Ich bin kein Halbgott in Schwarz

03.11.2000
Michael Rückert (29), seit Juli Leiter der Berliner Niederlassung der WWL Internet AG,beschreibt warum er sich freut, dass er als Chef nicht unentbehrlich ist.

"Was anders geworden ist? Nicht viel. Ob als sechster Mitarbeiter, erster Grafiker, Projektleiter oder jetzt in Berlin - seit ich vor vier Jahren bei WWL gelandet bin, hat meine Arbeit mit Herausforderungen, aber immer auch mit Spaß und Verantwortung zu tun. So habe ich damals die Außendarstellung von WWL aufpoliert, und so lief auch der Börsengang. Als es hieß: Niederlassung in Berlin geplant, habe ich ‚Hier' gerufen. Ich habe mir meine Aufgaben immer selbst gesucht und der Vorstand hat mir Freiräume zur Verwirklichung gelassen.

Was zählt, ist das Ergebnis - eine Auffassung, die nicht zuletzt mein ‚Chef-Sein' geprägt hat.

Ein Acht-Stunden-Tag reicht, nur der Chef darf länger

Was mich von anderen Führungskräften unterscheidet? Ich identifiziere mich über meine Arbeit, nicht über das, was am Jahresende zu versteuern ist. Allerdings, um vier Uhr morgens gemeinschaftlich aus der Pizza-Schachtel aufzuschauen, bringt nichts. Da ist man selbst irgendwann ausgebrannt, und die Mitarbeiter sind es auch. Ein Acht-Stunden-Arbeitstag reicht, nur der Chef darf etwas länger bleiben. Es ist wichtig, dass jeder auch Freizeit hat, die er selbst gestalten kann, dass er Zeit hat, wenn ein schönes Opernstück lockt. Natürlich klappt das in der Aufbauphase etwas seltener. Trotzdem habe ich auch erst mal eine Woche Urlaub gemacht, um die Akkus aufzuladen.

Ich bin kein Halbgott in Schwarz. Ich weiß, die kriegen das hier locker auf die Reihe, auch wenn ich mal nicht da bin. Ich habe nicht nur eine erfahrene Assistentin, sondern alle Mitarbeiter kennen durch Trainings und Treffen auch die Leiter der anderen WWL-Niederlassungen. Da bestehen keine Berührungsängste, im Notfall mal anzurufen. Unentbehrlichkeits-Probleme kennen nur die Alleinwissenden.

Von der Ausbildung her bin ich Druckvorlagenhersteller, meine Leidenschaft gehört der Gestaltung, ebenso verstehe ich mich aufs Programmieren. Im laufenden Business unserer Branche und dank flacher Hierarchien rutscht man - selten geplant, sondern von heute auf morgen - auf einen Posten mit mehr Verantwortung und einem größeren Aufgabenfeld. Ab einem bestimmten Punkt hängt der Erfolg dann davon ab, wie gut man Arbeit abgeben kann.

Akzeptanz ist keine Frage von Lebensjahren

Man muss akzeptieren, dass jemand einen ganz anderen Weg geht als man selbst, sein Ergebnis aber genauso gut ist.

Wegen meines Alters nicht gehört worden bin ich wohl das letzte Mal während meiner Ausbildung, als ich von einer Sache mehr verstand als der Lehrmeister. Akzeptanz ist keine Frage von Lebensjahren. Auch bei unseren Kunden zählen fachliche und soziale Kompetenz. Dazu gehört, offen zu sein und nichts zu versprechen, was nicht zu halten ist. Als Projektleiter dachte ich zwar manchmal: Mensch, der gewünschte Abgabetermin ist unwahrscheinlich sportlich. Aber das habe ich nie einen Kunden merken lassen. Ich wusste ja: Ich habe die Profis im Haus. Weil ich schon in Nürnberg immer nur so gut sein konnte wie mein Team, habe ich das offen gezeigt. Mit einem Dankes-Essen für alle.

Ich schätze Leute, die eine Sache hervorragend zu Ende bringen können. Mir gefällt dagegen meine Rolle als ‚Aufreißer'. Nicht, dass ich keinen erfolgreichen Abschluss im Hinterkopf hätte, aber sowie ein Projekt über seine Anlaufphase hinausgeht, brauche ich eine neue Aufgabe. So gesehen ist vielleicht auch mein Aufenthalt in Berlin irgendwann zu Ende. Aber sicher nicht so bald. Ich liebe die Stadt. Wir haben damals 38 Ortstermine in vier Wochen absolviert, um den richtigen Standort für WWL in den Edison-Höfen ausfindig zu machen. Hier können wir wachsen.

Mitreden will ich natürlich bei vielen Dingen, bei der Raumgestaltung, bei einem Pitch oder beim Absegnen von Budgets. Grundsätzlich lasse ich meinen Mitarbeitern aber viele Freiheiten und halte mich vor allem bei Dingen raus, die ich eigentlich gelernt habe und besonders gut kann."