Walter Brenner im Interview

"Ich sehe schwarze Wolken am Horizont"

17.04.2011
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

"Enorme Wissensdefizite festgestellt"

Viele CIOs sehen sich - auch aus den genannten Gründen - in der Pflicht, in erster Linie IT-Standards vorzugeben, an die sich jeder halten muss. Die berechtigte Sorge, die Fäden in der IT aus den Händen zu verlieren und keine Betriebssicherheit mehr garantieren zu können, dominiert ihr Verhalten.

BRENNER: Will man als CIO die Fäden in der Hand behalten, setzt das voraus, dass man erstmal weiß, wie die neue Welt funktioniert. In Gesprächen mit CIOs, IT-Abteilungen und eigentlich auch technisch versierten Mitarbeitern der Fachbereiche haben wir enorme Wissensdefizite festgestellt. Das ist vor allem dann tragisch, wenn es den CIO und seine direkt Unterstellten und leitenden Mitarbeiter bestrifft. Nach meiner Beobachtung sind viele IT-Entscheider schon so verschreckt, dass sie sich selbst gar nicht mehr die Möglichkeit einräumen, zu lernen.

Das Wissen über Facebook, Twitter, Youtube, Skype und neue Endgeräte wie Smartphones, Tablets, Media-Produkte etc. ist nicht detailliert genug. IT-Verantwortliche müssen es sich aneignen! Alles andere werden die Kunden in den Fachabteilungen als Ignoranz empfinden. Wir beobachten im Moment in manchen Unternehmen, dass sich Fachbereiche durchsetzen und neue Technologien einführen, während die IT tatenlos daneben steht.

Welche Folgen hat das für die Rolle der IT im Unternehmen?

BRENNER: Ich bin sicher, dass eine ganze Reihe von CIOs - ob es ein Viertel oder sogar ein Drittel sind, kann ich nicht quantifizieren - ihre Position demnächst verlieren wird. Sie gehen diesen Kampf völlig falsch an. Weder sind sie bereit, selbst zu lernen, noch ihren Mitarbeitern eine geeignete Lernumgebung zu geben. Mit dem Argument der Standardisierung verhindern sie, dass sich zarte Pflänzchen entwickeln können, die dem Unternehmen zu mehr Innovation verhelfen könnten. Sie lernen nicht und nehmen auch die sich entwickelnde Schatteninformatik nicht ausreichend wahr. Diese IT-Manager denken immer noch über Standards nach, wo längst Entwicklungen von ganz anderer, neuer Qualität im Gang sind.

Das wird dazu führen, dass zahlreiche CIOs, die glauben einen guten Job gemacht zu haben und wahrscheinlich hinsichtlich Kostensenkung auch wirklich erfolgreich waren, einfach von der Bildfläche verschwinden werden. Sie begreifen die Herausforderungen nicht. Sie haben die Kosten heruntergebracht, SAP-Plattformen reduziert, Rechenzentren konsolidiert - und jetzt treffen sie auf Vorgesetzte, die Fragen stellen wie: Kennst du dich mit dem iPad aus? Was können wir mit Facebook machen? Die CIOs fühlen sich dann wie im falschen Film.

Ich spüre das schon, denn ich bin ständig in Gesprächen mit CIOs, die mir anvertrauen, was bei ihnen los ist. Ich sehe die schwarzen Wolken am Horizont klar und deutlich.