Interview

"Ich glaube, Sun und Oracle verpassen den Anschluß"

13.10.2000
Microsofts CEO Steve Ballmer im Gespräch mit Bob Trott und Tom Sullivan*

CW: Ist der große Server-Launch ein bedeutendes Ereignis für Microsofts .NET-Strategie?

Ballmer: Diese Vorstellung ist in verschiedener Hinsicht bedeutend. Erstens beweisen wir unsere Kompetenz im Bereich Unternehmenssoftware. Schauen Sie nur einmal, wie wir unsere Partnerschaften ausgeweitet haben. Über 7000 Leute arbeiten nun im Bereich Unternehmens-Consulting und Support. Zudem sind es die ersten Produkte, die gewisse .NET-Technologien besitzen. Und im Übrigen macht es Spaß, den Wettbewerb mit Sun und Oracle auf eine neue Ebene auszuweiten.

CW: Einer der Kritikpunkte von Sun ist, dass Microsoft gerade ein Stadium im Highend erreicht hat, das Sun längst hinter sich gelassen hat. Ist da was dran?

Ballmer: Was ich mich frage, ist, wann sie uns einholen werden. Wann werden sie eine Scale-out-Strategie haben? Ich kann bei Sun keine solche Strategie finden (Scale-out bezeichnet die Skalierung durch Clustern mehrerer Server im Gegensatz zum Ausbau mittels CPUs und RAM beim Scale-up, Anm. d. Red.). Sie sind Big-Iron-Guys. Ich suche bei ihnen vergeblich nach Billigsystemen. Die Systeme unserer Partner kosten nur 30 bis 40 Prozent von dem, was Sun verlangt. Wann werden sie ihren Anwendern die einfache Benutzerführung von Windows bieten? Wann werden sie diese Art von flexiblen Entwickungswerkzeugen haben, die es für die Windows-Plattform gibt? Tut mir leid, aber das alles vermisse ich. Die Sun-Leute könnten sagen, dass es eine Ebene gibt, wo wir uns ein Wettrennen in Sachen Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit liefern. Aber an all den anderen Fronten haben sie den Kampf noch nicht einmal aufgenommen. Diese Dinge sind aber von Bedeutung.

CW: Ein anderes Argument von Sun ist, dass sein integriertes Hard- und Softwareangebot zuverlässiger ist als das OEM-basierte von Ihnen.

Ballmer: Sun verteidigt das Modell der 70er Jahre, es ist nicht das Modell der 80er, 90er und 2000er. In gewissen Perioden kann das alte Modell Vorteile haben. Apple hat beispielsweise eine Zeitlang davon profitiert. Aber das Modell für dieses Jahrhundert ist Spezialisierung und Fokussierung. Deshalb bemühen wir uns, in Windows Datacenter das Beste beider Welten zu vereinen. Das Beste der offenen Hardwareumgebung und das Beste in Bezug auf Preis, Flexibilität und Innovation. Außerdem haben wir es etwas eingeschränkt: Wir haben einen kleinen Kreis von Partnern, und wir testen und zertifizieren nur eine begrenzte Anzahl an Systemen.

CW: Wie bewegen Sie Kunden, sich von Suns Betriebssystem Solaris zu trennen?

Ballmer: Einerseits versuchen wir natürlich, sie zur Migration zu bewegen. Aber in der Hauptsache müssen wir sie überzeugen, ihre neuen Anwendungen auf unserer Plattform zu entwickeln. Wir sagen unseren Kunden: Ihr habt Skalierbarkeit, Zuverlässigkeit, Managebarkeit. Wir geben euch zusätzlich den Vorteil von Toolsets, Entwicklungsverfahren, XML, all die Dinge, die wir mit .NET erreichen wollen, und das alles in Verbindung mit dem Rich Client. Auch wenn uns Leute wie Larry Ellison und Scott McNealy mit ihrem ständigen Geplapper etwas anderes weismachen wollen, benutzt die ganze Welt nach wie vor Rich Clients. Die Browser werden umfangreicher, und auch die Intelligenz von Handheld- und TV-Geräten wächst. Ich glaube ganz einfach, dass Sun und Oracle den Anschluss verpassen.

CW: Wenn Datacenter jetzt die ersten .NET-Technologien besitzt, wie groß ist dann noch die Kluft zwischen dem aktuellen Produkt und Ihrer endgültigen .NET-Vision?

Ballmer: Wir zeigen heute noch nicht das User Interface. Wir haben eine Vor-Betaversion der .NET-Frameworks herausgegeben, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Server optimal in das .NET-Framework integriert sind, und wir haben auch noch nicht einmal mit den ersten .NET-Building-Blocks begonnen - mit kleinen Ausnahme wie etwa "Passport", einem Identifizierungs- und Bezahlservice fürs Web. Es liegt also noch ein großes Stück Arbeit vor uns.

CW: Welche Rolle werden Ihre Partner bei .NET spielen?

Ballmer: Sie werden einerseits eigene Anwendungen und Geräte entwickeln. Gleichzeitig werden wir .NET-Services anbieten, die von anderen Anbietern angepasst, neu zusammengestellt und mit ihren eigenen Dienstleistungen als eigenständige Produkte vertrieben werden.

*Bob Trott und Tom Sullivan sind Redakteure bei der CW-Schwesterpublikation "Infoworld".