Roundtable Cloud Readiness

"Ich glaube, dass die IT längst abgehängt worden ist"

26.10.2015
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Haben deutsche Unternehmen eine Cloud-Strategie? Brauchen sie überhaupt eine? Die großen Cloud-Anbieter beantworten beides mit Nein. Wichtiger sei es, die viel größeren Weichen für die Digitalisierung der Geschäftsmodelle zu stellen.
  • Eine "Cloud-First-Strategie" bringt Unternehmen voran.
  • Ohne digitales Geschäftsmodell hilft auch eine Cloud nichts.
  • Die Furcht um Datensicherheit in der Cloud ist nur ein vorgeschobenes Argument, um Unwissenheit zu kaschieren.

Die neue Studie "Cloud Readiness 2015"von COMPUTERWOCHE und TECCHANNEL beleuchtet ausführlich, wie gut die deutschen Anwenderunternehmen auf das Cloud-Zeitalter vorbereitet sind, was im Cloud-Umfeld bereits umgesetzt wird, welche Bedenken noch vorherrschen und wie der Plan für die Cloud-Zukunft aussieht. Anlässlich der Veröffentlichung des Studienberichts fand eine Roundtable-Diskussion mit Vertretern der Studienpartner Damovo, EMC, Haufe-Lexware, IBM, Microsoft und VMware statt, um die Meinungen der Anwender mit der Sicht der Anbieter zu vergleichen.

Gemeinsam mit COMPUTERWOCHE-Chefredakteur Heinrich Vaske debattierten Peter Arbitter, Director Cloud & Enterprise bei Microsoft, Esther Donatz, Director Cloud Services CEMEA bei VMware, Mirza Hayit, Geschäftsführer von Haufe-Lexware, Kurt Rindle, Cloud Evangelist and Portfolio Leader DACH der IBM, Carl Mühlner, Geschäftsführer von Damovo und Elke Steinegger, Senior Director PreSales bei EMC.

"Die IT-Abteilung merkt nichts"

"Cloud-Strategie: Der Anfang ist gemacht" heißt es im Management Summary der Cloud-Readiness-Studie - immerhin ein Viertel der befragten Anwender haben ihre Geschäftsprozesse bereits auf ihre Cloud-Tauglichkeit hin überprüft, erste Services eingeführt und in vielen Fachbereichen erfolgreich etabliert. Die Diskutanten bestätigten diesen Status quo: "Neue Business-Modelle nehmen jetzt Fahrt auf. Der große Unterschied zu früher ist aber, dass das auch ohne die IT-Abteilung geschehen kann und oft auch geschieht", stellte VMware-Managerin Esther Donatz fest.

Der CIO und die IT-Abteilung allgemein müssten sich in ihrer neuen Rolle noch finden. Großartig Zeit hätten sie dafür allerdings nicht. Donatz merkte an, dass den IT-Spezialisten mitunter die Bereitschaft fehle, sich konsequent mit den täglichen Anforderungen der Fachbereiche nach agilen Werkzeugen und Prozessen auseinanderzusetzen.

Elke Steinegger von EMC wurde noch deutlicher: "Viele IT-Abteilungen merken gar nicht mehr, wenn sie herausgefordert werden. Es werden oft parallel überall im Unternehmen eigene Cloud-Bereiche eröffnet, ohne dass die IT involviert wäre." Microsofts Cloud-Director Peter Arbitter erklärte sich das mit der traditionell unterschiedlichen Herangehensweise von Fach- und IT-Bereichen: "Ich glaube, dass die IT längst abgehängt worden ist. Während sie immer noch oft in der Verteidigungsdiskussion feststeckt, warum etwas nicht geht, sind die Fachbereiche schon viel weiter und machen einfach."

Nahezu einig war sich die Runde in der Auffassung, dass eine "Cloud-First-Strategie" Unternehmen voranbringen könne. Anwender sollten neue IT-Vorhaben in der Cloud planen, und sie sollten intern sehr gut begründen können, wenn sie etwas nicht in der Cloud umsetzen wollten.

Mirza Hayit, Geschäftsführer der Haufe Lexware, warnte indes vor ungezügelter Euphorie. Werde der IT-Verantwortliche ignoriert, führe das dazu, dass "uns im deutschen Mittelstand das Business auf lange Sicht komplett um die Ohren fliegt." Eine Lösung aus dem Dilemma, so zeigte die Diskussion, kann eine "bimodale Aufstellung" der IT-Organisation sein. In diesem Falle würde eine schnelle und agile IT-Organisation zur Unterstützung der Digitalstrategie von der klassischen IT entkoppelt. Heraus kämen zwei IT-Organisationen mit unterschiedlichen Aufgaben und Geschwindigkeiten.

Cloud- und/oder Digital-Strategie?

IBMs Cloud-Evangelist Kurt Rindle hat eine eindeutige Antwort: "Ein Unternehmen braucht keine Cloud-Strategie. Die IT-Abteilung braucht eine Cloud-Strategie. Ein Unternehmen braucht die Cloud, um Transformation zu ermöglichen." Die Frage sei nicht, ob man das eine vom anderen trennen könne oder müsse. Es gehe darum, wer die IT-Mechanismen bereitstelle - dort werde in der Tat eine Cloud-Strategie gebraucht.

"Die Cloud bietet für mich ein notwendiges und hilfreiches Instrumentarium, mit dem sich der Übergang in die Digitalisierung bewerkstelligen lässt", sagte Rindle. EMC-Managerin Elke Steinegger pflichtete ihm bei: "Es wäre wünschenswert, wenn sich die Cloud-Strategie von der Digitalisierungsstrategie ableiten würde. Das sehe ich aber bisher leider nicht. Viele Initiativen innerhalb eines Unternehmens konkurrieren eher miteinander und werden nicht gegeneinander abgeglichen."

Damovo-Geschäftsführer Carl Mühlner vermisst in den Unternehmen oftmals "den Mut, die theoretischen Gespräche über Cloud-Strategien und Digitalisierungsmodelle in konkrete Maßnahmen umzusetzen. "Dazu müssen auch bewährte Geschäftsmodelle hinterfragt werden."