenkbar. Zehn Jahre früher hieß es, man könne doch nicht in jedem Büro einen Computer aufstellen. Solche Diskussionen habe ich schon oft erlebt und nach einer gewissen Zeit hat sich das Neue meistens als Standard etabliert.

Ich bin sicher, dass niemand die Vorzüge, die er als Mobile Worker mit einem Apple- oder Android-Gerät hat, jemals freiwillig wieder hergeben wird.

Was sind konkrete Weichenstellungen für CIOs angesichts der Herausforderungen?

BRENNER: Erstens gilt es, einen Lernprozess zu starten. Man muss sich selbst und dem engeren IT-Führungskreis die Chance geben, die neuen Technologien wirklich kennenzulernen. Veranstalten Sie Workshops und lassen Sie sich von den Digital Natives zeigen, wie sie sich in dieser Welt bewegen. Wir bieten das von unserem Institut aus an: Junge Leute stellen vor, was sie im Social Web tun. Wir diskutieren dann mit IT-Führungskräften, ob und wie sich das auf Ihr Haus übertragen lässt. Also: Ganz konkret demonstrieren lassen, wie Digital Natives arbeiten.

Sie brauchen zweitens eine organisatorische Einheit, je nach Unternehmensgröße mit ein bis x Personen, die die neuen Technologien kennt und systematisch nach Nutzungsmöglichkeiten sucht. Es geht darum innovative Hardware- und Softwarelösungen zu bauen.

Drittens sollte mit den Fachbereichen diskutiert werden, welche Bedürfnisse es gibt und welche Stärken und Schwächen in der eigenen IT-Organisation gesehen werden. Die IT-Strategie sollte dann in diesem Sinne weiterentwickelt werden.

Viertens muss man sich bewusst sein, dass man in einer unsicheren Zeit lebt, in der sich Technologie ändert. In einem halb- oder dreivierteljährlichen Prozess gilt es, diese Veränderungen zu erheben und die Strategie anzupassen.

Und fünftens: Es geht hier nicht um die coolste iPhone-App! Man muss sich an dem orientieren, was heute bekannt und von den Massen akzeptiert ist, zum Beispiel Facebook, Twitter, Skype Youtube. Finden Sie heraus, wie sich diese Innovationen nutzen lassen. Nicht die verrücktesten Sachen auswählen, sondern die beständigsten. Und dann wirklich ohne Tabus überlegen, was können wir daraus machen? Natürlich treten hier Fragen bezüglich Datenschutz und Sicherheit auf. Aber den Risiken und Hindernissen stehen konkrete Chancen gegenüber, so dass man bereit ist, Ideen auch gegen Widerstände und mit Kompromissbereitschaft durchzusetzen.