Walter Brenner im Interview

"Ich sehe schwarze Wolken am Horizont"

17.04.2011
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Digital Natives drängen in die Unternehmen - und mit ihnen veränderte Vorstellungen von IT-Nutzung, Arbeit und Organisation. Professor Walter Brenner, Wirtschaftsinformatiker in St. Gallen, hält viele CIOs für schlecht vorbereitet auf diesen Trend.

Wie charakterisieren Sie einen Digital Native?

BRENNER: Es gibt eine klassische Definition, die man auch in der wissenschaftlichen Literatur antrifft. Danach sind Personen, die nach 1980 geboren wurden, Digital Natives. Manche reden auch von der Nintendo-Generation: Sie trägt die Verantwortung dafür, dass Anfang der 90er Jahre Micky Maus als bekannteste Figur bei Kindern durch Super Mario abgelöst wurde.

Man kann den Kreis der Digital Natives noch weiter einengen: Personen, die nach 1992/93 geboren sind, kennen eine Zeit ohne Internet nicht mehr. Sie legen ein komplett anderes Verhalten an den Tag, was Informationsaustausch und Medienkonsum betrifft.

Haben diese jungen Leute ein besseres Technikverständnis?

BRENNER: Nicht unbedingt, die neuen Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen, hat zunächst nichts mit der IT-Vorbildung zu tun. Es gibt junge Menschen, die programmieren können und sich profund mit Betriebssystemen, Programmierplattformen etc. auskennen. Und es gibt junge Menschen, die Software und Web-Dienstleistungen intensiv nutzen. Das ist ein großer Unterschied! Im deutschsprachigen Raum fehlt es an jungen Leuten, die Informatikberufe ergreifen. Dieses Problem wird durch Digital Natives in keiner Weise gelöst, sondern eher verschärft. Gute Programmierer bekommt man nicht frei Haus geliefert.

IT Operations Day

Achtung: Die Digital Natives kommen

IT-Entscheider und Manager der IT-Branche treffen sich am 12. Mai in Berlin, um die Herausforderungen durch Digital Natives und Enterprise 2.0 für Unternehmen und IT-Organisationen zu diskutieren.
  • Was wie eine schleichende Veränderung beginnt, kann Unternehmen und IT-Shops den Boden unter den Füßen wegziehen: Eine neue Generation von IT-Profis und Knowledge-Workern, geprägt von Social Web und Mobile Computing, trägt ihren Arbeits- und Lebensstil in die Unternehmen herein - und ist dabei wenig kompromissbereit.

  • Fortschrittliche Manager und CIOs erkennen darin eine große Chance: Die Newcomer können Zukunftsthemen wie Collaboration, Crowdsourcing, Mobile Computing oder auch Social-Web-Aktivitäten im Unternehmen verankern und so Wettbewerbsvorteile sichern.

  • Doch der Schuss kann auch nach hinten losgehen - wenn sich Unternehmen wenig tolerant, phantasielos und borniert präsentieren.

  • Hochkarätige Referenten von Konzernen wie Siemens, Volkswagen, der Telekom und Zurich Financial beschäftigen sich mit diesen Themen am 12. Mai auf dem Management-Kongress IT Operations Day in der Neuen Mälzerei in Berlin. Gastgeber sind Walter Brenner vom Institut für Wirtschaftsinformatik in St. Gallen und Rüdiger Zarnekow vom Lehrstuhl für Informations- und Kommunikations-Management an der TU Berlin.

  • Weitere Informationen finden Sie hier!

Wir müssten also eigentlich von zwei Herausforderungen für CIOs reden: Junge Knowledge-Worker kommen als Digital Natives in die Fachabteilungen und sind dort als versierte Nutzer anspruchsvoll. Und dann gibt es junge IT-Profis, die sich ebenfalls im Social Web bewegen, gleichzeitig aber programmieren können und IT-Know-how haben.

BRENNER: Richtig, und für IT-Verantwortliche ist es schon eine große Herausforderung, Arbeitsplätze für diese zweite Gruppe zur Verfügung zu stellen. Die finden es nämlich noch weniger cool als die Generation davor, mit Cobol, PL/1, Großrechnern und Legacy-Problemen konfrontiert zu werden. Schon hier steht der CIO unter dem Druck, adäquate Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Prof. Walter Brenner empfiehlt IT-Managern Lerneinheiten in Sachen Social Web und Mobile Computing.
Prof. Walter Brenner empfiehlt IT-Managern Lerneinheiten in Sachen Social Web und Mobile Computing.

Die Situation verschärft sich für ihn dadurch, dass Digital Natives auch in die Fachbereiche strömen. Sie bringen ihre Tools mit, benutzen irgendwelche Anwendungen aus dem Web, und wenn das Unternehmen sie verbieten oder nicht zur Verfügung stellen will, reagieren sie ungeduldig und lassen sich nicht abbringen. Zum Teil verwenden sie ihre Tools trotz expliziter Verbote.

Die Maßstäbe, die sie im Web als gültig anerkannt haben, wenden sie auch auf die Arbeit an. So kommt es, dass sie die im Unternehmen verfügbaren Dienstleistungen, Server- und Speicherkapazitäten ständig mit denen im Web vergleichen: Nach dem Motto: Bei Amazon, Google und Microsoft bekomme ich mehr Leistung aus dem Netz, und es geht schneller. So wird dann die Schatteninformatik zum Thema.